Am fünften Prozesstag fiel das Urteil des Schwurgerichts unter Vorsitz von Dr. Roman Hamel: Drei Jahre und zwei Monate Gesamtfreiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung.
Es begann mit einem Nebenkriegsschauplatz: Der Angeklagte hatte auf Facebook einen Eintrag mit Drohkulisse gegenüber der Presse (wie ähnlich bereits zuvor in Richtung Stadtverwaltung) hinterlassen, den Oberstaatsanwalt Alexander Fassel nicht kommentarlos stehen lassen wollte. Angesichts des vom psychiatrischen Gutachter Dr. Sergiy Davydenko beleuchteten Persönlichkeitsbildes wollte Hamel den Rechtsstaat deutlich hervorkehren. Dies führte noch vor der Sitzung zur körperlichen Durchsuchung des Angeklagten. Der Vorsitzende Richter wollte sichergehen, dass der Angeklagte nicht übergriffig werden kann.
Selbst der Verteidiger war über das Verhalten seines Mandanten irritiert. Gegen Ende eines Prozesstages war er ohne jede Erklärung einfach nach Hause gefahren – er sei erschöpft gewesen. Der Täter hatte spät im Prozess behauptet, von dem Tatopfer zuerst angegriffen worden zu sein. Gegen diese Attacke mit einer Gehhilfe habe er sich mit Baseballschläger und Pfefferspray verteidigt. Dem widersprach das Opfer energisch und glaubhaft. Er habe im Flur wartend zunächst die Lage in Ruhe sondiert und sei dann in den Hof getreten, als er keine Gefahr mehr erwartete. Der Angeklagte hatte sich in der Zwischenzeit bereits Richtung Garagen entfernt.
Nach seiner Ansprache hätte sich der Angeklagte umgedreht und mit dem Pfefferspray auf ihn gezielt. Dadurch habe er nichts mehr gesehen. Sofort sei, für ihn nur schemenhaft erkennbar, ein Schlag mit dem Baseballschläger gegen den Kopf erfolgt. In Abwehrhaltung habe er seine Hände schützend über den Kopf gehalten und sei mit einem weiteren Schlag gegen den Arm getroffen worden. Ein dritter und vierter Treffer seien gegen Rippen und Schienbein gegangen. „Schon nach dem ersten Sprühstrahl habe ich mich mit der Krücke zu verteidigen versucht und etwas getroffen“, gab der 39-Jährige im Zeugenstand an. Laut Beweisaufnahme traf der Verteidigungsschlag mit der Krücke den Täter am Kopf und hinterließ bei ihm eine blutende Wunde.
Die Kernfrage an dieser Stelle war, ob der Angeklagte Gelegenheit hatte, weitere möglicherweise tödlich wirkende Schläge mit dem Baseballschläger folgen zu lassen. Und aus welchem Grund dies nicht umgesetzt wurde. Waren es die hinzukommenden anderen Zeugen, die „Aufhören!“ schrien? Hatte der Angeklagte von sich aus die in Rede stehende Tötungsabsicht vorzeitig und durch freiwilligen Rücktritt aufgegeben?
Oder war dem Verletzten die Flucht ins Haus bereits gelungen, sodass er in dem dynamischen Geschehen für den Angreifer unerreichbar wurde? Die Beantwortung dieser Fragen war gleichzeitig die Trennlinie zwischen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung. Die Erörterung dieser zeitlichen Sequenz war das „juristische Salz in der Suppe“.
Opfer flüchtet humpelnd
Das Tatopfer, selbst mit einem langen Vorstrafenregister und auch Gewaltdelikten belastet, erläuterte, dass er zu Boden gegangen, aber bestrebt gewesen sei, der Gefahr zu entkommen. Sein ehemaliger Freund hätte aber durchaus Gelegenheit gehabt, ihm zu folgen. Nach den Attacken mit Pfefferspray und Baseballschläger sowie blutigen Verletzungen an Kopf und Schienbein sei das Opfer „normalen Schrittes Richtung Hauseingang gehumpelt“.
Die erneut vernommene Lebensgefährtin des Geschädigten konnte zu der Auseinandersetzung nicht viel beitragen. Sie sei damit beschäftigt gewesen, die beiden gemeinsamen Kinder zu beruhigen. Die sechsjährige Tochter habe zuvor gebettelt: „Papa, geh nicht runter.“ Nach dem Verlesen der Einträge aus dem Bundeszentralregister (14 allein zwischen 2003 und 2019 wegen mehrfachen schweren Diebstahls, Urkundenfälschung, Betrug, gefährlicher Körperverletzung, falscher Verdächtigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis) stand die Stunde der Plädoyers an.
Kinder sind bis heute traumatisiert
Oberstaatsanwalt Fassel stufte nach der Beweisaufnahme den ursprünglichen Vorwurf des versuchten Totschlags auf gefährliche Körperverletzung herab. Der Geschädigte sei mit einem unguten Gefühl in eine sich anbahnende körperliche Auseinandersetzung gegangen. Der Angeklagte selbst sei sofort mit Pfefferspray und einem ersten Schlag mit dem Baseballschläger gegen den Kopf in den Angriff übergegangen.
Ein Tötungsvorsatz habe in der Kombination einer lebensgefährdenden Handlung und dem Ausruf „Ich bring dich um“ bestanden. Drei Treffer mit dem Baseballschläger gegen Kopf, Schutzarme und Rippen seien durchaus geeignet, Leben zu gefährden. Aber er sei aus eigenen Stücken vom Tötungsvorsatz zurückgetreten. Er hätte dem Opfer folgen können, habe dies aber unterlassen. Insoweit sei gefährliche Körperverletzung der Maßstab, bei dem ein Strafmaß zwischen sechs Monaten bis zehn Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen ist.
Die provokanten WhatsApp-Nachrichten des Verletzten im Vorfeld seien strafmildernd zu berücksichtigen. Andererseits stünden bereits mehrere vollstreckte Freiheitsstrafen und einschlägige Verurteilungen im Raum. „Das Nachtatverhalten bei der Polizei, das Verschweigen des Pfefferspraygebrauchs und dessen Auffinden bei der Durchsuchung mache klar, wer Täter und wer Opfer ist.“ Auch hätten Kinder das Geschehen mitbekommen und seien zum Teil bis heute traumatisiert.
Im Übrigen seien die Verletzungen durch vier Schläge mit einem Baseballschläger massiv. Voraussetzungen für den Maßregelvollzug lägen nicht vor. In der Gesamtschau forderte der Oberstaatsanwalt daher eine Freiheitsstrafe von vier Jahren unter Einbeziehung einer Vorverurteilung.
Verteidiger Christoph Velten (Bad Kreuznach) sah einen Streit mit gegenseitigen Vorhalten, der sich aufgeschaukelt habe. Zwei Tage vor dem Geschehen habe das Opfer sich mit rauen und provozierenden Worten in einer WhatsApp-Nachricht intellektuell über den Täter gestellt: „Das Opfer wusste ganz genau, was er mit der Nachricht auslöst. Der Täter wurde von ihm quasi bestellt“, sagte Velten. Und auch der erste Schlag sei vom Geschädigten gekommen, nicht vom Täter.
Der Beginn war von neutralen Zeugen nicht gesehen worden, es gab dazu unterschiedliche Angaben von Täter und Opfer. Ein Tötungsvorsatz sei auszuschließen. „Wenn er hätte töten wollen, hätte er dazu die Möglichkeit gehabt.“ Die Schläge mit dem Baseballschläger seien auch nicht gezielt und nur einarmig geführt worden. Die Notwehrsituation sei schon zwei Tage vorher in Gang gekommen. Der Verletzte verstehe es, sich gut zu verkaufen, der Angeklagte sei genau das Gegenteil. So habe der Zeuge seinem Mandanten den Diebstahl eines Kompressors angelastet. „Im Prozess wurde jetzt aber klar, dass er diesen selbst gestohlen hatte.“ Er fordere daher Freispruch für seinen Mandanten, der sich im Schlusswort dem Verteidiger anschloss.
Verteidigung geht in Revision
Auch das Schwurgericht sah im Vorgeschehen bezüglich der Verwendung falscher roter Kennzeichen und der möglichen Falschbezichtigung eine bedeutsame Ursache für den Gewaltausbruch. Die Richter schlossen sich aber im Wesentlichen der Sichtweise der Staatsanwaltschaft an. Die Einsatzstrafe liege bereits wegen der gefährlichen Körperverletzung bei zwei Jahren und acht Monaten, sodass unter Einbeziehung der Vorverurteilung eine Gesamtstrafe von drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsentzug ausreichend bemessen sei. Der Verteidiger kündigte Revision an.