Ein steiniger Weg
Für Viktoria stand fest: „Ich will da auch mal auf der Bühne stehen. Das ist einfach toll da.“ Bis dahin war es allerdings ein im wahrsten Sinne des Wortes steiniger Weg. Beim Nachwuchswettbewerb des Deutschen Schmuck- und Edelsteinpreises lautete das Thema „Fabelwesen“, Prestel hatte einen Flyer mitgebracht. Zugelassen waren ungefasste Edelsteine (im Unterschied zum Hauptwettbewerb auch Synthesen), der Edelstein im Schmuckstück, das Edelsteinobjekt und die Edelsteinskulptur.
Viktoria brachte einen Labradorit mit. Er gilt als Stein der Wesenstiefe, der die Kreativität fördert und die Fantasie anspornt. Durch seine beruhigende Heilkraft wirkt der Stein angeblich ausgleichend bei überschäumendem Temperament. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen bei einer fröhlichen 14-Jährigen, die das Göttenbach-Gymnasium besucht, gern Klavier spielt – aber auch mal mit ihren Kunstschule-Kollegen Blödsinn macht.
Ein Fabelwesen entsteht
123 Stunden: Diese Zeit brauchte es, bis aus dem Labradorit ein Glücksdrache wurde: mystisch, mit blauen Augen, die Viktoria entdeckte, nachdem sie den Stein hundertmal in der Hand gehalten hatte, fühlte, roch, betrachtete. Er schien plötzlich mit ihr zu sprechen, wollte aus dem Schlaf erweckt werden – ein Fabelwesen entstand.
Alles Handwerkliche brachte ihr Prestel bei, die die Arbeit intensiv begleitete. Viktorias Schul-Kollegen – Khan Celik (15), Lina Schmidt (14), Leana Ginder (12) und Konstantin Piskuliyski – halfen phasenweise mit. Geduld und Disziplin waren gefragt. Dann stand fest: „Wir reichen zwei Stücke zum Wettbewerb ein: Viktorias Drache und Khans Glücksfee.“ Ganz selbstbewusst. Was soll schon passieren?
Die nächste Geduldsprobe: warten, bis irgendwann Post eintrudelte. Die Freude war riesig. Platz drei ging an Viktoria. „Diese Arbeit besticht“, so Juror Florian Brune, „durch ihre Einfachheit.“ Laut Kollegin Andrea von Goetz und Schwanenflies handelt es sich „bei diesem bezaubernden Drachen um die künstlerisch am besten umgesetzte Arbeit, die durch ihre kraftvolle Edelsteinbearbeitung und dem ihr innewohnenden Purismus besticht“. Die Jury entschied einstimmig. „Wow, was für ein Kompliment“, sagt Nana Prestel mit spürbarem Stolz.
Feier im Parkhotel
Die Preisverleihung jüngst im Idar-Obersteiner Stadttheater: „Ich habe Viktorias Hand gehalten. Es war schon aufregend für sie und uns“, blickt Prestel zurück. Und danach durfte Viktoria, die zuvor noch nie einen Stein bearbeitet, sondern immer nur gemalt hat, auch mit zur Winners Night im Parkhotel – bis 23 Uhr.
Promis, schicke Leute, Musik: „Es war klasse, ich wäre gern länger geblieben.“ Viktoria, die die Schule seit drei Jahren besucht, kann sich gut vorstellen, später mal an der Hochschule für Edelstein- und Schmuckgestaltung in Idar-Oberstein zu studieren oder anderweitig in diese Richtung zu gehen. „Auf alle Fälle möchte ich weitermachen, auch mit tragbarem Schmuck.“
Mehr als 3000 junge Menschen besuchten die Kunstschule
Seit 30 Jahren führt die aus Bulgarien stammende Künstlerin Prestel die Kunstschule, zunächst rund 15 Jahre lang unter dem Dach des Kunstvereins Obere Nahe. Seit 15 Jahren wird die Einrichtung vom Verein Freundeskreis Mal- und Kunstschule Idar-Oberstein betrieben.
Mehr als 3000 junge Menschen haben in den vergangenen Jahrzehnten entweder an Dauerkursen oder bei Einzelmaßnahmen wie Workshops im Rahmen der städtischen Ferienprogramme die Mal- und Kunstschule besucht. Die Unterrichtsräume in der Bahnhofstraße 3 gibt es nicht mehr. In diesem Jahr stand ein Umzug in die Wilhelmstraße 15 bis 17 an.
Mehr als 500 Jahre Edelstein-Tradition
Die Schützlinge von Nana Prestel, die durch Wissen und pädagogisches Geschick beeindruckt, haben bei zahlreichen regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben Auszeichnungen und Preise gewonnen. Vor allem aber hatte die Schule für viele junge Menschen eine wichtige Funktion bei der Vorbereitung auf Beruf und Studium. Auch für den Zugang zu Schmuck- und Edelsteinberufen spielt die Malschule eine immer wichtigere Rolle, wie nun Viktorias Erfolg untermauert.
Auf Anregungen aus der Wirtschaft wurde das Angebot der Schule auf dreidimensionales Gestalten ausgeweitet. Prestel erzählt: „Ich habe den Schülern erklärte, dass unsere Heimat über mehr als 500 Jahre diese Edelstein-Tradition als Kulturerbe trägt und in unserem Fall auch gern an die nächste Generation weitergibt. So sah ich den ersten Glanz in die Augen der Kinder und erklärte eine Technik nach der anderen: von Intaglio bis Cameengravuren, die in Alexandria aus Achat geschliffen und graviert wurden.“
Die Schüler seien von der Preisverleihung im Juli fasziniert gewesen: „Ich sah, dass sie Feuer und Flamme waren und genau wissen wollten, wie man solche Schmuckstücke macht. Da ich selbst schleifen, gravieren, Gold schmieden kann – ich bin Diplomdesignerin für Edelsteine und Schmuck, – sagte ich, dass ich sie bei ihrem Vorhaben unterstützen würde. Ich bin selbst mehrfache Preisträgerin solcher Wettbewerbe und wollte das Gefühl, das mich damals beflügelt und mich zu diesem schönen Beruf verleitet hat, weitergeben, denn Hobby und Beruf ergab für mich meine Berufung im Leben.“ So stand fest, dass eine Werkkunstsektion „Edelsteingestaltung“ in der Schule etabliert werden soll.
Ein buntes Treiben
Bei dem „Glücksdrachen“ seien die blauen Äuglein schon da gewesen: „Sie schauten uns neugierig unter der Oberfläche des Gesteins an. So fingen die verzauberten Jungen und Mädchen an, die Form von dem Rest des Steins zu befreien. Da die Sommerferien dazwischenkamen, sah ich die Notwendigkeit, andere aus der Gruppe, die Lust zu gravieren hatten, mit einzubeziehen.
Für Jugendliche in diesem Alter ist es sehr schwierig, die Konzentration über mehrere Stunden aufrecht zu halten. Die Stücke sind relativ groß für Edelsteingravuren. Es war ein buntes Treiben, sie waren am Ende beim Polieren so aufgeregt, dass ich sie teilweise anweisen musste, kurze Pausen einzulegen.“
Integration im Fokus
Es komme noch dazu, dass die Kinder aus allen Richtungen der Welt stammen: „Viki ist Deutsche, Konstantin Bulgare, Khan Türke, Leana ist aus Kasachstan, Johan aus Thailand und Aliysija aus der Ukraine“, erzählt die 57-Jährige.
Integration spiele in der Kunstschule eine sehr große Rolle, „denn nur durch die Liebe zur Kunst sind wir alle dort verbunden“. Die Jugendlichen legen sich ihre künstlerischen Schwerpunkte selbst fest, sind mehrere Jahre in der Schule eingeschrieben und können sich hier schon beruflich orientieren. „So konnten wir auch bisher 24 Schüler für einen künstlerischen Ausbildungsberuf vermitteln.
Ebenso haben 33 Abiturienten die Aufnahmeprüfungen nach Mappenvorbereitung an weiterführenden Hochschulen bestanden. Somit hat die Mal- und Kunstschule, nach Aussage des Kulturbüros Rheinland-Pfalz, durch ihren Permanentunterricht und Ausrichtung auf berufliche Orientierung ein Alleinstellungsmerkmal in Rheinland-Pfalz.“ Entsprechend groß ist auch das Einzugsgebiet. Oft nehmen die Jugendlichen lange Anfahrtswege in Kauf.
Im Moment wird der Aufbau der Werkkunstsektion (Dreidimensionale Gestaltung, Modellbau) weitergeführt. All das kostet viel Geld: Insofern freue man sich über Spenden:
Kontakt: E-Mail an prestel.design@t-online.de, Tel. 06781/ 45.837 66