
Am Freitag haben unsere Zeitung sowohl von Jochen Bülow als auch von Tobias Härtling Pressemitteilungen erreicht, in denen beide langjährigen Kommunalpolitiker ihren Parteiaustritt verkünden.
Jochen Bülow ist aktuell Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag. Wie er mitteilt, beendet er seine Mitgliedschaft in der Partei „mit sofortiger Wirkung“. Die Mandate im Kreistag und im Verbandsgemeinderat Puderbach wird er weiter ausüben, heißt es. Er sagt: „Es war eine schwere Entscheidung, die ich aber nach längerer Überlegung treffen musste. Die Linke hat sich seit geraumer Zeit in eine Richtung entwickelt, die ich inhaltlich nicht mehr mittragen kann.“

Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit, das Bestehen auf einer für alle bezahlbaren Umweltpolitik und eine auf Verständigung, Kooperation und friedliche Koexistenz gerichtete Außenpolitik seien einmal die wichtigsten Punkte des Parteiprogramms gewesen. „Mittlerweile sind stattdessen Themen in den Vordergrund gerückt worden, die ich weder für die zentralen gesellschaftlichen Probleme noch für wählerwirksam halte“, so Bülow. Die Linke habe ihre Funktion als Partei der sogenannten kleinen Leute weitgehend eingebüßt.
Weg der Parteiführung falsch
„Ich danke allen, mit denen ich viele Jahre lang einen gemeinsamen Weg gehen durfte, und lege Wert auf die Feststellung, dass mein Austritt nichts mit der Arbeit vor Ort zu tun hat“, so Bülow. Vielmehr sei es vor allem der Umgang des Parteivorstands in Berlin mit der gewerkschaftlich orientierten Strömung in der Linken, der Bülow zu diesem Schritt bewogen habe. Wie falsch der Weg der Parteiführung seit geraumer Zeit ist, zeigten einerseits die Mitgliederentwicklung und die seit Jahren immer schlechter werdenden Wahlergebnisse und andererseits der wachsende Erfolg einer in großen Teilen offen rechtsradikalen AfD.
„Ich unterstütze deswegen die Überlegungen Sahra Wagenknechts und anderer, die eine Partei gründen wollen, die die genannten Themen wieder in den Fokus rückt. Davon verspreche ich mir, dass sich die Menschen, die nicht mehr das Gefühl haben, es ginge in der Politik um ihre Belange, wieder in lösungsorientierte Diskussionen einbringen und demokratische Parteien wählen.
Fraktion bis Kommunalwahl weiterführen
Ob sich Bülow der neuen Partei anschließt, „werde ich zu gegebenem Zeitpunkt entscheiden“. Er möchte sich weiter im Sinne der Menschen einsetzen, die im Kreistag und im Verbandsgemeinderat eine Vertretung haben wollen, die nicht alles widerspruchslos hinnimmt, was angeblich alternativlos ist. „Ich bin deshalb mit meiner Fraktionskollegin Dr. Daniela Menzel übereingekommen, die Kreistagsfraktion bis zur Kommunalwahl im kommenden Jahr weiterzuführen“, so Bülow.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat Neuwied, Tobias Härtling, hatte bereits vor zwei Monaten angekündigt, nicht mehr für Die Linke kandidieren zu wollen. Nun gab auch er seinen Austritt aus der Partei bekannt. Das Fortbestehen der Stadtratsfraktion bleibe davon unberührt. „Es war für mich keine schwere Entscheidung mehr. Zu häufig wurde ich enttäuscht, zu häufig habe ich mich geärgert, wie etwa über die Solidaritätsbekundungen der Landespartei mit linksextremistischen Gewalttätern oder die Methoden der Klimakleber. Da war für mich spätestens klar, dass es nicht mehr meine Partei ist.“
Verband war nicht das Problem
Er habe mit dem Austritt noch gewartet, um mit dem Kreisverband Neuwied – „der nicht das Problem war, und bei dem ich mich für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte“ – ordnungsgemäß abzuschließen. Diesen Abschluss habe es jüngst bei der Kreismitgliederversammlung am 29. Oktober gegeben. Dass Sahra Wagenknecht eine Parteigründung zu Beginn des neuen Jahres ankündigte, „habe ich selbstverständlich mit Interesse verfolgt und finde auch die erste inhaltliche Ausrichtung ansprechend. Ein Engagement für dieses Projekt kann ich mir Stand heute sehr gut vorstellen“.