„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“ – dieser Satz wird Albert Einstein zugeschrieben. Passenderweise hatte der Asbacher Verbandsgemeinderat bei seiner jüngsten Sitzung, die gemeinsam mit der Jugendvertretung abgehalten wurde, einen Zukunftsforscher eingeladen, der den jungen Leuten vor allem eines machen wollte: Mut.
Nicht mit Sorge in die Zukunft schauen
Ulrich Reinhardt, Professor für empirische Zukunftsforschung am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Westküste in Heide, betonte in seinem äußerst kurzweiligen Vortrag „German Mut statt German Angst“, dass man nicht mit Sorge in die Zukunft schauen solle. Vielmehr würde man in 20 oder 30 Jahren anders leben als heute. Anders besser, so Reinhardt.
Doch woher kommt es, dass die Deutschen oft pessimistisch sind und „German Angst“ international ein geflügeltes Wort ist? Der Professor erklärte, mehr als zwei Drittel der Deutschen würden laut Studien lieber in der Vergangenheit statt in der Zukunft leben. Denn: Die Vergangenheit ist das Bekannte, die Zukunft das Unbekannte. „Es ist klar, warum wir so ängstlich sind: Uns geht es zu gut“, formulierte Reinhardt.
„Es ist klar, warum wir so ängstlich sind: Uns geht es zu gut.“
Das sagte Ulrich Reinhardt über die ängstlichen Deutschen.
Dabei habe sich von der Vergangenheit bis heute sehr viel deutlich verbessert: Reinhardt sprach Themen wie Lebenserwartung, Armut und medizinische Versorgung an – ganz zu schweigen vom technischen Fortschritt. Doch der Mensch sei mit dem Blick nach vorne psychologisch darauf gepolt, das wenige Negative stärker zu gewichten als das viele Positive. Für heutige Ängste wie Altersarmut, Kriminalität, Klimawandel, Energiekosten und Krieg würde man Lösungen finden – das tue der Mensch immer. Krisen habe es immer gegeben, und man habe sie überwunden, Reinhardt zählte Ölkrise, Kalter Krieg, Golfkrieg, BSE, Vogelgrippe und Finanzkrise auf und betonte: „In der Vergangenheit war nichts besser. Gar nichts. In der Zukunft wird alles besser sein als in der Gegenwart.“
Dabei, so nannte der Forscher Zahlen aus Studien, seien es eher die Älteren, die pessimistisch in die Zukunft blickten. „Die Jüngeren haben weniger Sorgen“, sagte er und nannte als Beispiel, dass für viele der jungen Generation mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein bedingungsloses Grundeinkommen irgendwann kommen werde und man die heutigen Konzepte der Erwerbsarbeit oder der Sozialleistungen ad acta legen könnte.
Kinderlosigkeit wegen Ängsten
Denn die Arbeit müsse sich ändern, so Reinhardt. Allein wegen des demografischen Wandels. 80 Millionen Menschen kämen pro Jahr hinzu, bei etwa 10,5 Milliarden Menschen könnte die Höchstgrenze erreicht sein. Und diese Menschen würden wegen des Fortschritts immer älter. In Deutschland kämen aber immer weniger Kinder nach. „Heutzutage wird zu häufig darüber nachgedacht“, sagte er zur Entscheidung pro und contra Kinder. Es existierten zu viele Ängste. Und wie sollten diese „kleinen“ Generationen die vielen „Alten“ finanzieren? Neue Technologien würden neue Arbeitsplätze schaffen können, es würden Berufe und Berufsfelder entstehen, „an die denken wir noch nicht mal“, so Reinhardt. Wichtig sei es jedoch, dass die Bezahlung der Arbeitszeit durch eine Bezahlung der Produktivität ersetzt werde. Denn: Die jungen Arbeitnehmer achteten mehr auf ihre Freizeit als die Generationen ihrer Eltern und Großeltern.
„Die Digitalisierung wird das Leben besser machen. Wir merken es besonders im Freizeitbereich.“
Davon ist der Zukunftsforscher überzeugt.
Und eines ist für die Zukunft für den Forscher sicher: „Die Digitalisierung wird das Leben besser machen. Wir merken es besonders im Freizeitbereich.“ So erklärte er den anwesenden Jugendlichen, die mit dem Smartphone und medialer Reizüberflutung groß werden, wie sich das Leben in den vergangenen 70 Jahren durch Technik verändert hätte. Ein Beispiel sei genannt: Die Kassette und der Bleistift in den 1980er-Jahren. Oder: „In den 50ern war die dritthäufigste Freizeitbeschäftigung, aus dem Fenster zu gucken“, berichtete der Professor und sorgte für Lacher und Schmunzler.
Daher möchte er mit Blick nach hinten und vor allem nach vorne motivieren, die Zukunft positiv zu sehen. Optimismus, Mut, keine Scheu vor Verantwortung, das waren die Appelle des Zukunftsforschers. Deutschland solle in der Welt für Mut und nicht für Angst bekannt sein.
Mehr Akzeptanz statt Bevormundung
Andererseits sparte der Professor nicht an Kritik am aktuellen Zeitgeist, der vor allem in den vergangenen Jahren entwickelt wurde: „Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, dass wir in Deutschland die Welt retten müssen. Und man sollte nicht allen anderen versuchen, die Welt zu erklären und sich als die besseren Menschen sehen“, mahnte Reinhardt. Als Beispiel nannte er die Präsidentschaftswahl in den USA: „Ich bin ein bisschen überrascht über unser deutsches Selbstbewusstsein, dass wir für die größte Demokratie der Welt wissen, wer der richtige Präsident ist.“ Er würde sich mehr Akzeptanz wünschen, dass man in der Welt Sachen auch anders sieht als die Deutschen.
Während der Diskussions- und Fragerunde, für die die offizielle Sitzung des Rates unterbrochen wurde, kamen Fragen dazu, wie Reinhardt die Entwicklung der deutschen Sprache sehe. „Das ist etwas, was nie stehen bleibt und sich stetig verändert. Das ist der Lauf der Zeit“, meinte Reinhardt.
„Da braucht man kein schlechtes Gewissen haben.“
Reinhardt darüber, wenn man der Werbemaschinerie der Sozialen Medien verfällt.
Auf eine Frage zu Freizeitgestaltung der Jugend und Abhängigkeiten von Social Media betonte der Zukunftsforscher, dass darin eine riesige Industrie mit einer Marketingstrategie stecke, die wolle, dass man so lange wie möglich in der App bleibe. Daher scrollte man stundenlang auf dem Smartphone herum. „Da braucht man kein schlechtes Gewissen haben“, betonte er und sprach der jungen Fragestellerin mehr Mut und Selbstbewusstsein zu.