Fernab von Trubel und Hektik hat sich Guido Neunkirchen im 700-Seelen-Dorf Döttesfeld in einer Nebenstraße eine Werkstatt eingerichtet. Unter dem Namen „StarTrixx“ fertigt der gelernte Elektroanlageninstallateur Zaubertricks nach Kundenwunsch an. Zu seinen Auftraggebern zählten bereits die Ehrlich Brothers und zuletzt der Circus Roncalli aus Köln, der vor 50 Jahren von Bernhard Paul gegründet wurde. Im vergangenen Jahr feierte der Roncalli Weihnachtscircus in Berlin sein 20-jähriges Bestehen. „Dafür wollten sie sich etwas Besonderes einfallen lassen, nämlich eine uralte Zaubershow wieder aufleben lassen“, berichtet Neunkirchen. Im Jahr 1996 hatte Roncalli die Ausrüstung von der Witwe des Zauberkünstlers Dinardi, der für seine Federblumen-Show bekannt war, aufgekauft und seitdem in seinem Lager verstaut. Nun bat Roncalli den in der Branche bekannten Trickbauer Neunkirchen, das 50 bis 70 Jahre alte Material für seinen Weihnachtscircus herzurichten. „Es handelt sich hierbei um etliche, riesige Blumen, die aus einer Kiste herbeigezaubert werden“, erklärt Neunkirchen.
„Im Gespräch mit dem Roncalli-Geschäftsführer hatte dieser jedoch bemerkt, dass bei mir das Feuer neu entfacht ist. Da fragte er mich dann, ob ich denn nicht selbst auf der Bühne stehen möchte.“
Zaubertrickbauer Guido Neunkirchen
Der Trickbauer sichtete zunächst das Material für die Zaubershow. Die alten Federblumen, die vom verstorbenen Zauberer Dinardi in Handarbeit gebastelt worden waren, waren vollständig und intakt, doch die Zauberkiste von damals war verschwunden. Roncalli bat Neunkirchen schließlich, eine neue Zauberkiste zu bauen. „Ich habe natürlich zugesagt, ohne genau zu wissen, wie die Zauberkiste funktioniert hat“, sagt Neunkirchen. Der Trickbauer hatte Dinardis Zaubershow bis dato nie live gesehen, doch glücklicherweise gibt es noch zwei Fernsehmitschnitte von seinen Auftritten aus den 1970er-Jahren, die auf Youtube gelandet sind. „Anfangs sagt man vielleicht noch abwertend: ‚Ach, Blümchen irgendwo herausholen!‘ Doch irgendwann werden es dann so viele, dass man wirklich denkt: Das ist unglaublich. Das kann nur Zauberei sein“, so Neunkirchen.
Zunächst war eigentlich geplant, dass der Trickbauer aus Döttesfeld lediglich eine neue Zauberkiste beisteuert. „Im Gespräch mit dem Roncalli-Geschäftsführer hatte dieser jedoch bemerkt, dass bei mir das Feuer neu entfacht ist. Da fragte er mich dann, ob ich denn nicht selbst auf der Bühne stehen möchte“, berichtet Neunkirchen. Letztlich stand er drei Wochen als Assistent von Zirkusdirektor Oliver Polak, der sonst als Stand-up-Comedian auftritt, in der Berliner Manege. Der TV-bekannte Unterhaltungskünstler musste bei Neunkirchen anfangs noch eine Art Zauber-Crashkurs belegen. „Er musste sich erst in die neue Rolle hineinfinden. Danach habe ich mich dann nach und nach aus der Präsentation der Show zurückgezogen. Der Erfolg beim Publikum war riesig“, berichtet der Magier. Es gebe sogar das Gerücht, dass die Show noch einmal präsentiert werden soll: beim prestigeträchtigen Internationalen Zirkusfestival von Monte Carlo. „Das sind Spekulationen und Wunschdenken im Showbusiness, die sich schnell in Rauch auflösen können. Man wird sehen“, so Neunkirchen nüchtern.

Profitiert hat Neunkirchen von seiner langjährigen Bühnenerfahrung als Teil des Magierduos „Magic Orvellis“ an der Seite von Frank Alfter. Nach 25 Jahren trennten sich die Wege der beiden „Haus- und Hofzauberer von Neuwied“. Zusammen waren sie Teil des Unterhaltungsprogramms auf Kreuzfahrtschiffen und hatten Zaubershows für Freizeitparks wie den „Movie Park Germany“ in Bottrop produziert. Ihre großen Vorbilder waren Siegfried und Roy, die mit weißen Tigern in Las Vegas auftraten und weltberühmt wurden. Zum verstorbenen Siegfried Fischbacher pflegten sie sogar einen persönlichen Kontakt. Nach dem Aus der „Magic Orvellis“ war für Neunkirchen klar, dass er künftig nicht allein als Zauberer auf der Bühne stehen mag, weil er seit jeher die Rolle des Tüftlers innehatte. Damals einen neuen Zauberpartner zu suchen, wäre ein schwieriges Unterfangen gewesen. „Man lebt diesen Beruf. Geschäfts- und Privatleben gehen ineinander über, und man muss zeitlich konsequent zur Verfügung stehen können. Und wer kann das schon, wenn man sich schon anderweitig ein Berufsleben aufgebaut hat?“, so Neunkirchen.

Gastauftritte wie für Roncalli sollen die Ausnahme bleiben, denn für ein Zirkusleben sei er nicht geschaffen. „Wieder auf der Bühne zu stehen, hat natürlich Spaß gemacht. Es ist aber nicht so, dass ich das unbedingt bräuchte. Wenn die Leute etwas gut finden, ist es aber eine tolle Anerkennung“, erklärt Neunkirchen nach den Auftritten in der Hauptstadt. Als Solo-Zauberkünstler „Mex Orvelli“ nimmt Neunkirchen mittlerweile kleine Engagements bei Geburtstags- oder Firmenfeiern wahr, denn reich werde der 64-Jährige durch seine Trickbauwerkstatt in Döttesfeld nicht. Er lebe heute vor allem von den erfolgreichen Jahren seiner Zeit als Magier, sagt er.
