Mit dem Urteil türmen sich für Erpel jetzt große Probleme auf. Eigentlich hatte der Hauptausschuss dem Rat empfohlen, nicht in Berufung zu gehen. Er folgte in seiner Empfehlung damit auch der Einschätzung der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei. Seit Donnerstag liegt jedoch von dieser Seite eine neue Einschätzung vor, die den Rat motivierte, die Frist zur Antragstellung eines möglichen Berufungsverfahrens, der 12. April, zu wahren. „Es geht darum, sich alle Optionen offen zu halten“, erläuterte Ortsbürgermeister Günter Hirzmann. Ob Erpel den Berufungsweg wirklich beschreitet, ist damit aber noch nicht beschlossen. Vorher soll noch geklärt werden, welche Kosten auf die Gemeinde zukommen und wie hoch die Erfolgsaussichten sind. Dazu werden sich Vertreter der Anwaltskanzlei, der Ortsgemeinde und unter Umständen Gerd Thielmann, Rechtsanwalt und Referent beim Gemeinde- und Städtebund, der Bücher zum Thema WKB geschrieben hat, zu einer Videokonferenz treffen, um „Risiken und Nebenwirkungen“ auszuloten. Seitdem 2016 die WKB in Erpel eingeführt wurden, haben sich Paragraphen der Rechtsprechung geändert. Jetzt gelte es in Ruhe alles zu prüfen, so Hirzmann. Egal ob die Erfolgsaussichten hoch sind oder nicht, für die Ortsgemeinde könnten die Folgen des Urteils, auch abseits von Anwaltshonoraren, trotzdem sehr teuer werden. Solange der Antrag auf Zulassung in der Luft schwebt, ist das Koblenzer Urteil nicht rechtskräftig. In Erpel weiß man also nicht abschließend, ob es nur ein Abrechnungsgebiet gibt, zu dem auch der Ortsteil Orsberg gehört, wie es das Koblenzer Urteil festgestellt hat, oder doch zwei.
Ein weiteres Problem: Sollte das Koblenzer Urteil Bestand haben, dürfen die Orsberger trotzdem nicht nachträglich für die Rieslingstraße zur Kasse gebeten werden. Sie können wahrscheinlich auf einen sogenannten Vertrauensschutz bauen. Das heißt, die Gemeinde müsste die anteiligen Kosten von Orsberg selbst tragen. „In Orsberg reden wir aber über 100.000 Quadratmeter Fläche. Dort leben etwa ein Viertel der Einwohner. Die Gemeinde müsste unter Umständen einen fünf- oder gar sechsstelligen Betrag übernehmen“, erläutert Hirzmann. Außerdem gelte das Urteil faktisch derzeit nur für den Kläger. Wie andere Gerichte im Falle von Klagen entscheiden, sei nicht sicher. Erpel hängt beim Thema WKB derzeit sozusagen in der Luft. Weitere Hürde: Die Rieslingstraße wurde 2017 ausgebaut. Innerhalb von vier Jahren müssen jedoch, laut Rechtsprechung, die Bescheide verschickt sein, sonst greift die Festsetzungsverjährung. Darauf weist Rechtsanwalt Adam Udich von der Bürgerinitiative „Erpel – gegen WKB“ hin. Wenn bis Ende 2021 nicht alles geklärt ist und die Bescheide verschickt wurden, könnte das zur Folge haben, dass die Ortsgemeinde die Straße, zumindest den Betrag, der für 2017 fällig geworden wäre, selbst tragen muss. Bei allen Unwägbarkeiten zeigt der Blick auf die Rechtslage in Erpel, die exemplarisch für viele Gemeinden ist, eines ganz deutlich: Rund um die WKB, die ab 2024 in Rheinland-Pfalz verbindlich eingeführt sind, besteht noch eine Menge Klärungsbedarf. Die Gerichte werden sich wohl auf eine Klagewelle einstellen müssen.