Unkel. Die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge (WKB) sorgen in der Stadt Unkel weiterhin für Unmut und für ein juristisches Kräftemessen. Die WKB-Satzung wurde bereits im Jahr 2020 beschlossen. In dieser Satzung hatte die Stadt Unkel drei Abrechnungseinheiten – Stadtbereich Unkel, Scheuren, Heister – festgelegt. Der Stadtrat war damit der Empfehlung einer Fachanwaltskanzlei gefolgt, die in der Bundesstraße 42 eine trennende Wirkung für die drei Bereiche sah.
Die Eigentümer im Abrechnungsgebiet Unkel-Stadt wurden schon in den Jahren 2021 und 2022 für den Ausbau der Siegengebirgsstraße ordentlich zur Kasse gebeten. Mehr als 160 Widersprüche flatterten der Verwaltung auf den Tisch. Außerdem hat eine Bürgerin ein Verwaltungsgerichtsverfahren gegen ihren WKB-Bescheid angestrengt. Im Kern geht es bei der Musterverfahren auch um die Rechtsfrage, ob die Bundesstraße 42 tatsächlich eine trennende Wirkung entfaltet oder eben nicht. Die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Adam Udich, wendet sich gegen eine Aufteilung der Abrechnungsgebiete.
Mündliche Verhandlung fand in Unkel statt
Jetzt kam es zur mündlichen Verhandlung, die das Verwaltungsgericht Koblenz im Unkeler Ratssaal der Verbandsgemeinde anberaumte. Viele interessierte Bürger waren an dem Nachmittag erschienen. Die Kammer, vertreten durch Georg Theobald, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Koblenz, war nach Unkel gekommen, weil sie sich außerdem am Ort nochmal ein Bild von den tatsächlichen Verhältnissen rund um die B42 machen wollte. Dabei ging es um topografische Gegebenheiten, um die Qualität der Querungsmöglichkeiten über die B42, um mögliche verbindende Verkehrsströme zwischen den einzelnen Stadtteilen oder um Abstandsflächen der Bebauungen.
Die Gemengelage ist kompliziert und wird noch unübersichtlicher im Hinblick auf eine verbindliche Rechtsprechung für die Zukunft. Denn der im Juni 2024 neu gewählte Stadtrat, hat auf Antrag der CDU- und der FWG-Fraktionen in der Dezemberratssitzung beschlossen, eine neue Satzung rückwirkend zum Januar 2024 aufzustellen. Ganz Unkel, inklusive der Stadtteile Heister und Scheuren, soll ein Abrechnungsgebiet sein. Die Änderung sieht Bürgermeister Karsten Fehr jedoch kritisch und setzte die Zustimmung zur geänderten Satzung Januar Ratssitzung aus. „Die Zustimmung wird vonseiten der Verbandsgemeindeverwaltung – auch nach Rücksprache mit dem Gemeinde- und Städtebund RLP – nicht empfohlen. Der Stadtrat würde sich durch einen solchen Beschluss in Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten setzen“, begründete er seinen Schritt. Jetzt liegt die neue Satzung bei der Kommunalaufsicht (KA), die letztlich bewerten muss, ob ein oder drei Abrechnungsgebiete zulässig sind. Es ist davon auszugehen, dass die Behörde sich an dem aktuellen Urteil zur 2020er-Satzung der Kammer orientieren wird, das in einigen Wochen erwartet wird.
„Es ist eine sehr knifflige Situation.“
Georg Theobald, V orsitzender Richter am Verwaltungsgericht Koblenz
„Es ist eine sehr knifflige Situation“, sagte Richter Theobald, der sich zu Beginn der Verhandlung sehr viele Mühe machte, den Zuhörern die komplizierte Sachlage im Detail zu erläutern. „In diesem Verfahren ist grundsätzlich nur zu bewerten, ob der Stadtrat 2020 mit der Einteilung in drei Abrechnungsgebiete ,greifbare Fehleinschätzungen’ getroffen hat oder nicht“, erläuterte der Richter. Wenn nicht habe die alte Satzung Bestand. Nach der Ortsbesichtigung signalisierte der Richter, dass solche Fehleinschätzungen wohl nicht vorlägen. Die Satzung aus 2020 sei wohl nicht zu beanstanden.
Die Klägerin signalisierte daraufhin, dass sie ihre Klage zurückziehen will. Diese Idee lehnte Fehr jedoch ab, mit der Begründung, dass er im Hinblick auf die Rechtsklarheit ein Urteil anstrebe.
Stadtrat hat eine Selbstverwaltungskompetenz
Trotzdem wird das Urteil, auch wenn die KA der Auffassung des Gerichts folgt und drei Abrechnungsgebiete als rechtmäßig ansieht, nur bedingt Klarheit bringen, befürchtete der Richter. Denn der Stadtrat habe grundsätzlich eine Selbstverwaltungskompetenz. Das heißt, mit einer schlüssigen, nachvollziehbaren Begründung könnte laut Theobald auch die neue Satzung mit nur einem Abrechnungsgebiet durchaus Bestand haben. Nach der Ortsbegehung und den Ausführungen des Richters, deutete sich an, dass theoretisch auch nur zwei Abrechnungsgebiete denkbar sein könnten, weil Scheuren besser an Unkel angebunden ist als Heister.
Denkbar ist auch, dass der Rat beschließt, die neue Satzung rückwirkend für 2023 zu beschließen. Sie wird auf jeden Fall auch wieder dem Gericht vorgelegt.
Es gibt „Risiken und Nebenwirkungen“ bei einer Satzungsänderung
Fehr verwies schon in den vergangenen Stadtratssitzungen in diesem Kontext auf „Risiken und Nebenwirkungen“ einer Satzungsänderung. „Es ist davon auszugehen und wurde auch schon angekündigt, dass die Eigentümer aus Heister und Scheuren Widersprüche einlegen und den Klageweg einschlagen werden, um die geänderte Satzung wiederum rechtlich überprüfen zu lassen. Das würde sicherlich zwei bis drei Jahre dauern. Die Bürger haben aber jetzt Anspruch auf Klarheit und Rechtssicherheit“, so Fehr. Außerdem hätten die Bürger Anrecht auf Planungssicherheit. Sollte die Satzung geändert werden, würden die Eigentümer in Heister und Scheuren unerwartet rückwirkend zur Kasse gebeten. Sie müssen für alle schon durchgeführten, abrechenbaren Baumaßnahmen seit Inkraftreten der neuen WKB-Satzung blechen.
Oliver Frost, in der Unkeler Verwaltung zuständig für WKB, rechnete auf Nachfrage unserer Zeitung vor, womit Bürger in Heister oder Scheuren rechnen müssen, wenn die WKB nur noch auf ein Abrechnungsgebiet umgelegt würden. „2023 zum Beispiel wurden 450.000 Euro noch nicht abgerechnet. 70 Prozent entfallen auf die Bürger. Bei einem Beitragssatz von 58 Cent pro Quadratmeter würden für ein beitragspflichtiges 1000 Quadratmeter großen Grundstück etwa 580 Euro bezahlt werden müssen“, rechnete er hoch. Rheinland-Pfalz ist im Übrigen das einzige Bundesland, das die Bürger für Straßenausbaubeiträge noch zwingend zur Kasse bittet.