Nutztierrisse häufen sich
Wird „Problemwolf“ GW1896m zum Abschuss freigegeben?
Dem Wolf geht es in der Region vermutlich an den Kragen. Wie der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel mitteilt, prüft das Land derzeit einen Abschuss des "Problemwolfs" GW1896m des Leuscheider Rudels, der seit Jahren vor allem in den Verbandsgemeinden Asbach und Altenkirchen-Flammersfeld sowie im Rhein-Sieg-Kreis Spuren hinterlässt.
dpa

Dezidierte Wolfsgegner fordern es schon seit Jahren, nun könnte es Realität werden. Laut Informationen unserer Zeitung prüft man einen Abschuss des „Problemwolfs“ GW1896m, der seit Jahren für Dutzende Nutztierrisse in der Region verantwortlich ist.

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Er ist kein Unbekannter. Viele Menschen in der Region kennen seinen Namen, obwohl sie ihm noch nie begegnet sind. Die Rede ist vom Rüden des Leuscheider Wolfsrudels, GW1896. Das Raubtier, das in den vergangenen Jahren für Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte Nutztierrisse in der Region verantwortlich ist. Nun könnte es dem Rüden an den Kragen gehen: Wie unsere Zeitung erfahren hat, prüft man im Land wohl derzeit, GW1896 zum Abschuss freizugeben – es wäre der erste Wolfsabschuss in Rheinland-Pfalz.

SWR und Rüddel melden Überwindung eines wolfsabweisenden Schutzzauns als Grund

Am Montagnachmittag informierte der Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel in einer Pressemitteilung darüber, dass das Mainzer Umweltministerium derzeit wohl den Abschuss des „Problemwolfs“ vorbereite. Hintergrund sei, dass ein Wolf am Anfang des Monats in Asbach-Sessenhausen einen deklarierten „wolfsabweisenden Schutzzaun“ überwunden und ein Schaf getötet haben soll, so Rüddel. Einen ähnlichen Vorfall habe es im gleichen Zeitspektrum auch im angrenzenden Nordrhein-Westfalen gegeben. Ähnliches berichtete der SWR.

Als für beide Fälle verantwortlich richtet sich der Blick auf den Wolfsrüden GW1896 des Leuscheider Rudels, das an der Landesgrenze zwischen Rheinland-Pfalz und NRW seine Heimat gefunden hat. Wenn sich herausstellen sollte, dass es eben dieser Wolfsrüde war, der die wolfsabweisenden Schutzzäune überwunden hat, wäre sein Abschuss gesetzlich möglich, betont Rüddel. Grundlage dafür ist der Paragraf 45 des Bundesnaturschutzgesetzes, der vorsieht, dass ein Wolf geschossen werden darf, wenn er für ernste wirtschaftliche Schäden verantwortlich ist, und mehrfach in einem engen zeitlichen und räumlichen Abstand als „wolfsabweisend“ definierte Schutzzäune überwunden hat.

„Sollte sich der Fall in NRW als eindeutig hinsichtlich einer Überwindung des Grundschutzes darstellen durch GW1896m, wäre aus Sicht des MKUEM ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen zwei Fällen gegeben. Das würde vonseiten des Landes RLP zur Einleitung eines Abschusses führen.“
Das teilt das Umweltministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Das zuständige Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (MKUEM) in Mainz bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass es Anfang November zu einem Nutztierriss in Asbach-Sessenhausen gekommen ist, bei dem ein Wolf einen Weidenetzzaun, der die „Voraussetzungen des gültigen wolfsabweisenden Grundschutzes“ übertrifft, überwunden hat. Zum Fall aus NRW teilt das Ministerium lediglich mit, dass darüber keine Informationen vorliegen, da es sich um einen Vorgang der dortigen Behörden handele. Kommunikation zum grenzübergreifenden Rudel findet anscheinend selten statt. „Sollte sich der Fall in NRW als eindeutig hinsichtlich einer Überwindung des Grundschutzes darstellen durch GW1896, wäre aus Sicht des MKUEM ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen zwei Fällen gegeben. Das würde vonseiten des Landes RLP zur Einleitung eines Abschusses führen“, teilt das Ministerium mit.

Kurzer Rückblick: Bereits Ende September 2023 hatte das Ministerium nach einem damaligen Vorfall in Mehren die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord als zuständige Obere Naturschutzbehörde angewiesen, mit der Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer möglichen Entnahme des Wolfs GW1896 nach Paragraf 45 Bundesnaturschutzgesetz zu beginnen. Das Ministerium bestätigt, dass die SGD Nord sich im Herbst 2023 „intensiv mit den rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen Entnahme von GW1896 auseinandersetzt“ habe. Dadurch verspricht man sich, dass in der aktuellen Situation eine „sehr zeitnahe Entscheidungsfindung“ möglich ist.

Ein Ende der Wolfsromantik: Rüddel und Bürgermeister begrüßen Möglichkeit des Abschusses

Erwin Rüddel wiederum spart nach den aktuellen Fällen nicht mit Kritik an der Landesregierung, die sich „über Jahre aus Ideologie der Verantwortung verweigert“ hätte. Er hingegen habe frühzeitig vor den Gefahren durch eine unkontrollierte, jährlich um 30 Prozent steigende Wolfspopulation gewarnt. Das Land habe nicht nur die Nutztierhalter, sondern auch die Bevölkerung mit ihren Sorgen allein gelassen. „Insofern hätte, um Ängste und Schäden zu vermeiden, die Landesregierung viel früher reagieren müssen, statt durch Nichtstun die Ängste und Schäden noch zu schüren. Denn hier ist, wie sich nun und vermehrt zeigt, eine glorifizierte Wolfsromantik schon lange nicht mehr angebracht. Vielmehr geht es darum, der Wolfsrealität in die Augen zu schauen und ihr durch von mir immer wieder geforderte regulierte Wolfsabschüsse zu begegnen“, bekräftigt Erwin Rüddel.

Michael Christ, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Asbach, in der GW1896 in den vergangenen Jahren Dutzende Weidetiere riss, sagt auf Anfrage unserer Zeitung zum möglichen Abschuss: „Das ist für mich die einzig richtige und nachvollziehbare Entscheidung. Sie ist auch überfällig.“ Die Population habe sich stark erhöht, was die Tierhalter in der VG Asbach am Leibe zu spüren bekommen. Für die Betroffenen, die schon zu lange von der Politik enttäuscht wurden, sei dies ein positives Signal aus Mainz. Die Umsetzung einer „Entnahme“ gestalte sich laut Christ allerdings als schwierig, da man erst einmal das richtige Tier ausfindig machen müsse: „Der trägt ja kein Schild um den Hals.“

„Das ist für mich die einzig richtige und nachvollziehbare Entscheidung. Sie ist auch überfällig.“
Asbachs Bürgermeister Michael Christ zu einer möglichen Abschussgenehmigung für den „Problemwolf“

Auch aufseiten der Landwirte nimmt man die Nachricht grundsätzlich positiv auf. Hans-Peter Hallerbach, stellvertretender Vorsitzender des Neuwieder Kreisbauernverbands und selbst Asbacher Landwirt, meint im Gespräch mit unserer Zeitung, dass die Einleitung einer Bejagung überfällig gewesen sei. Der Wolf stelle die Landwirte seit Jahren vor große Herausforderungen. Von daher sei es positiv zu werten, dass das Ministerium sich nun bewegt. Er befürchtet jedoch, dass die Entnahme des „Problemwolfs“ nicht das Allheilmittel sein könnte. Die Lücke des Nahrungsbeschaffers würde dann durch den Nachwuchs gestopft – und bei diesem müsse man abwarten, wo er sein bevorzugtes Jagdrevier markiere.

Experte: Klageverfahren könnte Abschussgenehmigung kippen

Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich auf Nachfrage im benachbarten NRW: Als Luchs- und Wolfsberater ist Dietmar Birkhahn in Teilen des Rhein-Sieg-Kreises für die Begutachtung von Nutztierrissen zuständig. Zu dem aktuellen Fall, der für eine Abschussentscheidung den Ausschlag geben könnte, dürfe er sich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht äußern, so Birkhahn. „So viel kann ich aus meiner Sicht aber sagen: Eine Abschussgenehmigung dürfte einem Klageverfahren nicht standhalten“, betont der Experte, der auch als Ansprechpartner zum Thema Wolf für den Naturschutzbund Nabu tätig ist.

Aus seiner Sicht sei fraglich, ob in den Fällen, in denen Wolfsrüde GW1896 einen wolfsabweisenden Grundschutz überwunden hat, dieser auch funktioniert hat. In den von ihm begutachteten Fällen habe er stets festgestellt: „Da war zwar ein Grundschutz vorhanden, aber nicht richtig aufgebaut und damit nicht funktionsfähig.“

Risse durch GW1896m im Jahr 2024

In diesem Jahr ist es nach den offiziellen Tabellen der zuständigen Landesämter in NRW und Rheinland-Pfalz zu mehr als 15 bestätigten Rissen an Schafen, Ziegen oder Damwild durch den Rüden des Leuscheider Rudels, GW1896, gekommen. Erstmals tauchte am 30. August in Eitorf auch ein Kalb unter den gerissenen Nutztieren auf. Örtliche Landwirte warnen seit Jahren eindringlich, dass auch Rinderhalter durch den Wolf betroffen seien und von einer panischen Rinderherde eine große Gefahr für Menschen ausgehe.

Zu dem in der Nachweistabelle für NRW aufgelisteten Nutztierriss mit einem toten Kalb vom 30. August in Eitorf sagt der Luchs- und Wolfsberater Dietmar Birkhahn allerdings: „Da handelte es sich nicht um einen echten Riss, sondern um eine Totgeburt oder ein nicht überlebensfähiges Kalb“. An diesem Tier seien Fraßspuren des Wolfsrüden festgestellt worden. Lediglich rein technisch würde der Vorfall als Nutztierriss gewertet.

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