Aktuelle Lage beim Weinverkauf
Winzer unter Druck: Im Kreis Neuwied läuft es anders
Die Weinberge in Unkel, an den Hängen des Stux, sind von der Sonne verwöhnt (Archivfoto)
Sabine Nitsch

Während Winzer in vielen Regionen von Rheinland-Pfalz über Umsatzeinbußen klagen, sind die Winzer zwischen Neuwied und der Landesgrenze mit der Umsatzentwicklung durchaus zufrieden. Sie haben ihre Verkäufe konstant halten oder sogar steigern können.

Region. 2024 hat der Weinhandel in Rheinland-Pfalz 1,7 Prozent weniger Flaschenwein verkauft als im Jahr zuvor. Das teilt die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in ihrem aktuellen Jahresbericht mit. Weingüter, Winzergenossenschaften und Erzeugergenossenschaften verzeichnen sogar ein Minus von 5,3 Prozent. Das Deutsche Weininstitut (DWI) mit Sitz in Bodenheim (Rheinhessen) vermutet, dass die Weintrinker mehr aufs Geld schauen und eher Wein aus Italien, Spanien oder Ungarn kaufen, der im Schnitt rund 75 Cent günstiger ist. Dazu kommt, dass die jüngere Generation weniger Bezug zum Wein hat und vermehrt alkoholfreie Weine kauft. Wie sieht es im Kreis Neuwied aus?

Winzer in der Region sind von dem Negativtrend kaum betroffen

Winzer am Unteren Mittelrhein, im Kreis Neuwied, scheinen diesem Trend zu trotzen. „Wir haben unseren Umsatz in 2024 sogar auf 105 Prozent gesteigert“, berichtet der Hammersteiner Winzer Georg Scheidgen auf Nachfrage unserer Zeitung. Und auch der Leutesdorfer Winzer Gotthard Emmerich gibt an, von diesem Negativtrend kaum oder gar nicht betroffen zu sein. „Wir haben unsere Stammkunden“, sagt er.

„Derartige Krisen gab schon immer.“
Hans J. Freund, Geschäftsführer der Bad Hönninger Fruchtsäfte und Weine GmbH

Hans J. Freund, Geschäftsführer der Bad Hönninger Fruchtsäfte und Weine GmbH, hat andere Erfahrungen gemacht. „Wir sind ein Händler und vermarkten Weine von ausgesuchten Winzern aus vier Weinanbaugebieten, vom Mittelrhein, der Pfalz, aus Rheinhessen und der Ahr. Wir können tatsächlich eine generelle Konsumzurückhaltung feststellen, vor allem im Preissegment von 4.99 Euro bis 12.99 Euro“, beschreibt Freund die aktuelle Situation, in der der Preis eine zentrale Rolle spielt, aber auch das Thema Gesundheit.

„Vom 16. bis 18. März findet in Düsseldorf die Pro Wein, die weltweit größte Weinmesse statt. Die Fachpresse zeichnet schon im Vorfeld ein düsteres Bild für die Zukunft des Weines. Weltweit werde zu viel Wein produziert, auch weil immer neue Weinanbaugebiete in vielen Ländern dazu kommen. In Frankreich hingegen werden, wegen des Überangebots, Weinanbauflächen stillgelegt. Allein 9000 Hektar in Bordeaux. Es ist also sehr viel Druck auf dem Kessel. Aber das ist eigentlich ja nicht neu. Derartige Krisen gab schon immer“, sagt er. Die großen Abfüller in Italien oder Frankreich hätten wegen des Mengendrucks große Probleme. Bei den hiesigen Winzern würden die Uhren anders ticken. „Man muss den Weinabsatz regional betrachten“, hat er festgestellt. Man dürfe sich in der Region von solchen Hiobsbotschaften nicht Bange machen lassen.

„Wir haben uns auf den sich verändernden Markt eingestellt.“
Georg Scheidgen, Winzer aus Hammerstein

Wieso haben die Winzer am Unteren Mittelrhein offenbar weniger unter der Absatzflaute zu leiden? „Wir haben uns auf den sich verändernden Markt eingestellt. Wir probieren immer etwas Neues aus, ohne Preissteigerungen einzubauen“, sagt Scheidgen. So bietet er bald eine Jahrgangsmaibowle ohne Zusatz von Wasser oder Zucker an und produziert alkoholfreien Traubensecco. Er setzt außerdem zusätzlich auf leichte Weine mit geringem Alkoholgehalt von um die 7 Prozent. „Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, ich würde Glühwein mit wenig Alkohol entwickeln und verkaufen, den hätte ich für verrückt erklärt.“ Aber man müsse den Markt im Auge behalten. „Wir wollen bald einen alkoholfreien Wein entwickeln. Wir haben auch unser Weingut komplett umgekrempelt und zum Beispiel eine Vinothek eingerichtet“, erläutert er, wie er sich auf den Markt eingestellt hat.

Ein weiteres Plus für ihn: „Früher haben rund 20 Winzer in der Region ihre Weine im Direktvertrieb am Wochenende angeboten. Jetzt sind es nur noch etwa vier. Aber die Anzahl der Kunden ist gleichgeblieben“, hat er festgestellt.  

„Die Leute, die zu uns Winzern kommen, sind Genusstrinker.“
Gotthard Emmerich, Winzer aus Leutesdorf   

Überhaupt ist der Alkohol gerade das Thema, das nach der Begeisterung für Bio-Weine, gerade Fahrt aufnimmt. „Wir merken tatsächlich, dass die Leute verhalten sind, weil überall vor den Gefahren des Alkohols gewarnt wird. Ausgerechnet Weintrinker werden beim Thema Alkohol an den Pranger gestellt. Die WHO warnt vor jeglichem Alkoholgenuss und führt entsprechende Studien an“, sagt Emmerich. Auch Eckhard von Hirschhausen habe sich vor den Karren spannen lassen.

Zum Wohl! Anstoßen mit alkoholfreiem Wein ist ein Trend, der immer mehr an Fahrt aufnimmt.
Klaus Eppele/Adobe Stock

„Dabei gibt es weltweit erhebliche mehr Studien, die in einem moderaten, bewussten Weingenuss, nicht nur keine Gefahr sehen, sondern ihn durchaus als positiv ansehen. Die Leute sind verunsichert. Wir wehren uns deshalb vehement dagegen, so an den Pranger gestellt zu werden. Die Leute, die zu uns Winzern kommen, sind Genusstrinker. Und auch die werden komplett verunsichert. Ich denke, es gilt wie bei allem: Die Dosis macht das Gift“, so Emmerich, der bei seinen Weinproben darauf achtet, dass die Gäste den Wein probieren und das „Zuviel“ auskippen können und vor allem auch Wasser trinken. Darüber hinaus sieht er, dass der Preis der Weine eine Rolle spielt. „Der Einzelhandel merkt das jedoch mehr, als wir. Wir haben unsere Stammkunden. Wir merken den Absatzrückgang nicht so“, sagt Emmerich.

Wein mit geringerem Alkoholgehalt liegt im Trend  

Das unterstreicht auch der Unkeler Winzer Oliver Krupp. „Es wird immer vieles schwarz geredet. Wir hatten in den vergangenen Jahren Umsatzzuwächse, die jetzt etwas gesunken sind. Wir haben drei Säulen: Privatkunden, Gastronomie und den Einzelhandel. Wenn eine Komponente schwächelt, merken wir das nicht so extrem“, so Krupp. Die Verteufelung von Wein, im Zusammenhang der Warnung vor Alkoholkonsum, sieht er kritisch und plädiert für bewussten, maßvollen Weingenuss. „Wir stellen mittlerweile auch Wein mit geringem Alkoholgehalt her. Das liegt im Trend und man muss sich den Kundenwünschen anpassen“, sagt er.

„Man darf sich nicht immer verrückt machen lassen.“
Georg Scheidgen, Winzer aus Hammerstein

Auch Scheidgen hält nichts von Schwarzmalereien. „Man muss flexibel sein. Unser Ziel ist nicht einfach nur alkoholfreien Wein zu produzieren, sondern alles muss auch nachhaltig sein. Die Leute müssen von dem Produkt überzeugt sein und nicht nur grade einem Trend folgen wollen. Wir haben gerade 6000 neue Rieslingreben gepflanzt. Das hätten wir nicht getan, wenn wir nicht sehr positiv in die Zukunft sehen würden. Man darf sich nicht immer verrückt machen lassen“, mahnt Scheidgen.

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