Gisbert Becker aus Neustadt-Bertenau ist seit zehn Jahren Schiedsmann für Neustadt und Windhagen. Nun hat er sich für weitere fünf Jahre zur Verfügung gestellt. Mittlerweile ist Becker im Ruhestand, war in seinem Berufsleben Büroleiter in der Verbandsgemeindeverwaltung und Ordnungsamtsleiter in Unkel. „Ich hatte daher schon oft mit dem Schiedsamt und nachbarschaftsrechtlichen Dingen zu tun“, meint Becker, dass er beruflich mit Schiedsleuten in Kontakt stand, bevor er selbst einer wurde.
In seinen zehn Jahren hat er dabei schon an die 100 Schiedsverfahren betreut, berichtet der Neustädter. Dabei müsse man jedoch unterscheiden, dass es vor der Pandemie anders war als in den vergangenen drei Jahren. Etwa zehn Verfahren pro Jahr habe es in seinem Bezirk vor Corona gegeben, „derzeit hat sich die Sache bei mir halbiert“. Warum? Wegen der Lockdowns hätten monatelang keine Verfahren stattgefunden, erklärt Gisbert Becker, weshalb er seit 2020 nur etwa fünf Verfahren betreut. Und: „Aber auch danach ist es deutlich ruhiger geworden“, sagt Becker – und das trotz der so oft beschriebenen Ruppigkeit in der Gesellschaft.
Ein Feuerwehrmann freut sich, wenn er nichts zu tun hat. Ein Schiedsmann auch, denn dann ist alles gut.
Michael Neumann
Zu diesen offiziellen Verfahren komme noch das „Haustürgeschäft“ hinzu. Darunter versteht Becker, dass er hin und wieder von Bürgern kontaktiert wird, die Rat in nachbarschaftsrechtlichen Dingen suchen. Das ist aber nicht seine Aufgabe, betont Becker. „Wir sind keine Dienstleister für eine Seite. Wir sind Mittler, die bei den streitenden Parteien mit am Tisch sitzen“, beschreibt er seine Rolle als Schiedsmann.
Und die Streitigkeiten der Parteien können ganz unterschiedlich sein, sagt der Neustädter. Überwiegend seien es nachbarschaftsrechtliche Streitigkeiten, es geht um Lärm, Tiere, überhängende Äste, herumliegendes Laub. Aber auch ein Streit über einen Kaufvertrag für eine Yacht war dabei, berichtet Becker aus der Praxis. „Das Spektrum ist schon sehr umfangreich“, bemerkt er.
Der Neue im Amt freut sich auf seine Aufgabe
Wer sich auf die Aufgabe, in solchen Fällen zu vermitteln, schon freut, ist Michael Neumann. Der Wahl-Asbacher ist seit Kurzem der neue Schiedsmann für den Bereich Asbach und Buchholz, nachdem sein Vorgänger Hans-Theo Klein aus gesundheitlichen Gründen aus dem Amt geschieden ist. Neumann stammt gebürtig aus Lüdenscheid im Sauerland, war aber als Berufssoldat bereits in der ganzen Republik und der Welt zuhause. Seit 2004 lebt er in Asbach und arbeitete bis zu seinem Ruhestand im Verteidigungsministerium in Bonn.
Wir sind keine Dienstleister für eine Seite. Wir sind Mittler, die bei den streitenden Parteien mit am Tisch sitzen.
Gisbert Becker
Beruflich hatte Michael Neumann bereits viel mit Verfahren am Gericht zu tun: Er saß als ehrenamtlicher Richter am Truppendienstgericht, arbeitete in den Bereichen Personalführung sowie Wehrrecht. Einen entscheidenden Unterschied zu seiner jetzigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Schiedsmann stellt er jedoch klar: „Die Schiedsperson spricht nicht Recht, das ist nicht die Aufgabe. Er ist der Vermittler. Er entscheidet nichts.“
Dass er nun in dieser Position ist, hat mit seinem Engagement bei Streitigkeiten zwischen Bürgern und Verwaltung in jüngster Vergangenheit zu tun. Dort versuchte Neumann, in den sozialen Medien zu vermitteln. „Dadurch wurde dann Bürgermeister Christ auf mich aufmerksam“, sagt der Asbacher. Und Michael Christ bot ihm den Schiedsposten für Asbach und Buchholz an, da diese Position vakant werden würde. Michael Neumann beriet sich erst einmal mit sich selbst sowie seiner Frau und sagte dann zu, „weil das genau das Richtige für mich ist“.
Schiedsperson muss Geduld mitbringen
Was man für das Amt als Schiedsperson mitbringen muss? Geduld, meint Neumann. Ebenso müsse man Vertrauen vermitteln, gut zuhören und Menschen mit Geschick dazu bringen können, miteinander zu sprechen. „Dann entsteht am Ende eine ,Win-win-plus-Situation‘, in der keine Partei sich gedemütigt fühlt und jeder ein gutes Gefühl hat – der Schiedsmann auch, daher ,Win-win-plus‘“, formuliert Neumann seine persönliche Zielsetzung, wie ein Schiedsverfahren enden sollte. „Mit Aversion in das Schiedsverfahren hineingehen, mit einer Lösung rauskommen“, meint Neumann, der derzeit auf sein erstes offizielles Verfahren als Schiedsmann wartet.
Sein Amtskollege Gisbert Becker kann dem einhundertprozentig zustimmen. „Es sollte das Ziel sein, ein normales Verhältnis zum Nachbarn zu etablieren. Den sieht man ja im Zweifel jeden Tag“, sagt der Neustädter. Und das kann auch ganz ohne ein Schiedsverfahren gehen. Beckers Plädoyer lautet: Mit dem Nachbarn reden, statt direkt zur Klage zu schreiten, wenn die Hecke zehn Zentimeter über den Zaun ragt. So lasse sich vieles klären, bevor es zum offiziellen Verfahren kommt.
Beide meinen, dass das Schiedsverfahren in der breiten Bevölkerung nicht bekannt ist, wie sie im Gespräch zugeben. Besonders in jungen Jahren hätten sie sich auch nie mit so etwas auseinandergesetzt. „Für mich war das nie ein Thema. Als junger Mensch kann man sich unter einem Schiedsverfahren doch gar nichts vorstellen“, meint Becker, der immer an friedlichen Lösungen arbeitet – aber auch daran, den Menschen zu vermitteln, was die Schiedsperson tut.
„Ein Feuerwehrmann freut sich, wenn er nichts zu tun hat. Ein Schiedsmann auch, denn dann ist alles gut“, fasst es Michael Neumann zusammen.
Das Schiedsverfahren in Rheinland-Pfalz
Das Schiedsamt ist laut Broschüre des rheinland-pfälzischen Justizministeriums eine Stelle, bei der eine außergerichtliche Streitschlichtung durch einen neutralen Dritten stattfindet. Die Schiedsamtsbezirke sind dabei bei den Verbandsgemeinden, verbandsfreien Städten, großen kreisangehörigen Städten und kreisfreien Städten eingerichtet. Schiedspersonen sind Ehrenbeamte des Landes. Sie werden von gewählten Räten vorgeschlagen und vom Direktor des zuständigen Amtsgerichts ernannt. Ihr Ziel ist es laut Ministerium, im Interesse des sozialen Friedens einen langen, kostspieligen und nervenaufreibenden Gerichtsprozess zu vermeiden. Schiedspersonen können sowohl in zivilrechtlichen Angelegenheiten als auch bei Straftaten hinzugezogen werden. Bei Letzterem kann die Staatsanwaltschaft Anklage erheben, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt. Wenn dies nicht der Fall ist, besteht die Möglichkeit der Privatklage – mit obligatorischem vorgelagerten Schiedsverfahren. red