Bilder von plastinierten Menschen hat vermutlich jeder schon einmal gesehen: Körper in unterschiedlichen Posen, bei denen die anatomischen Strukturen – etwa Muskeln, Sehnen und Nerven – freigelegt sind. Bereits seit 1995 gibt es die „Körperwelten“-Ausstellungen von Gunther von Hagens, in denen solche menschlichen Präparate gezeigt werden, vom einzelnen Organ bis hin zum Ganzkörperplastinat. Bis heute waren die Ausstellungen in mehr als 40 Ländern zu Gast, rund 55 Millionen Besucher haben sie gesehen. Organisiert werden die Ausstellungen vom Institut für Plastination in Heidelberg. Von dort stammen auch die meisten Exponate.
„Ich war in so einer Körperwelten-Ausstellung“, erzählt Renate Hey. „Das ist Jahre her, da war das noch ganz neu.“ Was sie gesehen hat, beeindruckte die Neuwiederin nachhaltig. „Schon damals habe ich gesagt, dass ich das auch gern machen würde.“
Jeder kann sich plastinieren lassen
Die Möglichkeit, seinen Körper plastinieren zu lassen, steht grundsätzlich jedem offen. Wer volljährig ist, kann sich beim Institut für Plastination als Körperspender registrieren lassen. „Und man muss eine schriftliche Einverständniserklärung unterschreiben“, erklärt Hey. Damit schließen die Körperspender zugleich aus, dass ihre sterblichen Überreste bestattet werden. Minderjährige brauchen zudem die schriftliche Zustimmung eines Erziehungsberechtigten.
Heys Umfeld reagiert – vorsichtig formuliert – zunächst einmal zurückhaltend auf ihren Plan, sich nach ihrem Ableben plastinieren zu lassen. „Mir wurde erst immer wieder abgeraten“, erzählt sie. Doch die Idee lässt sie über Jahre nicht los. Irgendwann nimmt sie Kontakt zum Institut für Plastination auf, das ihr Informationsmaterial zum Thema Körperspende zuschickt. Damit kann sie die herrschende Skepsis in ihrem Umfeld ausräumen.
Jeder Spender braucht eine Vertrauensperson
„Auch meine Tochter war dann einverstanden“, erzählt Hey. Ihre Tochter ist jetzt ihre Vertrauensperson, jeder Körperspender muss so jemanden benennen. Aufgabe der Vertrauenspersonen ist es, nach dem Tod des Körperspenders die weiteren Schritte einzuleiten. Dazu gehört unter anderem, das Institut für Plastination zu informieren, das sich dann um die Überführung des Körpers kümmert.
Was dann aus ihren sterblichen Überresten wird, das kann Renate Hey nur vermuten. „Ich werde wohl nicht irgendwo als Ganzes ausgestellt“, glaubt die 79-Jährige. Das Institut für Plastination erklärt auf seiner Internetseite, dass es zwar stets bemüht sei, individuell geäußerte Wünsche wie etwa eine bestimmte Pose zu berücksichtigen. Zusagen könne das Institut jedoch nicht machen. Aber: Körperspender können die öffentliche Verwendung ihres Körpers ausschließen. Niemand muss also Teil einer Körperwelten-Ausstellung werden, wenn er sich plastinieren lässt.
Klar ist auch: Sobald ein Körper anatomisch präpariert wurde, sieht er so anders aus als zu Lebzeiten des Verstorbenen, dass selbst nahestehende Angehörige den Menschen nicht mehr erkennen können. Das erläutert das Institut für Plastination auf seiner Internetseite. Auch in den Körperwelten-Ausstellungen bleiben Identität, Alter und Todesursache der jeweiligen Person ungenannt.
Dann hat mein Tod einen Sinn.
Körperspenderin Renate Hey
Renate Hey geht davon aus, dass ihr plastinierter Körper – oder Teile davon – in der Ausbildung angehender Mediziner zum Einsatz kommt. Der ehemaligen Krankenschwester wäre das sehr recht. „Dann hat mein Tod einen Sinn“, nennt sie ihre wichtigste Motivation für die Körperspende. „Von nichts kommt nichts. Es ist wichtig, dass die Studenten an einem echten Körper lernen können, wo zum Beispiel die Organe liegen, die sie später behandeln sollen.“
Apropos Organe: Wer sich als Körperspender registriert, scheidet damit nicht automatisch als Organspender aus. Auch das erklärt das Institut für Plastination auf seiner Internetseite. Sollte eine Organspende möglich sein, habe diese „natürlich Vorrang“, heißt es dort.
Viele Gründe für die Körperspende
Mit seiner Körperspende einen guten Zweck erfüllen zu wollen, wie Renate Hey es erklärt, ist indes nur eines von mehreren Motiven, die Menschen zu dieser Entscheidung bewegen. Einige Gründe fragt das Institut für Plastination in der Verfügung zur Körperspende ab, die die Spender ausfüllen müssen. Zu diesen Motiven gehört etwa, dass die Körperspender durch die Plastination dauerhaft für die Nachwelt erhalten werden, dass sie ihre Angehörigen nicht mit der Grabpflege belasten oder dass die Bestattungskosten entfallen.
Aber wäre es nicht schön, wenn es einen Ort gäbe, an dem die Hinterbliebenen trauern können? Renate Hey sieht das nüchtern: „Tot ist tot“, sagt sie. „Und solange man den Verstorbenen in Gedanken bei sich hat, braucht man auch kein Grab, an dem man trauern kann.“
Plastination – wie geht das?
Mehr als 21 000 Menschen haben sich inzwischen als Körperspender registrieren lassen. Das teilt das Institut für Plastination auf seiner Internetseite mit. Davon habe das Institut bislang 2970 Verstorbene bekommen, deren Körper plastiniert wurden (Stand Januar 2024).
Auf seiner Internetseite erklärt das Institut auch, wie eine Plastination abläuft. „Vereinfacht ausgedrückt, ist die Plastination ein Vakuumverfahren, bei dem die Körperflüssigkeiten gegen Kunststoffe ersetzt werden“, heißt es dort. Dieser Austauschprozess lasse sich jedoch nicht direkt vornehmen, weil sich die Körperflüssigkeiten nicht mit Kunststoffen vermischen. Aus diesem Grund habe Gunther von Hagens einen Umweg erfunden. Dabei werden das Körperwasser, aus dem der Mensch zu rund 70 Prozent besteht, und die Gewebefette zunächst durch Aceton, ein leicht verdunstendes Lösungsmittel, ersetzt. In einem zweiten Schritt wird dann im Vakuum das Aceton gegen eine Kunststofflösung ausgetauscht.
Die einzelnen Arbeitsschritte bei der Plastination seien sehr arbeits- und zeitintensiv, erklärt das Institut weiter. Daher dauere es im Durchschnitt zwei bis drei Jahre, bis aus einer eingegangenen Körperspende ein Plastinat geworden ist. hrö
Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Instituts für Plastination unter www.koerperspende.de
Körperwelten in Köln
Noch bis zum 27. Oktober ist in Köln die Körperwelten-Ausstellung „Der Zyklus des Lebens – Eine Reise unter die Haut“ zu sehen. Im Fokus der Ausstellung steht der menschliche Körper im Kreislauf von Entstehen und Vergehen. Der kontinuierliche Veränderungsprozess des Körpers wird anhand einer Vielzahl von Ganzkörper-Plastinaten dargestellt.
Die einzelnen Stationen – von der Zeugung bis ins hohe Alter – laden dazu ein, sich mit seinem eigenen Körper und Lebensstil zu beschäftigen, heißt es im Pressetext zur Ausstellung. Vorrangiges Ziel der Körperwelten-Macher ist die gesundheitliche Aufklärung und Prävention. Zahlreiche anatomische Präparate erläutern leicht verständlich einzelne Organfunktionen sowie häufige Erkrankungen. Und es wird erklärt, was jeder einzelne tun kann, um seine Gesundheit und eine hohe Lebensqualität möglichst lange zu bewahren. red
Weitere Informationen unter www.koerperwelten.de