Gereicht hat das ohnehin kaum, sagt die Neuwiederin, und wegen der Inflation und der explodierenden Energiekosten ist in diesem Jahr noch einmal alles teurer geworden. Saracs Konsequenz? „Ich gehe einkaufen, und was zu teuer ist, lasse ich liegen. Was soll ich machen?“ So einfach, so bitter.
Sora Sarac ist eine von vielen in Deutschland, in Rheinland-Pfalz, in Neuwied, die von der aktuellen Preisentwicklung knallhart getroffen werden. Manche Dinge kauft sie längst gar nicht mehr ein, statt frischem gibt es bei ihr zum Beispiel Tiefkühlgemüse, Fleisch kann sie sich nur hin und wieder leisten.
Ich gehe einkaufen, und was zu teuer ist, lasse ich liegen. Was soll ich machen?
Sora Sarac
Wenn man sich mit Sarac unterhält, merkt man, wie zentral es für sie ist, sein muss, was wie viel genau kostet. „Käse hat letzte Woche 2,59 Euro gekostet und diese Woche 3,49 Euro, das ist viel Geld“, sagt sie. Alles sei drastisch teurer geworden: Kartoffeln, Zwiebeln, Nudeln, Milch, Butter, Toilettenpapier, zählt sie auf. Bis auf den Cent kennt sie die Preise.
Wie sie mit dieser Situation umgeht? Sie lacht müde. Das Geld sei schneller weg, logisch, und sie lebe sehr eingeschränkt, ansonsten lohne es sich nicht, sich verrückt zu machen. Wenn eine außerplanmäßige Ausgabe ansteht, wenn etwa die Waschmaschine kaputtgeht? „Was soll ich mir jetzt darüber einen Kopf machen, ich weiß es ja nicht“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Mit so einem Problem setzt sie sich auseinander, wenn es da ist, „jetzt nicht“. Was bleibt ihr auch sonst übrig?
Gestiegene Lebensmittelpreise sind ein Problem
Klar ist für die Neuwiederin: Es sind nicht in erster Linie die Gas- und Strompreise, die ihr das Leben schwer machen, sondern die ebenfalls stark gestiegenen Lebensmittelpreise. Immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie genug Essen auf den Tisch kriegen sollen, das merkt Sora Sarac auch bei der Neuwieder Tafel, für die sie als stellvertretende Koordinatorin ehrenamtlich arbeitet.
Wie sich Nahrungsmittel verteuert haben
Die Preise für Nahrungsmittel haben sich im September um 18,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat erhöht – und damit stärker als die Gesamtteuerung, so das Statistische Bundesamt. Erneut wurden im September 2022 bei allen Nahrungsmittelgruppen Preiserhöhungen beobachtet: Erheblich teurer wurden Speisefette und Speiseöle (plus 49 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (plus 29,1 Prozent). Auch für Fleisch und Fleischwaren (plus 19,5 Prozent) sowie für Brot und Getreideerzeugnisse (plus 18,5 Prozent) erhöhten sich die Preise spürbar.
Die Zahl der Nutzer ist hier in den vergangenen Monaten stark gestiegen, „sonst hatten wir 800 bis 1000 Haushalte, jetzt 1200“, sagt Elisabeth Adrian von der Caritas Neuwied, die bei dem Wohlfahrtsverband für die Tafel verantwortlich ist. Mittlerweile holen dort Menschen Lebensmittel, die vorher nicht kamen: Hartz-IV-Bezieher, ja, aber eben auch immer mehr Personen, die eine Rente beziehen oder arbeiten, von ihren Einkünften aber einfach nicht mehr leben können.
„40 Prozent derjenigen, die zu uns kommen, sind ältere Menschen mit kleinen Renten“, sagt Adrian, aber auch viele Familien mit Kindern sind darunter. Alle zweieinhalb bis drei Wochen können sie zurzeit meist zur Tafel kommen, dieser Rhythmus hat sich bereits wegen des gestiegenen Zulaufs ausgeweitet. Die Vorräte müssen bei den Empfängern länger halten als früher. „Wenn sich jemand meldet und sagt, ich schaffe das nicht, machen wir möglich, was geht“, erklärt die Sozialpädagogin – aber leichter ist das nicht geworden, im Gegenteil.
Die Sorgen sind existenziell
Eine beunruhigende Entwicklung, finden Elisabeth Adrian und Sora Sarac. „Viele haben Angst, dass das Geld jetzt noch früher im Monat zu Ende ist. Bis jetzt hat es vielleicht bis zum 20. gereicht, und danach hat man es irgendwie überbrückt. Aber wenn es jetzt schon am 15. zu Ende ist oder am 10. …“, sagt Sarac. „Wenn jemand vorher sehr gut gerechnet hat, damit er hinkommt, steht er jetzt vor der Situation, dass diese Rechnung nicht mehr aufgeht“, ergänzt Adrian.
Die Sorgen sind existenziell – und wenn dann noch eine Nachzahlung vom Energieversorger kommt, muss die zusätzlich in Raten über das Jahr hinweg abgestottert werden, sagt sie. Adrians Fazit: „Man wartet darauf, dass der Monat zu Ende geht und man es irgendwie schafft.“ Ihr Kollege Markus Oehlschläger, der die Tafel koordiniert, formuliert es noch drastischer: „Für viele ist das ein Überlebenskampf.“