Kreis Neuwied
Weniger Kunden, mehr Bürokratie: Strengere Regeln treffen viele Betriebe an Rhein und Wied
Der Eingangsbereich des Baumarktes „Stabilo“ in Heimbach sieht zwar nicht abschreckend aus – aktuell darf die Pforte aber nur nach vorheriger Anmeldung durchschritten werden. Für den Einkauf darf man sich dann maximal 20 Minuten Zeit nehmen.
Rainer Claaßen

Kreis Neuwied. Von den seit Ostern im Kreis Neuwied geltenden strengeren Regeln sind vor allem Teile des Einzelhandels und Friseure betroffen. Wir haben uns umgehört. Tenor: weniger Kunden, mehr Bürokratie.

Lesezeit 4 Minuten

Die Landkarte, auf der die Inzidenzwerte für die Landkreise in Rheinland-Pfalz abzulesen sind, zeigt Neuwied und Umgebung in tiefem Rot: Nur noch im Süden des Landes liegen die Werte auf einem ähnlichen Level. Dementsprechend wurden die Maßnahmen zur Eindämmung an Ostern erneut verschärft: Unter anderem müssen die Besucher von Friseursalons einen aktuellen negativen Test vorlegen – oder gleich an Ort und Stelle selbst einen machen. Und auch in Bau- und Gartenmärkten gelten strenge Regeln: Hier dürfen Kunden nur noch nach vorheriger Terminvereinbarung und unter Angabe der Kontaktdaten bedient werden – und es dürfen sich jeweils nur Kunden aus einem Haushalt im Geschäft aufhalten. Wir haben nachgefragt, wie die Unternehmer mit dieser Regelung umgehen.

Mario Zeit leitet den Stabilo-Baumarkt zwischen Neuwied und Engers. Er hat grundsätzlich Verständnis für die Maßnahmen – hält sie in seinem Fall aber nur für schwer umsetzbar. Er erklärt: „Gleichzeitig dürfen nur jeweils Kunden aus einem Haushalt im Laden sein. Da wir eine recht große Auswahl haben, und in vielen Fällen auch Beratung notwendig ist, dauern die Besuche meist etwa eine halbe Stunde. Davor und danach muss gelüftet werden. Da lässt sich leicht ausrechnen, wie viele Kunden wir unter diesen Umständen pro Tag bedienen können.“ Machen die dann größere Einkäufe, kann sich das eventuell trotzdem lohnen, sagt Zeit: „Aber das können wir vorab ja nicht wissen. Bei uns kaufen allerdings auch viele Gewerbetreibende ein, die ihre Ware auf Lieferschein erhalten. Die können wir weiterhin bedienen.“ Ob sich diese Art ein Geschäft zu führen auf Dauer rechnet, muss sich erst zeigen.

Auch kleinere Gärtnereien und Floristen sind von der Regelung betroffen. In der Gärtnerei von Andrea Reiprich im Ringmarkt in Neuwied müssen sich die Kunden nun vorab anmelden. „Im Großen und Ganzen haben die Kunden Verständnis für die Maßnahmen. Gerade die Stammkunden kennen die Regelung ja schon aus der Vergangenheit“, schildert Andrea Reiprich und ergänzt: „In Einzelfällen kommt es allerdings vor, dass die Menschen keine Angaben zu den Kontaktdaten machen wollen. Dann müssen wir entsprechend aufklären.“

Die aktuell geltende Allgemeinverfügung, eine Übersicht über die veränderten Regeln sowie eine Auslegungshilfe gibt es auf der Internetseite des Kreises unter der Adresse www.ku-rz.de/regelnnr200

Schwierigkeiten macht der Floristin vor allem die Kalkulation: „Im Normalbetrieb kann ich meist gut einschätzen, wie viel Ware ich bestellen muss und dann verkaufen kann. Das ist jetzt im Moment sehr schwierig. Und natürlich fehlen uns auch die Einnahmen der Laufkundschaft.“ Spontane Besuche im Laden sind nur möglich, wenn gerade keine Kunden mit Terminvereinbarung da sind.

Bei den Friseursalons überwiegt die Freude, dass sie weiterhin geöffnet bleiben dürfen – mit verschärfter Corona-Prophylaxe. Das lässt sich bewältigen, sagt Maren Steinebach, die ihr Geschäft im im Stadtteil Oberbieber in dritter Generation betreibt. „Wir sind einfach froh, wieder arbeiten zu können nach der jüngsten verordneten Zwangspause von vor Weihnachten.“ Die Eintrittskarte für die Kundschaft ist ein negativer Test, der nicht älter als 24 Stunden sein darf – alternativ wird ein Schnelltest vor der Eingangstür unter Aufsicht eines Mitglieds des Friseurteams durchgeführt. Die anderen Hygienevorkehrungen sind bei den Friseuren schon Routine. Maren Steinebach ist generell für allgemein strikte Maßnahmen, um mit möglichst geringem Schaden durch die Pandemie zu kommen – sie kritisiert aber auch die Ungerechtigkeit, dass mit vielerlei Maß gemessen wird. Ein Blick auf die Wühltischexzesse in engem Verbund in den Supermärkten lasse einem glatt die Haare zu Berge stehen, findet Steinebach.

Auch die Hauptgeschäftsführerin der Friseur- und Kosmetik-Innung Rhein-Westerwald, Elisabeth Schubert, attestiert den Betrieben, dass sie sich gut auf die aktuellen Maßnahmen vorbereitet haben: „Da wir mit unserem Handwerk ja sehr dicht an der Gesundheit arbeiten, haben die Salons entsprechende Vorgehensweisen längst verinnerlicht. Beim Besorgen der Schnelltests und anderer für die Hygiene wichtiger Artikel hat bei Bedarf der Berufsverband unterstützt.“. Auch sie hört aus den Salons, dass die Kunden insgesamt Verständnis für die Notwendigkeit der Maßnahmen haben.

Einige Friseure sind beim Kauf der Tests in Vorleistung getreten. Manche haben dabei vierstellige Summen investiert. „Das haben wir wir alles vorfinanziert und müssen die Kosten jetzt an unsere Kunden weitergeben“, berichtet Friseurin Petra Weber, die sich mit ihren Kolleginnen Anja Herrig und Sabine Pees aus Horhausen über die Testpflicht ärgert. „Hier wird etwas auf uns abgewälzt, was nicht unsere Aufgabe ist. Wir wollen einfach nur Haare schneiden. Doch jetzt fungieren wir auch noch als Büroangestellte und Arzthelferin“, kritisiert sie die Verordnung. Denn die Tests müssen unter Aufsicht durchgeführt und dokumentiert werden. Positiv getestete Kunden müssten sogar beim Gesundheitsamt gemeldet werden. „Wir sind doch keine Kontrolleure“, stellt Anja Herrig verzweifelt fest.

Bei Bauhaus in Neuwied hat man sich entschieden, das Geschäft unter den aktuellen Bedingungen nicht zu öffnen. Der stellvertretende Geschäftsführer Thorsten Lehn erklärt: „Wir haben ja schon Erfahrungen mit dem Bestell- und Abholservice gesammelt – das ist unter den aktuellen Bedingungen deutlich praktikabler. Die Kunden können zuvor bestellte Ware kontaktlos zum vereinbarten Termin auf dem Parkplatz abholen. Das funktioniert recht reibungslos.“ Auch dieses Beispiel aus der regionalen Filiale einer bundesweiten Baumarktkette zeigt: Selbst wenn niemand wirklich glücklich über die aktuellen Einschränkungen ist – die Betroffenen machen ganz offensichtlich das Beste daraus.

Von unserem Mitarbeiter Rainer Claaßen

Top-News aus der Region