Wein Lese ist voll im Gang - Winzer bemühen sich, Säure zu konservieren
Weinlese im Gang: Riesling ist rekordverdächtig früh im Keller

Gute Stimmung herrscht im Leutesdorfer Wingert unter den Erntehelfern aus Leidenschaft. Die Trauben des Weißburgunders sehen fast alle makellos aus. Foto: Michael Fenstermacher

Michael Fensterm

Kreis Neuwied. Verkehrte Welt am Mittelrhein: Das Thermometer zeigt hochsommerliche 31 Grad – und die Weinlese ist bereits im vollen Gang. Sogar der Riesling, die Visitenkarte der meisten Mittelrheinwinzer und eigentlich eine spät reifende Sorte, wird vielerorts schon geerntet – zum Beispiel in den Weinbergen von Gotthard Emmerich in Leutesdorf. Beim Besuch der RZ am Dienstag sind sein Kellermeister Wolfgang Roos und dessen Helfer – übrigens alles Kunden, die gegen Mindestlohn und Verpflegung sowie aus Freude an der Weinkultur dabei sind – zwar noch im Tal mit der Ernte des Weißburgunders beschäftigt.

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„Aber am Mittwoch geht es in die steileren Lagen“, kündigt Emmerich an und berichtet, dass die Rieslinglese im vergangenen Jahr erst im Oktober begonnen habe. Doch so lang wollen der Sprecher der Weinsteigwinzer und viele seiner Kollegen nach diesem rekordverdächtigen Sommer nicht warten. Denn mit jedem Sonnentag, den die Trauben am Rebstock hängen, steigt der Fruchtzuckergehalt, und der für die Rebsorte typische Säuregehalt geht zurück.

„Die Winzer müssen in diesem Jahr differenzierter an die Lagen herangehen“, kommentiert das Ulrich Hamm, der beim Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum fürs Anbaugebiet Mittelrhein zuständig ist. Teilweise sei durch die extreme Hitze und Trockenheit die übliche Reihenfolge der Rebsorten auf den Kopf gestellt, und vielfach habe die Ernte zwei bis drei Wochen früher begonnen, sodass – wie auch bei Gotthard Emmerich – frühe Sorten wie Blauer Portugieser oder Dornfelder schon gekeltert sind. Bei der Säure aber „kommt es nicht nur auf den analytischen Wert an“, so Hamm. Durch die Trockenheit hätten die Reben weniger Mineralstoffe aufgenommen, die Säure trete dadurch geschmacklich sauberer hervor. In die Röhre gucken müssen derweil Freunde von Mittelrheinsekt, was den Jahrgang 2018 angeht. „Die Winzer geben kaum etwas an die Kellereien ab, der Alkoholgehalt würde bei einer zweiten Gärung in der Flasche auch zu hoch“, berichtet Hamm. Doch in Sachen Ertrag könnten die Winzer zufrieden sein. „Es ist endlich mal wieder ein normales Jahr“, bestätigt auch Emmerich, der im vergangenen Jahr wie fast alle Kollegen hohe Ausfälle aufgrund einer heftigen Frostnacht im April zu beklagen hatte. Er freut sich über den Anblick seiner gesunden Weißburgundertrauben, denen auch Schädlinge wie Wespe und Essigfliege kaum zugesetzt haben.

Und die Qualität? „Es hätte ein Jahrhundertjahrgang werden können, wenn zur richtigen Zeit noch Regen dazu gekommen wäre“, sagt der Bad Hönninger Jungwinzer Sebastian Schneider, der dennoch von erfreulichen Mostgewichten spricht und sich auf die Arbeit im Keller freut. Auch Schneider ist mit seinen rumänischen Helfern, die er für eine frühe Ernte vorgewarnt hatte, bereits bei der Rieslinglese. „Erst hat sich der Regen nicht eingestellt, jetzt können wir ihn nicht mehr brauchen“, betont er. Zuviel Feuchtigkeit könne sich beim hohen Reifegrad der Trauben nun schnell fatal auswirken. Schon am 8. September hat er mit der Lese angefangen, ist mittlerweile ebenfalls schon beim Riesling angelangt und mit der Qualität ebenso zufrieden wie mit der Menge, die ein gezieltes Vorlesen erlaube. „Beim Riesling lassen wir noch einiges an den Reben für die Spätlese“, berichtet er.

Etwas aus der Reihe tanzt im Vergleich zu seinen Berufskollegen unterdessen der Hammersteiner Winzer Friedrich Scheidgen. Zwar ist er am Mittwoch beim Anruf der RZ gerade mit der Ernte von Müller-Thurgau beschäftigt. „Mit dem Riesling warte ich aber noch 8 bis 14 Tage“, sagt er. „Auch wenn ich das möglicherweise bereue, wenn Sie mich im Winter noch einmal fragen.“ Bei präziser Arbeit im Keller sieht er jedoch die zurückgehende Säure nicht als Problem an. „Entscheidend ist der PH-Wert“, findet Scheidgen. Und der lasse sich stabil halten, wenn man den Most nach dem Keltern sofort herunterkühlt.

An ein gutes, wenn auch nicht überragendes Weinjahr für die Mittelrheinwinzer glaubt auch Gerd Knebel, Geschäftsführer des Weinbauverbands Mittelrhein, der sie aufgrund des hohen Selbstvermarktungsanteils auch im Vorteil gegenüber den Moselwinzern sieht. Die nämlich müssen sich angesichts der guten Ertragslage bereits wieder mit sinkenden Fassweinpreisen herumschlagen.

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