Winzer geben Prognose ab
Weinjahrgang 2024: Geringere Mengen, aber hohe Qualität
Der Unkeler Winzer Oliver Krupp ist sehr zufrieden mit dem, was in seinern Fässern herangereift isn
Sabine Nitsch

„Die außergewöhnlichen Wetterbedingungen 2024 haben außergewöhnliche Weine hervorgebracht“, so der Tenor der Winzer am unteren Mittelrhein. Bei ihnen hat unsere Zeitung nachgefragt, auf was sich Weinliebhaber freuen dürfen. 

Das Weinjahr 2024 war ein Jahr der Extreme: Spätfrost, viele Niederschläge, wechselhaftes Wetter und Sommerhitze forderten das ganze Können der Winzer.

Bordeaux aus dem Rheinland

„Der 24er ist ein wirklich ambitionierter Jahrgang mit kleinen Mengen und hoher Qualität. Der Riesling ist sehr schön. Die Weine haben schöne Aromen bekommen“, fasst Karsten Keune vom gleichnamigen Weingut in Rheinbreitbach zusammen, was in seinen Fässern heranreift. „Die Weine haben eine schöne Grundsäure. Sie ,schweben’ sozusagen und haben weniger Alkohol. Es ist ein richtig schöner Jahrgang“, sagt Keune, der zusammen mit seiner Frau Viola das Weingut bewirtschaftet.

Den Grund für die herausragende Qualität des 24er-Jahrgangs sieht er in dem vielen Regen zur richtigen Zeit und der damit verbundenen guten Wasserversorgung im vergangenen Jahr, wodurch sich viele Mineralien aus dem Boden in die Trauben einlagern konnten. „Auch die lange Reifephase hat sich positiv auf die Aromabildung in den Beeren ausgewirkt“, erläutert Keune, der außerdem hochzufrieden mit seinem Merlot aus dem Jahr 2023 ist, der jetzt abgefüllt wird. 16 Monate ist er im Barrique-Fass gereift. Der 2024er reift noch. „Es ist sozusagen ein Bordeaux – nur eben vom Rhein. Wir haben ihn auch so gemacht, wie er in Südfrankreich hergestellt wird. Dazu haben wir dort mit Winzern gesprochen, in ihre Weinkeller geschaut, uns alles erklären lassen und hier umgesetzt“, erläutert Keune.

„Ein sportliches Weinjahr mit kleiner, aber feiner Weinerntemenge.“
Georg und Katharina Mohr vom Weingut im Mohr in Leutesdorf

„Ein sportliches Weinjahr mit kleiner, aber feiner Weinerntemenge.“ So bringen Georg und Katharina Mohr vom Weingut im Mohr in Leutesdorf den Jahrgang auf den Punkt, und Georg Mohr analysiert die Bedingungen, unter denen der Jahrgang heranreifte. „Zu Jahresbeginn war es überdurchschnittlich warm. Im Februar lagen die Durchschnittstemperaturen bei 8,7 Grad und waren damit mehr als 5 Grad wärmer als üblich. Das setzte sich im März fort und führte zu einem frühen Austrieb der Reben, beim Muskateller bereits am 7. April.“ Vom Frost Ende April blieb Leutesdorf weitestgehend verschont. In den Sommermonaten setzte sich die warm-feuchte Witterung fort, sodass die Monate Mai bis August ausgesprochen arbeitsintensiv waren, so Mohr.

„Der Reifebeginn der Trauben datierte je nach Rebsorte Anfang bis Mitte August. Eine stabile, trocken-warmen Wetterlage begünstigte im August einen frühen Start in die Weinlese, bei den Muskateller-Trauben am 12. September und beim Grauburgunder am 17. September. Anfang Oktober begann die Lese erster Riesling-Trauben. Am 22. Oktober konnte die Weinlese mit einer 94-Grad-Oechsle-Riesling-Spätlese abschließen“, umreißt er das Geschehen.

„Das Jahr war arbeitsintensiv.“
Gotthard Emmerich vom Weingut Emmerich in Leutesdorf

Das unterstreicht auch sein Leutesdorfer Winzerkollege, Gotthard Emmerich. „Wir haben zwar weniger Trauben, aber von hoher Qualität. Die Weine sind fruchtbetont und leichter. Wir sind sehr glücklich, wie der 24er sich präsentiert. Das Jahr war arbeitsintensiv.“

Georg Scheidgen aus dem benachbarten Hammerstein berichtet: „Wir haben weniger ernten können, die Qualität ist leichter und geht bis hin zur Auslese. Ein Eiswein hat leider nicht geklappt, aber wir haben eine Beerenauslese. Wir sind insgesamt sehr zufrieden“, betonte er.

Der Wein reift bei Oliver Krupp auch in Holzfässern.
Sabine Nitsch

Während die Winzer in Leutesdorf und Rheinbreitbach vom Frost im vergangenen Frühjahr weitestgehend verschont geblieben sind, hatten die Winzer in Unkel und Dattenberg weniger Glück. Bei Angelika und Jörg Belz in Unkel hat der Frost voll zugeschlagen „Wir haben 90 Prozent weniger Trauben ernten können. Die Arbeit war jedoch die gleiche. Wir betreiben ökologisch kontrollierten Weinbau und hatten wetterbedingt mit hohem Pilzbefall zu kämpfen“, sagt Angelika Belz. Das, was aber schließlich in den Flaschen landete, sei von wirklich guter Qualität. „Es ist guter Qualitätswein bis hin zur Spätlese“, erläutert die Winzerin. „Die Weine haben ein gutes Aromenspektrum und weniger Alkohol.“ Bei Winzer Oliver Krupp aus Unkel hat der Frost etwa 50 Prozent der Trauben vernichtet. „Aber die 24er Weine sind richtig gut“, zeigt er sich trotzdem zufrieden.

Kay Thiel bewirtschaftet den ältesten Weinberg am Mittelrhein

Richtig Pech hatte auch Kay Thiel. Verteilt auf 35 Rheinkilometer, bewirtschaftet er seit 2016 Steillagen in Oberdollendorf, Dattenberg und Leutesdorf. Insgesamt fast 4 Hektar. „Den Dattenberger Gertrudenberg, 1,5 Hektar, hat es voll erwischt. 100 Prozent Ernteausfall. Dattenberg ist eigentlich eine tolle Lage. Sie wurde im 19. Jahrhundert zu den zehn besten Lagen am Mittelrhein gezählt“, berichtet Thiel. Sauvignon gris, Auxerrois und Spätburgunder baut er dort an. Die Lagen in Leutesdorf kamen mit einem blauen Auge davon. „Dort bewirtschafte ich einen alten Weinberg mit wurzelechten Reben aus dem Jahr 1892. Es ist der älteste Weinberg am Mittelrhein. Die Qualität der Weine ist großartig,“ erläutert er.

Die Wetterlage 2024 hat dazu beigetragen, dass die Kay Weine, ebenso wie die der anderen Winzer zwischen Leutesdorf und Rheinbreitbach, einmal mehr mit der Erdgeschichte punkten können. Denn erdgeschichtlich gesehen, gehen die Aromen auf einen Vulkanausbruch im Permokarbon vor rund 350 Millionen Jahre zurück. Das Zeitalter Devon, in dem das rheinische Meer noch die Weinberge umspülte, prickelt nach einem Umweg über das Fass auf der Zunge, und das Tertiär liefert grundsätzlich Weine mit guter Säurestruktur. Thiel beschreibt das, was bei ihm in den Fässern landete, so wie seine Winzerkollegen: „Sehr gute Qualität, viele Aromen, weniger Oechsle und weniger Alkohol.“

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