Einzelhandel in Neuwied zwischen Weihnachtstrubel und Zurückhaltung der Kunden
Weihnachtsgeschäft in Neuwied: Kassen klingeln in diesem Advent leiser
Zum Einkaufsbummel kommen viele in die Neuwieder Innenstadt – aber das Kaufverhalten hat sich bei manchen verändert.
Jörg Niebergall

Weihnachten rückt immer näher - doch obwohl in der Fußgängerzone viel los ist, klingeln in den Geschäften nicht unbedingt die Kassen. Die hohen Energiekosten und die Konkurrenz zum Onlinehandel belasten die Einzelhändler, und gleichzeitig legen die Kunden in diesem Winter auch eine gewisse Zurückhaltung an den Tag.

„In den vergangenen beiden Jahren war in der Weihnachtszeit wegen Corona nicht viel los, und jetzt sorgt die Inflation dafür, dass die Leute weniger kaufen“, meint Rebecca Kluge vom Juweliergeschäft Frinken. Trotzdem würden seit Anfang Dezember mehr Menschen den Weg zum Juwelier finden.

„Die Kunden schauen sich gern nach passenden Weihnachtsgeschenken um, besonders Ketten und Gelbgold sind gerade sehr beliebt“, kann Kluge berichten. Ihr fällt jedoch auf, dass bei der Geschenkauswahl mehr als sonst auf den Preis geachtet wird.

Eine Zurückhaltung bei ihrer Kundschaft bemerkt auch Ute Kleinmann. Die Inhaberin von Aladin's Wohnkultur findet: „Das Weihnachtsgeschäft ist längst nicht mehr das, was es einmal war.“ Gerade beleuchtete Dekoartikel würden dieses Jahr kaum über den Tresen gehen, und bei den Geschenkartikeln ist die Konkurrenz zum Onlinehandel groß.

Die niedrigen Temperaturen schrecken zurzeit zusätzlich vom Einkauf im Geschäft ab. „Zum Glück wird aber immer dekoriert, und es werden immer Geschenke gekauft. Ich setze jetzt vor allem auf meine Stammkunden und informiere sie über meine digitalen Kanäle, wenn neue Ware eintrifft.“

Die Parfümerie Rüdell legt viel Wert auf persönliche Beratung, um sich vom Onlinehandel abzuheben. „Unser Service wird von den Kunden sehr geschätzt. Im Geschäft ist ein direktes Gespräch möglich, und Geschenke werden gleich noch schön verpackt“, sagt Solveig Detlefsen.

Im Laden kommt durch energiesparende Dekoration Weihnachtsstimmung auf, und vor allem an den Wochenenden ist viel los. „Wir hoffen aber in der letzten Woche vor Weihnachten und besonders zwischen den Jahren auf noch mehr Kundschaft. Dann lösen nämlich viele Leute bei uns die Gutscheine und Geldgeschenke ein, die sie zu Weihnachten bekommen haben.“

Viele Geschäfte nutzen inzwischen auch die Möglichkeit, ihre Produkte selbst online zu bewerben und zu verkaufen, um mit dem Onlineversandhandel mithalten zu können. „Unser Verkauf läuft etwa zur Hälfte über das Internet und zur Hälfte im Geschäft“, berichtet Daniel Faust vom Spielzeugladen Piratenbox.

Er ergänzt: „Wir haben uns außerdem auf Nischenprodukte spezialisiert, die man im Onlinehandel nicht findet.“ Dieses Jahr sei wieder alles aus dem Bereich Pokémon sehr beliebt. Faust bemerkt seit etwa zwei Wochen, dass das Weihnachtsgeschäft Fahrt aufnimmt: „Es ist mehr los als in den vergangenen beiden Jahren, Weihnachten ist zurück in den Köpfen. Meine Erwartungen wurden übertroffen: Wir konnten ungewöhnlich früh schon viele große Artikel verkaufen.“

Einen positiven Blick bewahrt sich auch Axel Wöckner aus dem Vorstand der Deichstadtfreunde, der selbst zwei Schuhhäuser in der Neuwieder Innenstadt betreibt. „Die Geschäfte laufen gut, und die Menschen strömen im Gegensatz zu den vergangenen Jahren wieder in die Stadt“, meint Wöckner.

Für ihn sind es der Kontakt zu anderen Menschen und ein Einkaufserlebnis mit allen Sinnen, die gerade zur Weihnachtszeit den Aufenthalt in der Innenstadt attraktiv machen. Er betont: „Das kann das Internet eben nicht bieten.“

Trotzdem beschäftigen ihn auch die Herausforderungen, mit denen sich der Einzelhandel zurzeit konfrontiert sieht: Die Inflation ist für alle Händler ein Thema, ebenso wie die Belastung durch hohe Energiekosten und Schwierigkeiten bei der Warenbeschaffung, besonders im Elektrobereich.

„Mit viel Optimismus und Engagement versuchen wir aber, weiter für den Standort Neuwied zu kämpfen. Auch wenn wir dieses Jahr an einigen Stellen sparen müssen, soll die Servicequalität darunter auf keinen Fall leiden“, so Wöckner.

In seinen Schuhgeschäften bemerkt er seit einigen Tagen den Einfluss des kalten Wetters: „Die Leute benötigen warme Kleidung, davon profitieren die Neuwieder Bekleidungsgeschäfte gerade sehr.“

Eine gewisse Veränderung im Kundenverhalten kann Axel Wöckner auch beobachten, bewertet sie aber nicht unbedingt negativ: „Es wird verstärkt auf Nachhaltigkeit geachtet. Die Kunden kaufen vielleicht weniger, aber dafür qualitativ hochwertige Produkte, die lange halten werden.“

Markus Mauer, Leiter des Elektrofachmarkts Expert Klein, beobachtet Ähnliches: „Viele schauen beim Einkauf mehr als sonst auf den Stromverbrauch der Geräte, insbesondere bei Großgeräten wie Waschmaschinen oder Trocknern.“ Die Menge der Kunden stagniere. Die meisten Leute kaufen momentan gezielt Geschenke ein, beliebt sind wie üblich vor allem Spielekonsolen.

Keinen Einfluss auf das Weihnachtsgeschäft hat jedoch die Fußballweltmeisterschaft. „Normalerweise steigt vor einer WM das Interesse an neuen Fernsehgeräten“, erklärt Mauer, „diesmal gab es insgesamt aber wenig Vorfreude auf das Ereignis, deshalb ist der übliche Effekt ausgeblieben“.

Auch in anderen Neuwieder Geschäften war die WM kein Thema. „Wir haben keine speziellen Produkte zur WM angeboten“, erklärt Daniel Faust von der Piratenbox. In der Neuwieder Thalia-Filiale wurde die Weltmeisterschaft ebenfalls nicht aufgegriffen, und die Mitarbeiter der Buchhandlung berichten: „Es gab auch keine Nachfrage nach Büchern oder Merchandise zu dem Thema.“

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