Michael Mahlert im RZ-Interview: "Bin mit meiner beruflichen Laufbahn zufrieden" - Politisch bleibt der Ex-Kreisbeigeordnete aktiv
Weg führt weg vom Neuwieder Kreishaus: Genosse wird das Strippenziehen dennoch nicht lassen
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Im Schloss Arenfels in Bad Hönningen hält sich Michael Mahlert in jüngster Zeit häufiger auf. Er will seine guten Kontakte nutzen, um dem Schloss als Veranstaltungsort zu mehr Bedeutung zu verhelfen. Foto: Frank Homann
Frank Homann

Kreis Neuwied. Die RZ hat sich mit Michael Mahlert zum Interview getroffen - er sagt: „Ich bin mit meiner beruflichen Laufbahn zufrieden“. Politisch bleibt der Ex-Kreisbeigeordnete weiter aktiv.

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Jugendpfleger, Bürgermeister und hauptamtlicher Kreisbeigeordneter: Alle drei Stationen seines beruflichen Lebens hat Michael Mahlert (SPD) dafür genutzt, Spuren zu hinterlassen. Dabei überzeugte er viele als Mensch aber auch mit fachlich-sachlicher Arbeit. Die RZ traf ihn auf ein Wort zum Abschied aus seinem beruflichen Leben.

Herr Mahlert, Sie haben etliche Jahre als engagierter Genosse hinter sich gebracht, erfolgreich würden viele sagen. Was hat Sie ausgerechnet zur SPD geführt?

Im Endeffekt war es die Ostpolitik von Willy Brandt und später von Helmut Schmidt. Die erzeugte bei vielen, auch bei mir, eine große Aufbruchstimmung und den Wunsch, sich zu engagieren. Ursprünglich fing bei mir alles mal bei den Jusos im Westerwald an. Richtig aktiv in die Parteiarbeit bin ich allerdings erst wieder eingestiegen, seit ich beruflich 1990/1991 ins Rheinland gezogen bin.

Sie sind als erster hauptamtlicher Jugendpfleger bei der Neuwieder Kreisverwaltung in die Kommunalgeschichte eingegangen. Haben Sie damals schon mit einer politischen Karriere geliebäugelt?

Nein. Ich habe zunächst die gesamte kaufmännische Ausbildung abgeschlossen. Nach einem Semester BWL habe ich aber gedacht, dass ich auch gut etwas im sozialen Bereich machen könnte. Dann als Jugendpfleger einzusteigen, kam für mich einem Schritt in den Traumberuf gleich. Alles andere hat sich ergeben. Als erster Jugendpfleger musste ich viele Strukturen aufbauen, politische Kontakte knüpfen, netzwerken.

In der RZ sind Sie mitunter schon als „Strippenzieher“ innerhalb der SPD bezeichnet worden, der Entscheidungen, auch personelle, wesentlich mit beeinflusst. Was halten Sie von dieser Bezeichnung?

Manchen Leuten in meinem Umfeld ist der Begriff Strippenzieher negativ aufgestoßen. Mich macht er hingegen stolz, weil ich weiß, wie er in meinem Fall gemeint ist, und ich in der Tat gern gestalte und gewisse Dinge vorbereite, ohne dabei Leute zu blockieren.

Wie kam es dann zum Sprung an die Spitze der Verwaltung in Bad Hönningen?

Ehrlich gesagt habe ich das in weiten Teilen meinem Parteifreund Ludwig Eich zu verdanken. Er kam eines Tages auf mich zu mit der Frage, ob ich nicht Bürgermeister in Bad Hönningen werden wolle. Also stellte ich mich dem innerparteilichen Auswahlprozess und setzte mich gegen acht andere Kandidaten durch. Von heute aus gesehen, war die Frage von Eich damals gar nicht so abwegig. Ich gehe gern mit Menschen um und bin selbst ein sehr strukturierter Mensch, der gern Verfahren steuert und der immer schaut, wo Entwicklungen hinführen.

Sie haben deutliche Wahlergebnisse eingefahren. Doch längst nicht alles lief glatt. Was haben Krisensituationen wie die Debatte um die Windkraft oder der Ärger um den sogenannten Frankenkredit mit Ihnen gemacht?

Sie haben vor allem meinen Erfahrungsschatz als Führungskraft vergrößert – und mich für spätere Krisensituationen wie Corona gewappnet. Gelernt habe ich dabei auch, dass ich besser fahre, wenn ich mit Situationen transparent umgehe. Diese Form der Prägung ist mir bei meiner Zeit beim Kreis zweifellos zugutegekommen.

Wenn man sich wie Sie viele Jahre als Bürgermeister bewiesen hat, ist dann das Landratsamt automatisch ein berufliches Ziel?

Sicher nicht für jeden. Auch bei mir ist der Gedanke, mich zu bewerben, erst gereift, nachdem mir Parteifreunde zugeredet haben. Da spielte neben Ludwig Eich vor allem Roger Lewentz eine gewichtige Rolle.

Schließlich hatten Sie nicht viel zu verlieren, oder?

Genau. Für mich war der Weg zurück offen, wo ich im Fall einer Niederlage gegen Achim Hallerbach weiter Bürgermeister hätte bleiben können.

Warum sind Sie dann trotzdem in Richtung Kreishaus abgewandert?

Zum Kreis zu gehen und mich zum hauptamtlichen Beigeordneten wählen zu lassen, war eine sehr bewusste Entscheidung. Die beruht auf Erfahrungen, die ich vor allem im Wahlkampf und schon davor machen durfte. Deshalb habe ich meine Aufgabe von Anfang an als Teamarbeit mit dem Landrat begriffen. Das hatte bereits vor dem Amtsantritt gut geklappt.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Wenn wir Dinge besprochen haben, waren sie zunächst immer hinter verschlossenen Türen. Natürlich gab es da auch Meinungsverschiedenheiten, wir haben aber immer zu einem Konsens gefunden. Und noch etwas hatte schon vor meiner Zeit beim Kreis gut geklappt, Stichwort Große Koalition. Dass man als SPD und CDU dazu steht, hat sich mit der Zeit entwickelt. Wir haben viele gemeinschaftliche Positionen trotz verschiedener Meinungen innerhalb der Fraktionen. Auch das war für meine Entscheidung wichtig.

Bleiben wir bei den Parteien: Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen heute und dem Zeitpunkt ihres Parteieintritts?

Früher hatten wir in der Nach-Brandt- und der Nach-Schmidt-Ära viel mehr Leute, die wir nicht überzeugen mussten, sondern die einfach in die Partei kamen. Heute ist es eher problematisch, viele Menschen von dem System zu überzeugen, weil einfach diese Aufbruchstimmung nicht mehr da ist. Die Akzeptanz fehlt zusehends. Früher waren ganz viele stolz, in der SPD zu sein, das war eine Riesenbewegung.

Hat Sie das auch zu einem Förderer von Nachwuchskräften gemacht?

Vor zehn Jahren habe ich erlebt, wie schwierig es ist, junge Menschen für die Parteiarbeit zu aktivieren. Vor acht Jahren bin ich intensiver in das Thema eingestiegen, habe versucht, junge Leute an die Hand zu nehmen. Man muss sich heutzutage intensiver um diese Leute kümmern und sie fördern.

Und wie erleben Sie mögliche Veränderungen im Zusammenspiel unterschiedlicher Parteien?

Früher haben die Blöcke SPD und CDU mehr polarisiert. Heute suchen die Parteien auch auf kommunaler Ebene zunehmend Gemeinsamkeiten, etwa in der Abgrenzung zum rechtsextremen Rand. Deshalb war für mich auch immer klar, dass ich auf der kommunalpolitischen Ebene bleibe. Hier ist noch Zusammenarbeit ohne große Polarisierung möglich. Auf Bundesebene geht es eher um Schuldzuweisung angesichts des Erstarkens radikaler Kräfte.

Führt dieses Verhalten ihrer Meinung nach dazu, dass die AfD Wahlen gewinnen wird und die Demokratie gefährdet?

Das ist nicht nur die AfD, da sind Reichsbürger und militante Impfgegner. Ich glaube aber, dass viele Leute erkannt haben, dass man sich diesem Gedankengut einfach nicht anschließen kann und damit die AfD auch nicht wählen kann. Bei den Demos im Kreis etwa sind viele Leute dabei, die man in politischen Zirkeln noch nie gesehen hat. Meine Philosophie bei solchen Prozessen ist, wenn der Leidensdruck hoch ist, dann tauchen viele Leute in der Öffentlichkeit auf und engagieren sich mehr für die Gesellschaft. Darauf hoffe ich, deshalb sehe ich da auch nicht schwarz.

Als Kreisbeigeordneter haben Sie weitreichende Einblicke ins gesellschaftliche Leben bekommen. Was sehen sie heute kritisch?

Kritisch sehe ich die Situation, dass wir in vielen Dingen von der zunehmenden Gesetzesflut beeinflusst werden, von Mangelsituationen, und dass wir letztlich sehr viele Flüchtlinge unterbringen müssen. Da würde ich mir flexiblere Lösungen wünschen, etwa was Kitaplätze für Flüchtlinge aus der Ukraine betrifft. Luxuriöse Standards können wir uns in vielen Bereichen nicht erlauben. Das ist auch ein Grund, warum ich Dinge so angepackt habe, wie ich sie angepackt habe. Für mich ist der Satz wichtig gewesen: Bedenke das Ende. Hier vor Ort muss man Bündnispartner finden, dann kommt man auch zu gemeinsamen Lösungen, etwa beim Fachkräftemangel. Ferner gibt es viel mehr Fälle bei der Kindeswohlgefährdung, die Schülerzahlen in Förderschulen wachsen permanent, Familien fallen auseinander, die Digitalisierung ersetzt bei jungen Menschen immer mehr den persönlichen Kontakt und, und, und. Zudem gibt es immer mehr defizitäre Strukturen, die gerade in Schulen aufgearbeitet werden müssen. Alles in allem eine Situation, die mir persönlich und den Beteiligten auch alles abverlangt hat.

Was hätten Sie als Kreisbeigeordneter noch gern angepackt?

Da denke ich zuerst an das sogenannte Lebenszyklusmanagement für unsere Schulen, bei dem der Zustand eines jeden Schulraums aufgenommen wird, und wir dann sagen, hier gehen wir zeitnah dran und lassen es gar nicht mehr zu einem Investitionsstau kommen. Ich hätte mir gewünscht, etwas weiter gekommen zu sein. Aber Corona hat das Ganze ausgebremst. Zudem lag und liegt mir der Ansatz „Gut versorgt vor Ort“ sehr am Herzen, den wir mit unserer Sozialabteilung verfolgt haben. Da geht es darum, älteren Menschen sozusagen aus einer Hand eine barrierefreie Umgebung zu schaffen, so wie es in Anhausen schon gut umgesetzt wird.

Was stimmt Sie positiv?

Wo wir als Kreis auch Einfluss haben, in den Schulen, haben wir in Sachen Digitalisierung einen großen Schritt gemacht, was die Schulleitungen uns positiv spiegeln.

Sie haben bereits einen Unruhestand angekündigt. Wo werden Sie denn künftig noch ehrenamtlich aufschlagen?

Ich bin dabei, mit dem Zoo und den Busunternehmen ein Angebot zu stricken, das mehr Schüler in den Zoo führt. Und ich versuche, Menschen aus meinen Netzwerken anzusprechen, damit diese im Schloss Arenfels auch mal Veranstaltungen machen. Und noch eine Sache habe ich vor, ich würde gern über die AWO eine soziale Betreuung übernehmen. Ansonsten bleibe ich noch stellvertretender SPD-Kreisvorsitzender und stehe dem Nachwuchs als Partner zur Verfügung.

Wenn eine Fee Sie in einen 20-jährigen Mann zurückverwandeln würde und Sie sich einen Beruf aussuchen könnten, fiele Ihre Wahl tatsächlich auf Jugendpfleger?

Der Job wäre auf jeden Fall mit in der Auswahl. Ich wäre aber auch gern Fremdenführer geworden, quasi vormittags Bürgermeister, nachmittags Fremdenführer.

Mit jungen Menschen umgehen, wäre nicht auch der Lehrerberuf etwas für Sie gewesen?

Lehrer waren nie so meins. Ich hatte gute Lehrer aber auch weniger gute, das wäre also kein Wunsch von mir gewesen.

Worauf hätten Sie denn in Ihrem Arbeitsleben gern verzichtet?

Verzichtet hätte ich gern auf die Dauerbelastung auch am Abend. Es gibt einfach keinen Punkt, wo man hätte sagen können, da höre ich auf. Vernetzen ist auch harte Arbeit, Verbindlichkeit ist da gefordert. In unserer Leistungsgesellschaft macht der Beruf halt viel vom Leben aus. Auf der anderen Seite habe ich aufgrund meiner Sozialisierung viel erreicht, bin mit meinem Arbeitsleben zufrieden.

Den Lebensabend auf einer Insel mit angenehmem Klima verbringen, das ist für Sie kein Thema?

Beim besten Willen nicht, ich bin kein Typ, der mit einem Wohnmobil durch die Weltgeschichte fährt. Ich will in meiner Heimat eine Aufgabe haben, so bin ich nun mal sozialisiert. Das wird mir auch helfen, jetzt nicht in ein Loch zu fallen. Ansonsten werde ich Zeit haben, um mehr mit der Familie zu machen, als das bisher der Fall war. Ich werde mehr Sport treiben, viel Fahrrad fahren, weil mir das schon immer Spaß gemacht hat, aber zu kurz kam.

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