Seit Wochen warten Samantha Heibel-Hebel und Kerstin Müller auf die Herausgabe ihrer Patientenakten. Auch wenn ihnen das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zusichert, dass dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren sei, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen, werden die Frauen immer wieder vertröstet. Julika Unger, juristische Fachberaterin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz, hat dazu einige Hinweise.
Sie bestätigt, dass Patientinnen und Patienten gemäß Paragraf 630g BGB „jederzeit während oder nach einer Behandlung ohne Begründung Einsicht in die Krankenunterlagen nehmen können, die die Behandler:in über sie angelegt hat“. Es könnten stattdessen auch Kopien der Unterlagen verlangt werden. „Patient:innen haben auch nach der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) das Recht, Auskunft über alle sie betreffenden personenbezogenen Daten, die bei den Behandler:innen verarbeitet werden, zu erhalten“, schreibt Unger weiter und verweist auf Artikel 15, Absatz 1 der DSGVO. Das Recht auf Datenauskunft umfasse auch das Recht auf Einsicht in Patientenunterlagen.
„Die Einsicht ist unverzüglich zu gewähren.“
Julika Unger, juristische Fachberaterin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz
„Die Einsicht ist unverzüglich zu gewähren. Die Erstkopie ist kostenfrei zu überlassen“, weiß die juristische Fachberaterin. Die Einsicht in die Patientenakten gewähre das Krankenhaus beziehungsweise der Krankenhausträger. Es bestehe eine Aufbewahrungspflicht von Patientenakten für mindestens zehn Jahre. Die Aufbewahrungsfrist ende auch nicht bei Insolvenz.
Unstrittig sei, dass das insolvente Unternehmen auch Informationen an den Insolvenzverwalter weitergeben müsse, auch Daten, die auch vom Arztgeheimnis gedeckt seien, fährt die Verbraucherschützerin fort. Das Interesse der Gläubiger an der Transparenz der Einnahmen ihres Schuldners könne so Vorrang vor der ärztlichen Schweigepflicht haben. Ganze Patientenakte würden jedoch nicht ohne Weiteres an den Insolvenzverwalter oder den neuen Krankenhausträger übertragen, ist sich Unger sicher.
„Die in Aussicht gestellte Klärung muss also leider abgewartet werden.“
Julika Unger, juristische Fachberaterin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz
Die Aussagen des Insolvenzverwalters seien zunächst nachvollziehbar, schreibt sie. Dort hatte eine Sprecherin erklärt, die Marienhaus-Gruppe als neuer Träger habe weder Patientenakten des DRK-Krankenhauses übernommen noch Einblick in diese Akten. Deren Verwaltung falle aus rechtlichen Gründen im Insolvenzverfahren in den Verantwortungsbereich des Insolvenzverwalters. Experten aus Recht und IT kümmerten sich darum, die Patientendaten individuell zur Verfügung zu stellen. „Die in Aussicht gestellte Klärung muss also leider abgewartet werden“, sagt Unger dazu. Daneben könnten sich die Patienten aber an die Patientenfürsprecher wenden. „Möglicherweise kommt dadurch auch noch etwas Schwung in die Sache“, so Julika Unger.
Dass Samantha Heibel-Hebel und Kerstin Müller nicht die Einzigen sind, die eine Anfrage an das ehemalige DRK-Krankenhaus in Neuwied gerichtet haben, zeigen Änderungen auf dessen Internetseite. War sie bis zum 8. Mai unverändert abrufbar, ist dort nun die E-Mail-Adresse patientenanfragen@drk-khg.de zu finden, an die sich Patienten bezüglich ihrer Patientenakten wenden können.

Schwerkranke warten seit Wochen auf ihre Patientenakten
Anfang April forderten zwei Patientinnen des ehemaligen DRK-Krankenhauses in Neuwied ihre Akten an. Doch die Unterlagen haben sie bis heute nicht – und aus dem Büro des Insolvenzverwalters werden die Frauen vertröstet.
In einer automatischen Antwort steht, im Rahmen des Trägerwechsels am Standort Neuwied sei die Patientenakte aus rechtlichen Gründen nicht automatisch aus dem vorherigen Klinikbetrieb auf die Marienhaus-Gruppe übergegangen. „Die Umsetzung für eine große Zahl von Fällen wird derzeit ausgearbeitet und kann noch etwas Zeit in Anspruch nehmen“, heißt es weiter. Sobald der Prozess abgeschlossen sei, werde sich die DRK-Trägergesellschaft Süd-West noch einmal mit dem Patienten in Verbindung setzen und bitte um etwas Geduld.
Samantha Heibel-Hebel und Kerstin Müller scheinen weiter zu sein. Ihnen war aus dem Büro des Insolvenzverwalters eine Lösung im Laufe dieser Woche angekündigt worden. Für die schwerkranken Frauen ist das wichtig: Sie brauchen die Unterlagen dringend, um weiterbehandelt werden zu können.