Von einer zweiten IGS über mehr Geld bis hin zur verbesserten Ganztagsbetreuung: Kreistagsspitzenkandidaten erläutern im RZ-Speeddating ihre Pläne
Was der Kreis Neuwied bei Schulen und Kitas anpacken muss: Listenführern auf den Zahn gefühlt
Integrierte Gesamtschule (IGS) Neuwied
Die Anliegen der Kreistagsspitzenkandidaten in punkto Schulen und Kitas im Kreis Neuwied sind vielfältig. Vor allem der Wunsch nach einer zweiten Integrierten Gesamtschule sowie mehr finanziellen Mitteln wird unter anderem hervorgehoben. Foto: Archiv Jörg Niebergall
E-Mail Gateway. Archiv Jörg Niebergall

Kreis Neuwied. Bildung ist wichtig – da sind sich die Spitzenkandidaten der Parteien und Gruppierungen, die sich bei der Kommunalwahl um die Mandate im Kreistag bewerben, absolut einig. Aber was planen sie konkret für die Schulen und Kitas im Kreis? Wo sehen sie Handlungsbedarf? Und welche Schwerpunkte wollen sie in der kommenden Wahlperiode setzen? Das wollte die Rhein-Zeitung genauer wissen und fühlte den Kandidaten bei einem Speeddating auf den Zahn.

Sehr konkrete Vorstellungen hat Michael Christ (CDU). „Wir müssen im Landkreis mit einer dezidierten Schulentwicklungsplanung starten“, sagt er. Alle Schulstandorte sollen genau analysiert werden – hinsichtlich der Anmeldezahlen, aber auch mit Blick auf Schülerströme und kommende gesetzliche Anforderungen wie die Ganztagsbetreuung, die die Schulen erfüllen müssen.

Wo könnte es einen zweiten Standort für eine IGS geben?

Auf dieser Datengrundlage soll der Kreis künftig seine Entscheidungen treffen. „Man kann dann zum Beispiel sehen, ob ein Standort für zwei, drei Jahre überbelastet ist. Dann kann man mit einem Container ein Provisorium schaffen“, erläutert Christ, der klarstellt: „Wir werden keiner Investition im Schulbaubereich zustimmen, bis wir nicht genau wissen, für welchen Zeitraum die zusätzlichen Bedarfe in einzelnen Klassen existieren.“

Und noch eine weitere Forderung hat Christ im Gepäck: eine zweite Integrierte Gesamtschule (IGS) im Kreis. „Die IGS ist insbesondere bei den Schülern, aber auch bei den Eltern eine gewünschte Schulart“, erklärt Christ. „Aber wir haben nur einen Standort in Neuwied.“ Entscheidend sei die Frage, wo ein zweiter Standort eingerichtet werden könnte – ohne dass andere Schulen darunter leiden. Auch um diese Frage zu beantworten, brauche es eine Schulentwicklungsplanung.

Fachkräftemangel in den Kitas

Martin Diedenhofen (SPD) möchte „immer wieder dafür kämpfen, dass Bildung eine ganz hohe Priorität bekommt“. Zuletzt habe es mit Michael Mahlert als Schuldezernenten des Landkreises jemanden gegeben, der einen engen Austausch mit den Schulen pflegte, um zu schauen, wie deren Bedarfe sind. „Das auch mit dem neuen Schuldezernenten Philip Rasbach weiterzuführen, das ist eine wichtige Ausgangsposition“, sagt Diedenhofen.

Mit Blick auf die Kindertagesstätten spricht Diedenhofen den Fachkräftemangel an. Es sei schwierig, Erzieherinnen und Erzieher zu finden. Daher müsse potenziellen Bewerbern vor Augen geführt werden, was die Region zu bieten hat: „Richtig schöne Orte“, sagt Diedenhofen, „und auch eine vergleichsweise gute Infrastruktur“. Es gelte, den Landkreis in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln, damit Menschen „auch Lust haben, Erzieher beispielsweise in Erpel oder Bad Hönningen, in Puderbach oder in Dierdorf zu werden“.

Grüne für verbesserte Ganztagsbetreuung

Eine zusätzliche IGS im Kreis Neuwied fordert auch Ralf Seemann (Grüne). „Das fordern wir seit Jahren“, sagt Seemann, „und es wird immer wieder abgelehnt, was am Ende aber völlig unverständlich ist.“ Seemann verweist auf die Situation an der IGS Johanna Loewenherz, wo es zuletzt 231 Anmeldungen gegeben habe – „doppelt so viele Anmeldungen, wie man Schüler aufnehmen kann. Das unterstreicht, dass diese Schulform immer wichtiger wird“, betont Seemann.

Zudem treten die Grünen für eine verbesserte Ganztagsbetreuung ein. Das sei vor dem Hintergrund einer sich verändernden Arbeitswelt wichtig, um die Eltern zu entlasten. „Und es muss natürlich auch Ferienangebote geben“, ergänzt Seemann. „Was hilft es mir, eine Ganztagsschule zu haben, aber die Eltern müssen irgendwie zwölf Wochen im Jahr rumkriegen, in denen es kein Schulangebot gibt?“ An diesen Themen müsse der Kreis arbeiten. Darüber hinaus spricht sich Seemann auch für einen Ausbau der Schulsozialarbeit auch an allen weiterführenden Schulen aus. Und er verweist dabei auf Erfahrungen, die er in Neuwied gemacht hat, wo er Beigeordneter ist: „Da hat es sich als sehr wichtiger Bestandteil des Schulalltags herausgestellt.“

Schüler sollen sich auf das Lernen konzentrieren

Für Udo Franz (FWG) sind Schulen und Kitas zwar „brandwichtig“, jedoch hätten die Kreistagsfraktionen nur wenig Einfluss, sagt er. So wäre es aus seiner Sicht wünschenswert, dass sich Schüler wieder mehr aufs Lernen konzentrieren, indem Medienangebote wie TikTok und Instagram aus den Schulen verbannt werden, und dass der Lehrplan den jungen Leuten mehr Wertschätzung für die Region vermittelt. Aber: „Als Kreistagsfraktion können wir da leider nichts machen.“ Dasselbe gilt für kleinere Klassen, die Franz für nötig hält, um die individuelle Förderung zu verbessern und das Niveau anzuheben. „Da haben wir leider wenig Steuerungsmöglichkeiten“, bedauert Franz.

Als einen „schulreichen Standort“ bezeichnet Ulrich Schreiber (FDP) den Kreis Neuwied. Und er benennt die Folgen: „Wir haben ständig mit Renovierungskosten zu tun.“ Hier müsse eine Fensterfassade ausgewechselt, da ein Dach erneuert, und anderswo müssten Klassenräume neu gestaltet werden. „Der Kreis hat, was das Finanzielle angeht, viel zu stemmen“, betont Schreiber. Das Geld sei freilich gut angelegt, denn „wenn ich in die Kinder nicht investiere, wird sich das irgendwann rächen“. Vor diesem Hintergrund will sich Schreiber dafür einsetzen, dass es im Kreis Neuwied keinen Investitionsstau gibt.

Das geht nur, wenn im Haushalt die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden und nicht geknausert wird.

Das sagt Julia Eudenbach (Die Linke) mit Blick auf den Fachkräftemangel

Julia Eudenbach (Die Linke) richtet den Blick auf den drohenden Fachkräftemangel. „Wir müssen attraktivere Ausbildungsplätze im Kreis anbieten, damit wir auch demnächst noch auf gut ausgebildete Fachkräfte zurückgreifen können“, sagt sie. Dazu brauche es zum einen ein positives Betriebsklima, zum anderen aber auch attraktive und lebenswerte Kommunen. „Und es muss natürlich Geld fließen“, sagt Eudenbach, die in eine gute Ausstattung der Einrichtungen investieren würde, damit das Arbeiten dort Spaß macht. „Das geht nur, wenn im Haushalt die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden und nicht geknausert wird“, sagt Eudenbach.

Auch Jochen Bülow (BSW) spricht den Fachkräftemangel an. Da der Kreis, was das Finanzielle betrifft, nur begrenzte Möglichkeiten habe, sieht Bülow eine Chance in den weichen Faktoren: die schöne Gegend, eine familienfreundliche Region. „Ich glaube, damit können wir auch ein bisschen punkten.“ Das müsse der Kreis aber noch ein bisschen besser vermitteln.

Es müsste mehr Geld zur Verfügung gestellt werden

Zudem will Bülow in die Integration investieren. „Das ist ja ganz offensichtlich, dass da große Defizite herrschen“, sagt er, räumt jedoch ein, dass der Kreis allein wenig ausrichten kann. „Das heißt, wir müssen Druck entwickeln, auch mit anderen Kommunen zusammen, dass da mehr Geld zur Verfügung gestellt wird“, betont Jochen Bülow.

Geld ist auch das Schlüsselwort für Patrick Simmer (Ich tu’s – Die Bürgerinitiative). „Notwendig sind enorme Finanzmittel, die aktuell nicht gegeben sind“, sagt er und zählt auf: Es seien massive Investitionen in Gebäude nötig, das Personal müsse dringendst aufgestockt werden, und auch die Löhne müssten steigen. Selbst einen Schwerpunkt zu setzen, sei da sehr schwierig. „Letztlich ist das Land an dieser Stelle gefordert“, sagt Simmer.

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