Geschichte über Versöhnung
Warum ein Asbacher Baum einen französischen Wein ziert
Die Friedenseiche, wie sie heute aussieht. Hinter ihr steckt eine spannende Geschichte. Am Baum sieht man eine Infotafel und eine kleine Bankgruppe zum Verweilen.
Michael Möhlenhof

Der Krieg schreibt viele schreckliche Geschichten. Aber inmitten dieser gibt es auch Geschichten von Menschlichkeit und Versöhnung. So auch in Asbach. Was haben ein Baum und eine französische Weinflasche damit zu tun?

Beim Stöbern in einem Geschenkladen in Asbach fällt dem einen oder anderen auf: Auf dem Etikett eines Weins aus dem Languedoc, einer südfranzösischen Provinz, findet sich das Bild einer Eiche aus Asbach – der sogenannten Friedenseiche. Welche Verbindung gibt es zwischen dem Baum und dem französischen Wein? Die Geschichte dahinter erzählt von Menschlichkeit, Mut und Versöhnung.

Deutsch-Französische Freundschaft in Zeiten des Krieges

Im Jahr 1940 führte der Krieg den französischen Winzer Aimé Portal als Kriegsgefangenen nach Deutschland. 1942 wurde er als landwirtschaftlicher Zwangsarbeiter dem Hof von Johann Balensiefen in Krumscheid zugeteilt, erlebte dort aber Menschlichkeit in einer von Feindseligkeit geprägten Zeit. Johann Balensiefen lehnte die Ideologie der Nationalsozialisten ab und begegnete Portal mit Respekt und Hilfsbereitschaft. Jahre zuvor hatte er bei einem Bauprojekt in Frankreich Kenntnisse der französischen Sprache erworben. Dadurch konnten sich Johann Balensiefen und Aimé Portal unterhalten. Dies war damals eine große Ausnahme, da Französischkenntnisse in der deutschen Bevölkerung wenig verbreitet waren.

Eine besonders symbolträchtige Begegnung ereignete sich, als Portal beim Roden von Büschen auf einer Wiese eine junge, etwa ein Meter hohe und zwei Zentimeter dicke, wild gewachsene Eiche entdeckte. Inmitten des Krieges bat er darum, den Baum als Zeichen des Friedens stehen zu lassen. Seine Vision: Eines Tages könnten Deutsche und Franzosen in Freundschaft verbunden sein. Kurzum: Die Eiche durfte stehen bleiben und wird seitdem als „Friedenseiche“ bezeichnet.

Wie ein Brief ein Gerichtsverfahren beendete

Die letzten Kriegsmonate brachten große Gefahr für ausländische Kriegsgefangene. Diese sollten nicht in die Hände der Alliierten gelangen und wurden deshalb häufig von der zurückweichenden Wehrmacht als Geiseln verschleppt. Deshalb versteckte sich Portal zusammen mit einigen Kameraden in einer Höhle in einem nahe gelegenen Tal. Doch die Familie Balensiefen ließ sie nicht allein, riskierte viel, um Portal und seine Kameraden mit den knappen Lebensmitteln zu versorgen. Als amerikanische Truppen 1945 Krumscheid erreichten, konnte Portal in seine Heimat zurückkehren. Kurz darauf drückte er in einem Brief an Familie Balensiefen seinen Dank aus. Dieser Brief sollte für die Balensiefens noch wichtig werden.

Nachdem Krumscheid der französischen Besatzungszone zugeschlagen worden war, hinterließen die abziehenden Amerikaner allerlei Material, unter anderem ein Fass mit Schmierfett. Den französischen Besatzern fiel auf, dass sich Landwirte des Dorfes etwas von dem augenscheinlich herrenlosen Fassinhalt genommen hatten. Und da das Fass auf einer Wiese der Balensiefens stand, gab es prompt ein Verfahren gegen Johann Balensiefen wegen Diebstahls von Kriegsmaterial. In dieser heiklen Situation überreichte er dem französischen Richter den Brief von Aimé Portal, den er glücklicherweise kurz zuvor erhalten hatte. Nach kurzer Beratung durch das Gericht wurde Johann Balensiefen vom Richter nach Hause geschickt.

Eine Flasche aus dem Weingut des französischen Kriegsgefangenen Aimé Portal mit der Asbacher Friedenseiche auf dem Etikett.
Michael Möhlenhof

Nach dem Krieg beschränkte sich der Kontakt zwischen den Familien Portal und Balensiefen wegen der räumlichen Entfernung auf einige Briefwechsel bis in die 1960er-Jahre. Erst durch die neuen Möglichkeiten des Internets und eine Verkettung glücklicher Zufälle stehen die beiden Familien seit 2009 wieder in Kontakt.

Aimés Enkel, Gabriel Portal, nahm die Werte seines Großvaters – Menschlichkeit, Frieden und Versöhnung – in sein Handwerk als Winzer auf. Er ehrt die Geschichte seines Großvaters, indem er unter dem Label „Le Clos d’Aimé“ Weine produziert, deren Etiketten die Asbacher Friedenseiche zeigen. Seit 2017 wächst sogar ein Sämling der Westerwälder Eiche auf französischem Boden, unweit der Weinfelder der Familie Portal. Die Friedenseiche, heute ein imposanter Baum mit großer Krone, steht sinnbildlich für Frieden und Versöhnung – und verbindet die Menschen beider Nationen durch ihre bewegende Geschichte.

Weitere Details gibt es auf der Internetseite von Stephan Baum, einem Enkel von Johann Balensiefen, unter https://www.spacetaxi.de/eiche

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