Im Jahr 2003 haben die damalige Marienhaus GmbH (heute Marienhaus-Gruppe), die bis heute zu den größten christlichen Trägern sozialer Einrichtungen in Deutschland zählt, und die Waldbreitbacher Franziskanerinnen die Waldbreitbacher Hospiz-Stiftung gegründet. Mit der Stiftung sollen die Hospizarbeit sowie das Engagement in der Versorgung von Palliativpatienten und in der Trauerarbeit langfristig gesichert werden. Sie finanziert sich durch Spenden, Zustiftungen und Trägerzuschüsse. Fast 5,8 Millionen Euro konnten laut dem zuletzt veröffentlichten Jahresbericht der Stiftung (2022/23) seit der Gründung insgesamt gesammelt werden. Das Geld kommt entsprechenden Einrichtungen in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen zugute. Die Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung war von 2012 bis 2024 die damalige Generaloberin der Waldbreitbacher Franziskanerinnen, Schwester Edith-Maria Magar (69 Jahre). Vom Vorstand der Hospiz-Stiftung wurde sie kürzlich offiziell verabschiedet. Im Interview mit unserer Zeitung spricht sie über die Bedeutung der Hospizarbeit, den verstorbenen Papst Franziskus und die Rolle der Frauen in der Katholischen Kirche.
Schwester Edith-Maria Magar, Sie standen bis zum vergangenen Jahr sowohl bei den Waldbreitbacher Franziskanerinnen als auch im Kuratorium der Waldbreitbacher Hospiz-Stiftung an der Spitze. Nach zwölf Jahren war nun Schluss. Schwester M. Michaele Rohde ist Ihre Nachfolgerin. Was macht das mit Ihnen?
Die Amtszeiten in Ordensgemeinschaften sind zeitlich befristet. Das Amt der Generaloberin ist mit dem Vorsitz der Hospiz-Stiftung gekoppelt. Damit endet jedoch nicht mein inneres Engagement in der Hospizarbeit. Ich weiß die Hospiz-Stiftung bei meiner Nachfolgerin Schwester M. Michaele Rohde in besten Händen. Ich habe es sehr gerne gemacht, auch weil das Leben in einer Phase des Abschieds ein wichtiges Thema unserer Ordensgründerin Mutter Rosa war. Unser Leben ist zeitlich begrenzt.
Ich war ja auch mal diplomierte Krankenschwester und habe Erfahrungen mit sterbenden Patienten und unheilbar kranken Menschen aus nächster Nähe gesammelt. Es sind sehr berührende Begegnungen. Ich merke das auch beim Abschied von Mitschwestern. Das ist schmerzlich, aber das ist auch die Wirklichkeit. Als gläubige Christin setze ich auch darauf, dass wir in Jesus Christus erlöst sind und auferstehen. Daher lohnt es sich, Menschen beizustehen. Gerade in der Palliativ- und Hospizarbeit erleben wir so viel Lebensfreude durch die Räume, die geschaffen werden. Da es hier um die existenziellen Seinsweisen des Menschen geht. Viele erwarten das gar nicht, weil der Tod tabuisiert wird und Angst besetzt ist. Ich habe viele Begleitungen in stationären oder in ambulanten Hospizen erlebt, wo ein sehr offenes Gespräch möglich ist und Menschen an das Wesentliche ihrer Existenz kommen. Sie leben jeden Tag ganz bewusst durch die Atmosphäre, die in den Hospizen geschaffen wird. Dort gibt es andere Zeitkontingente als in einem Krankenhausbetrieb. Man spricht hier auch von der „Ars vivendi – ars moriendi“, also der Kunst zu leben und zu sterben. Abschiedliches Leben wird bewusst gestaltet, um ihm auch den Schrecken zu nehmen. Das Ganze wird gepaart mit der professionellen medizinisch-pflegerischen und seelsorglichen Begleitung des Menschen – schmerzarm und Symptom kontrolliert –, um das Leben auch qualitativ zu einem guten Ende zu bringen.
Was machen Sie nach dem Ende Ihrer beiden Ämter?
Ich bin noch stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der gesamten Marienhaus-Stiftung. Dort beschäftigen wir uns auf einer normativen Ebene beispielsweise mit dem assistierten Suizid. Hier haben wir Handlungsanweisungen herausgearbeitet, die zum einen die Not und die Angst von Menschen wahrnehmen und zum anderen unsere Mitarbeiter schützen, die nicht verpflichtet werden dürfen, hier aktiv einzugreifen oder mitzuhelfen. Weiterhin bin ich Präsidentin der franziskanischen Frauen- und Männerorden im deutschsprachigen Raum. Das sind acht Männerorden und 42 Frauengemeinschaften aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien und Luxemburg. Dort haben wir einen organisatorischen Veränderungsprozess eingeleitet. Zusätzlich engagiere ich mich in der Begleitung anderer Ordensgemeinschaften. In der Marienhaus-Gruppe arbeite ich auch im Führungskräfte-Entwicklungsprogramm als Referentin mit, um die Werte des Unternehmens an die Führungskräfte zu vermitteln. Außerdem bleibe ich ja Franziskanerin und bin Oberin einer kleinen Schwesterngruppe seit März. Mein Alltag ist also gut gefüllt.
Sie setzen sich für eine neue Rolle der Frau in der katholischen Kirche ein. Sie haben sich für die Öffnung des Diakonats für Frauen ausgesprochen.
Die Weihe von Frauen zur Diakonin in der Katholischen Kirche ist mir – wie vielen anderen Frauen auch – ein ganz großes Anliegen, weil wir Frauen von Gott in gleicher Würde geschaffen sind. Maria von Magdala ist die erste Verkünderin der Botschaft des Auferstandenen. Ich hoffe natürlich, dass der Nachfolger von Papst Franziskus dieses Thema ernst nimmt und aufgreift. Die Tür ist zumindest nicht zu. Es gibt Männer, darunter auch Bischöfe, die an unserer Seite stehen und sich solidarisch zeigen. Wir hoffen auf einen Papst, der die Lebenswirklichkeit der Menschen, die diese Kirche bilden, ernst nimmt. Wenn das nicht geschehen sollte, befürchte ich den Auszug der Frauen, was diese verfasste Kirche dann selbst verschuldet hätte. Als ich Generaloberin war, haben wir in einer Audienz im Jahr 2016 Papst Franziskus dringend gebeten, sich dieses Themas anzunehmen. Es gab dann 2019 eine weitere Versammlung der Generaloberinnen, bei der das Thema wieder vorgetragen wurde. Ich hatte jetzt die große Hoffnung, dass bei der Weltsynode zumindest die Weihe zur Diakonin gestattet werden würde, was leider nicht geschehen ist. Wir bleiben aber am Ball, um uns mit den Frauen, die sich zum Diakonat und zum Priestertum berufen fühlen, solidarisch zu zeigen. Ich selbst habe diese Art der Berufung nie erfahren, ich lebe meine Berufung als Ordensfrau. Ich weiß jedoch, dass viele Frauen sich zum priesterlichen Dienst berufen fühlen.
Wie haben Sie die Amtszeit des am Ostermontag verstorbenen Papst Franziskus erlebt?
Es hat mich damals sehr gefreut, als Papst Franziskus am 150. Jubiläumstag unserer Ordensgemeinschaft, am 13. März 2013, gewählt wurde und er diesen Namen gewählt hat. Das war für uns Franziskanerinnen ein besonderes Geschenk. Der Name ist für ihn zum Programm geworden. Er war an der Seite der Armen. Bei seinem Einsatz hat er die Konfrontation nicht gescheut. Seine Reisen nach Lampedusa oder an die Grenze zwischen den USA und Mexiko waren starke Zeichen. Nach den Vorgängerpontifikaten war es sehr schwer für ihn, die Kurie in Rom so zu verändern, dass Türen geöffnet werden können. Ich glaube, dass er persönlich mehr wollte, aber an Grenzen gestoßen ist. Es war erschütternd, am Karfreitag zu sehen, welche Sehnsucht dieser Mann nach Gemeinschaft hatte. Mit letzter Kraft wollte er den Ostersegen spenden. Da kann ich nur großen Respekt zollen. Dieses Pontifikat hat auch eine prophetische Dimension gezeigt: nämlich die Stimme zu erheben. Hinter manchen Erwartungen ist er auch zurückgeblieben. Bei der Rolle der Frauen hätte ich mir mehr gewünscht.
Ist für Sie abzusehen, wer die Lücke als Papst schließen wird – ein Reformer oder ein konservativer Geist?
Klar ist, der Nachfolger übernimmt ein Amt, das nicht vergnügungssteuerpflichtig ist. Ich hoffe, dass er die geöffnete Tür nicht schließt, sondern weiter öffnet.
Was halten Sie von der Forderung der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), dass sich die Kirchen weniger in tagesaktuelle politische Themen einmischen sollten?
Wenn die Kirche nicht in Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ihre Stimme erhebt, dann verfehlt sie ihre Mission. Wenn Sie in das Leben Jesu schauen, werden Sie sehen, dass er auch nicht die Auseinandersetzung gescheut hat. Er hat auch provoziert. Natürlich stört es Politiker, wenn die Kirche den Finger in die Wunde legt. Es geht aber nicht darum, irgendwelchen Politikern stromlinienförmig nach dem Mund zu reden, sondern in einem konstruktiven Sinne zu mahnen. So habe ich es beispielsweise bei der Diskussion um die Migrationspolitik erlebt, als Friedrich Merz für einen Antrag der Union im Bundestag nur mittels AfD-Stimmen eine Mehrheit zusammenbekam. Da hat sich die Kirche klar positioniert, was wichtig war. Daher teile ich nicht, was Frau Klöckner meint, aber sie hat inzwischen zahlreiche Reaktionen erfahren und weiß sicher, damit umzugehen.

Welche Bedeutung hat die Katholische Kirche noch im Kreis Neuwied?
Ich erlebe vor Ort, dass viel Gutes geschieht – für Menschen am Rande der Gesellschaft, die durch das soziale Netz gefallen sind. Es geschieht sehr viel im Ehrenamt. Man darf sich nichts vormachen: Die Volkskirche ist zu Ende. In den Orden erleben wir das ja schon länger. Wir haben hier bei uns auch Nachwuchsmangel. Wir arbeiten inzwischen mit Frauen als Oberin, die nicht Mitglied der Gemeinschaft, sondern verheiratet sind. Wir haben hier sehr gute Möglichkeiten gefunden, dass das Ordensleben auf diese Weise weitergeführt werden kann, was eine Bereicherung ist. Vielleicht ist die Situation einer dramatischen Austrittswelle beider Kirchen Anlass, nicht in eine Schockstarre zu verfallen, sondern sich die Frage zu stellen: „Was heißt das für uns?“ Durch die Verbrechen des Missbrauchs hat die Kirche viel selbst verschuldet, doch es wird auch überschattet, was an Gutem passiert. Dass die Kirche ärmer wird und nicht mehr die Kontexte definiert, sondern sich in den Kontexten definieren muss, halte ich nicht für dramatisch, sondern für eine Chance.
Um den Fachkräftemangel zu beseitigen, werden auch in Kirchen an Rhein und Wied demnächst häufiger Priester von anderen Kontinenten die Messe halten?
Es gibt hier eine gewisse Parallelität, was auch in der Gesellschaft notwendig ist. Es ist auch für die Kirche eine Herausforderung. Priester aus Afrika oder Indien haben eine ganz andere Sozialisation und Soziokultur. Akzeptanz gelingt nur im gemeinsamen Dialog. Wir haben gerade in unseren Ausbildungsstufen Frauen aus dem Benin, die eine gute Entwicklung nehmen. Ob der Einsatz ausländischer Priester ein Allheilmittel für die liturgischen Vollzüge in der Kirche ist, weiß ich nicht. Ich würde da eher auf die Weihe von Frauen setzen.
Wie ist es um die Waldbreitbacher Franziskanerinnen bestellt?
Die herkömmliche Gestalt des Ordenslebens in Europa geht zu Ende. Alle Ordensgemeinschaften leiden unter Überalterung. In den 1950er-Jahren gab es noch 100.000 Ordensfrauen in Deutschland, heute sind es noch 13.000. Als ich mich vor 50 Jahren hier vorgestellt habe, waren es noch mehr als 1000 Franziskanerinnen, heute sind es etwa 115. Es ist ein Abschiednehmen, was natürlich wehtut, aber das Reich Gottes geht ja nicht zu Ende.
Was den gesamten Kreis Neuwied in den vergangenen Monaten in Atem gehalten hat, waren die erneute Insolvenz des DRK-Krankenhauses in Neuwied und die Übernahme durch die Marienhaus-Gruppe. Rund 75 Prozent der DRK-Mitarbeiter wurden übernommen.
Ich verstehe den Verlustschmerz der DRK-Mitarbeiter. Es gab aber immerhin für die meisten die Möglichkeit, dass man in Neuwied seinen Arbeitsplatz behält. Wir haben trägerseits wunderbare Fachkräfte hinzugewonnen. Es braucht nun Zeit, dass man sich kennenlernt und Vertrauen aufgebaut werden kann. Im Management beider Häuser ist eine hervorragende Arbeit geleistet worden, dass man das vertraglich so rasch organisiert hat. Damit hat ein gemeinsamer Versorgungsauftrag begonnen. Ich sehe nun die Chance, dass man gebündelte Versorgungsstrukturen organisieren kann. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Menschen vor Ort die Herausforderungen, die sich aus der Übernahme ergeben, gemeinsam gut gestalten werden.
Das Gespräch führte Daniel Dresen

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