Nach Kündigungen in Neuwied
Vorwurf aus DRK-Klinik: Etliche Existenzen vernichtet
Aus der Belegschaft des DRK-Krankenhauses Neuwied kommt Kritik am Umgang mit den Mitarbeitern im Rahmen der Übernahme durch die Marienhaus-Gruppe.
Jörg Niebergall

Viel haben wir über die Insolvenz des DRK-Krankenhauses Neuwied und die Übernahme durch die Marienhaus-Gruppe berichtet - doch wenig war bisher von den Mitarbeitern zu hören. Nun äußerte sich jemand aus der Belegschaft gegenüber unserer Zeitung.

„Es ist eine Vernichtung von etlichen Existenzen“, macht jemand aus der Belegschaft des DRK-Krankenhauses in Neuwied deutlich. Nach der Insolvenz wurde das Haus Anfang März von der Marienhaus-Gruppe gekauft, die auch das Klinikum St. Elisabeth in der Deichstadt betreibt. Völlige Intransparenz wirft die Person den Verantwortlichen aus dem Büro des Insolvenzverwalters und der Marienhaus-Gruppe vor: „Kommunikation findet quasi nicht statt.“ Nach außen solle ein positives Bild gewahrt werden, vieles sei versprochen worden. Doch hinter den Kulissen sehe so manches anders aus.

Unsere Gesprächsperson möchte zum eigenen und zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen anonym bleiben. Dass einigen Mitarbeitenden, wie etwa aus der Küche – die es, wie uns der kaufmännische Direktor des Marienhaus-Klinikums Neuwied, Günter Iking, bestätigte, nur noch im Haus St. Elisabeth geben soll – und nahezu allen Chefärzten aus dem DRK-Krankenhaus gekündigt wurde, weiß auch sie. Bei Letzteren habe es ein gemeinsames Gespräch aller ärztlichen Leitungen mit den Insolvenzverantwortlichen gegeben, bei denen mündliche Kündigungen ausgesprochen worden seien – eine Information, die sich mit der unseren deckt. Der Betrieb im Krankenhaus solle bis Ende März unverändert aufrechterhalten werden; ab 1. April seien die Mediziner dann freigestellt, bestätigt sie das, was unsere Zeitung vorher aus anderen Quellen erfahren hatte.

Offene Kommunikation oder Intransparenz?

Denn mit der Herausgabe dieser Tatsache hatten sich die Pressesprecher der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz und der Marienhaus-Gruppe schwergetan. Dass allen Chefärzte gekündigt worden sei, sei falsch, hatten sie zunächst geantwortet. Denn die Leiter der Geriatrie und der Pathologie sollen bleiben. Dass in einem Gespräch allen anderen Chefärzten die Aufkündigung ihres Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt worden war, fiel zunächst unter den Tisch. Erst spät gab die Sprecherin der DRK-Krankenhausgesellschaft zu, dass unsere Informationen richtig seien.

Mit Blick auf die Mitarbeiterversammlung hatte der Sprecher der Marienhaus-Gruppe betont, „dass es ein offener Dialog mit größtmöglicher Transparenz von unserer Seite war. Wir haben uns bewusst zwei Stunden Zeit genommen und alle Fragen beantwortet“. Natürlich hätten individuelle personenbezogene Fragen nicht beantwortet werden können, so Dietmar Bochert. Denn im Rahmen des medizinischen Konzepts, dass der Käufer des insolventen DRK-Krankenhauses für die Übernahme entwickelt und dem Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellt hatte, seien Positionen – keine Personen – vermerkt.

Erst Beifall – und im Anschluss Tränen

„Wir sind auch sehr bewusst mit vielen Kollegen und Kolleginnen vor Ort gewesen, um alle Fragen gewissenhaft beantworten zu können. So waren neben unserem CEO, unser Geschäftsführer Kliniken GmbH, das gesamte Direktorium des Neuwieder Krankenhauses – mit kaufmännischem Direktor, Pflegedirektorin, ärztlichem Direktor, Oberin – unsere Juristin, unsere Personalleiterin, unser Leiter Medizinkonzepte und ich vor Ort“, schrieb der Sprecher. Sie hätten Verantwortung für dann 14.000 Mitarbeiter. „Wir müssen sehen, dass das funktioniert“, nimmt er die wirtschaftliche Perspektive ein. Es habe im Raum weder Tränen noch Empörung, sondern abschließend Beifall gegeben, so der Pressesprecher weiter.

Das sah direkt danach zum Teil etwas anders aus. Mitarbeitende hatten Tränen in den Augen oder weinten, als sie am Freitag nach der Mitarbeiterversammlung das Gebäude verließen. Im Einzelgespräch mit unserer Zeitung wurde deutlich, dass nicht alle die Information so positiv aufgenommen hatten, wie die Verantwortlichen es einschätzten. Das bestätigt auch unsere Quelle im Nachgang.

„Mit Ende 50, Anfang 60 findet man nicht so leicht einen neuen Job.“
Jemand aus der Belegschaft des DRK-Krankenhauses

Die Marienhaus-Gruppe spreche davon, 75 Prozent der Beschäftigten zu übernehmen. 25 Prozent der Mitarbeiter, die hier beschäftigt sind, müssten also gehen, sagt unsere Quelle. Auch der Zeitpunkt – drei Wochen und weniger vor dem 1. April – sei sehr kurz gesetzt; so sollte der laufende Betrieb nicht gestört und der Flurschaden in Grenzen gehalten werden, vermutet unsere Ansprechperson. Doch die Gekündigten und noch zu Kündigenden seien Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in der Region hätten, macht sie deutlich: „Das sind alles Einzelschicksale!“ Und auch wenn in der Pflege Fachkräftemangel herrsche, sei es – nicht zuletzt aufgrund der vielen Insolvenzen und noch zu erwartenden Schließungen von Krankenhäusern – nicht leicht, wohnortnah einen neuen Job zu bekommen.

Das gelte auch für die Mitarbeitenden, die nicht in der Pflege beschäftigt sind, für die ärztlichen Leitungspositionen oder die älteren Mitarbeiter. „Mit Ende 50, Anfang 60 findet man nicht so leicht einen neuen Job“, macht unsere Quelle deutlich. Für psychisch sehr belastend hält sie auch die Erwartung an die Mitarbeitenden, bis Ende März so weiterzumachen wie bisher, mit dem Wissen, ab 1. April nicht mehr gebraucht zu werden. Das hält sie besonders in sensiblen Bereichen – wie etwa bei Operationen – für sehr viel verlangt, sagt sie.

Enttäuscht sei sie, weil sich die Marienhaus-Gruppe, deren Wurzeln in der Ordensgemeinschaft der Waldbreitbacher Franziskanerinnen liegen, als Träger christliche Werte auf die Fahnen geschrieben habe, schließt unsere Ansprechperson. Dass die Insolvenz des DRK-Krankenhauses ihre Ursache in schlechten Strukturen gehabt habe, wolle sie nicht bestreiten. Doch die Art und Weise, in der nun mit ihnen umgegangen werde, sei sehr enttäuschend, denn viele hätten Jahre und Jahrzehnte mit Herzblut hier gearbeitet, zum Teil auch Dinge aufgebaut. „Keine Information, keine Erklärung, keine Entschuldigung“: So fasst unsere Quelle die bisherige Kommunikation durch Insolvenzverwaltung und neuen Käufer zusammen.

Gesamtbetriebsrat tagt kommende Woche

Bei Kündigungen von Mitarbeitern im DRK-Krankenhaus müsse der Gesamtbetriebsrat schon rein rechtlich angehört werden, bevor sie Gültigkeit hätten, hatte dessen Vorsitzender im DRK-Krankenhaus direkt nach der Mitarbeiterversammlung erklärt. Seither hat unsere Zeitung vergeblich versucht, eine Einschätzung des Betriebsrats des DRK-Krankenhauses zur Situation im Haus zu bekommen. Voraussichtlich am 17. März soll es eine Zusammenkunft mit dem Gesamtbetriebsrat geben, bei der konkret über Stellenabbau und Kündigungen gesprochen werden soll. In deren Anschluss solle es verbindliche Auskünfte geben, hatte der Vorsitzende der Arbeitnehmervertretung angekündigt.

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