Klassik statt Glaskasten
Verein will Neuwieder Bahnhof wie vor 100 Jahren
Der Neuwieder Bahnhof um das Jahr 1900: Der Verein Stadtbild Deutschland fordert, dass sich Bahn und Stadt bei der Planung des neuen Bahnhofsgebäudes an dem Bau aus der Gründerzeit orientiert.
Stadtarchiv Neuwied

Dass das geschlossene Bahnhofsgebäude abgerissen werden muss, ist ein Ärgernis für viele Neuwieder. Der Verein Stadtbild Deutschland sieht darin eine Chance. Mit Inspiration aus dem 19. Jahrhundert soll der Bahnhof alte Strahlkraft bekommen.

Strahlkraft, Würde und Respekt vor dem baulichen Erbe – das fordert der Regionalverband Unteres Mittelrheintal des Vereins Stadtbild Deutschland bei der Planung zukünftigen Neuwieder Bahnhofsgebäude. Mit dem bevorstehenden Abriss des Neuwieder Bahnhofs biete sich die historische Gelegenheit, diesen städtebaulich und architektonisch bedeutenden Ort in angemessener Weise neu zu gestalten, heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation.

Der Verein will, dass nach dem Abriss der baufälligen Bahnhofshalle dort ein Gebäude in einem klassisch-modernen Stil errichtet wird, inspiriert vom ursprünglichen Empfangsgebäude von 1869. Der Bahnhof dürfe kein beliebiger Zweckbau werden, sondern müsse als Tor zur Stadt gesehen werden.

„Heute wird nach Planschema F gebaut und dann nach 30 Jahren alles wieder abgerissen.“
Thomas Napp, Leiter des Regionalverbands Unteres Mittelrheintal von Stadtbild Deutschland

„Keine riesigen Glasflächen, kein Flachdach und kein Betonklotz“, betont Thomas Napp, Leiter des Regionalverbands. Mit einer Rückbesinnung auf Stil und Ästhetik der Vergangenheit würde man sich an Grundbedürfnissen der Menschen orientieren. Dazu sollen etwa Naturmaterialien und Erdfarben genutzt werden sowie Kunst- und Schmuckelementen, die „Struktur fürs Auge schaffen“. 

„Wir wollen nicht den Historismus wiederbeleben“, sagt Napp klar. Weder wünsche sich der Verein das Kaiserreich zurück, noch lehne man Beton und andere moderne Baumaterialien ab. Dabei geht es auch um Nachhaltigkeit. „Heute wird nach Planschema F gebaut und dann nach 30 Jahren alles wieder abgerissen“, kritisiert er.

Eine Aufwertung des Stadtbilds

Zwei Gründe sprechen aus Sicht des Vereins im Besonderen dafür, sich an dem historischen Bahnhof von 1869 zu orientieren: die bestehende Bebauung und die denkmalrechtliche Verantwortung. Die Bahnhofshalle würde sich so in die von historistischen und gründerzeitlichen Häusern geprägte Umgebung einfügen.

Ein zeitgenössischer Funktionsbau hingegen würde das städtebauliche Gesamtbild stören und entwerten, warnt der Verein. „Ein Neubau im Geiste des 19. Jahrhunderts – mit klaren, klassischen Formen, hochwertigen Materialien und gestalterischer Sorgfalt – würde hingegen das architektonische Ensemble stärken und aufwerten.“

Auch sieht der Verein die Bahn und die Stadt Neuwied dazu in der Pflicht. Schließlich befinden sich am Bahnhofsvorplatz und in der Umgebung mehrere denkmalgeschützte Gebäude und eine Denkmalzone. Neue Bauten müssten sich harmonisch und respektvoll in das bestehende bauliche Erbe einfügen. Ein klassisch-moderner Neubau, der sich am historischen Vorbild orientiert, erfülle diese Anforderungen ideal.

Finanziell sieht Napp keine Hindernisse, den Bahnhof so zu gestalten. Auf das Aussehen eines Baus entfielen maximal 1 Prozent der Kosten. Der Großteil fließe in Struktur und Technik. „Wenn Sie ein Haus streichen, kostet weiße Farbe auch nicht mehr als graue. Aber es hat einen anderen Effekt“, sagt er überspitzt. „Wir appellieren daher an die Stadtverwaltung Neuwied, die Bahn und alle planenden Stellen, diese Chance nicht ungenutzt zu lassen.“

Der Verein Stadtbild Deutschland

Der Verein Stadtbild Deutschland engagiert sich bundesweit für Baukultur und nachhaltiges Bauen. Zu seinen Zielen gehören der städtebauliche Denkmalschutz, die Bewahrung klassischer und moderner traditioneller Architektur sowie der Wiederaufbau zerstörter Bauwerke mit hohem Einzel- oder Ensemblewert. Unter dem Dach des Vereins arbeiten 22 weitgehend eigenständige Orts- und Regionalverbände. Der Regionalverband Unteres Mittelrheintal wurde 2024 in Linz gegründet und ist zwischen Koblenz und Bonn aktiv ist.

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