Rundgang mit Pro Bahn
Verbandschef: Bahn hat Bahnhof Neuwied vernachlässigt 
Noah Wand, Landesvorsitzender vom Fahrgastverband Pro Bahn Rheinland-Pfalz/Saarland, hat sich ein Bild vom Neuwieder Bahnhof gemacht. Mit den Problemen ist Neuwied kein Einzelfall.
Justin Buchinger

Unter der Sperrung des Neuwieder Bahnhofsgebäudes leiden vor allem die Fahrgäste. Gemeinsam mit unserer Zeitung hat sich Noah Wand vom Fahrgastverband Pro Bahn ein Bild vom Bahnhof gemacht.

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Risse im Bahnhofsgebäude, schlechte Wegführung zu den Gleisen und Uringeruch aus der Unterführung: „Das hat Hinterhof-Ausstrahlung“, fasst Noah Wand seine ersten Eindrücke vom Neuwieder Bahnhof zusammen. Der Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn Rheinland-Pfalz-Saar kritisiert deutlich: Die Bahn habe den Bahnhof verkommen lassen.

Zumindest seien die Bahnsteige auf der richtigen Höhe, stellt Wand fest. Und auch die Überdachung am ersten Gleis sei ausreichend. „Der Anspruch ist, dass man vom Bahnhofsbau bis zum Zug trockenen Fußes kommt.“ Beim teilweise überdachten Mittelgleis sei das schon grenzwertig. Die Barrierefreiheit sei zwar durch eine Rampe zu den Gleisen und Aufzügen gegeben. Doch eine Alternative wäre gut, sollten die vorhandenen Aufgänge Defekte haben.

Bahnhofstoiletten teils defekt 

Die Möglichkeiten, Fahrräder am Bahnhof abzustellen, seien dürftig, die Parkplatzsituation sei okay. Den zentralen Busbahnhof (Zob) hebt er besonders hervor. Sehr ansprechend, sauber und barrierefrei, gebe es damit eigentlich eine gute Basis für intermodalen Verkehr. Es fehle jedoch an klarer Wegführung.

Ein deutlicher Makel sind jedoch die Toiletten, auf der Rückseite des Kiosks Gisela am Busbahnhof. „So stellt man sich eine Bahnhofstoilette vor.“ Ein „Defekt“ Schild über der Herrentoilette, beschriebene und beklebte Wände und Uringeruch. Dazu kommt, dass die Toiletten zwar vom Zob, aber nicht von den Gleisen ausgeschildert sind.

Ein Bahnhof im unteren Mittelfeld

Fehlende oder defekte Toiletten seien nicht nur für die Sauberkeit am Bahnhof ein Problem, erklärt Verbandsvorsitzende. Je weniger Bahnhofstoiletten es gibt, desto mehr werden die Zugtoiletten benutzt. Deren Tanks sind irgendwann voll und müssen geschlossen werden. „Am Ende schießt sich die Bahn damit selbst in den Fuß.“

Insgesamt liegt der Neuwieder Bahnhof nach Wands Einschätzung im unteren Mittelfeld. Doch dass es einem Verkehrsknotenpunkt wie Neuwied keine Aufenthaltsmöglichkeiten, kein Service-Center und keine Toiletten gibt, sei seiner Größe und Bedeutung nicht angemessen. In der Planung für ein neues Bahnhofsgebäude sollten Geschäfte Platz finden. Diese würden zusätzliche Verweilmöglichkeiten schaffen und auch die Sicherheit am Bahnhof verbessern.

„Die Bahn sitzt ja auch in dem Gebäude. Man sieht die Risse im Gebäude. Das hätte auffallen müssen.“
Noah Wand, Landesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn Rheinland-Pfalz/Saarland

Es sei verständlich, dass das Neuwieder Bahnhofsgebäude im vergangenen Jahr geschlossen werden musste, nachdem bekannt wurde, dass die Halle baufällig ist. Aber man hätte die Probleme früher erkennen können. „Die Bahn sitzt ja auch in dem Gebäude. Man sieht die Risse im Gebäude. Das hätte auffallen müssen.“ Damit sei Neuwied kein Einzelfall. Oft passiere nichts an den bahneigenen Gebäuden, wenn das Unternehmen nicht aus Gründen wie Denkmalschutz dazu gezwungen sei

Aber noch mehr sei es ein Problem in der Fahrgastinformation gewesen. Idealerweise wäre die Bahn nach der Sperrung sofort mit der Stadt und dem Zweckverband Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord (SPNV-Nord) in Kontakt getreten und hätte dann gemeinsam informiert. Doch auch jetzt gebe es Möglichkeiten, die Situation zu verbessern: etwa eine deutliche und einheitliche Wegführung von und hin zu den Gleisen sowie eine klare Beschilderung und digitale Infotafeln mit Zugverbindungen an der Außenseite des Bahnhofs.

Der Neuwieder Bahnhof ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Auch Noah Wand ist mit dem Zug angereist. Einfache Maßnahmen, wie eine bessere Wegführung könnten das Reisen für Fahrgäste angenehmer machen.
Justin Buchinger

Auch einfache Mittel, wie ein Aufsteller einige Meter vor dem Bahnhof, statt Zettel in den Glastüren, wären eine deutliche Verbesserung. Gerade für ältere Fahrgäste, damit diese nicht erst die Treppe hochsteigen, um dann vor der verschlossenen Türen zu stehen. Diese Maßnahmen seien auch weiterhin sinnvoll. Jetzt gelte es vor allem, mit klarer Beschilderung und Hilfen wie markierten Fußabdrücken den Weg zum neuen Fahrgastzentrum zu weisen, das gegenüber dem Bahnhof in einem Ladenlokal entsteht.

Dass die Bahn den Erhalt der Gebäude und damit die Kundenfreundlichkeit vernachlässige, habe zum einen finanzielle Gründe. Das Unternehmen sei teils eng gestrickt, aber auch die Unternehmensstruktur spiele eine Rolle. So wäre die für den Betrieb der Bahnhöfe zuständige DB Infrago, eher bereit, Verluste beim Fahrkartenverkauf in Kauf zu nehmen, die vor allem Schwesterunternehmen wie die DB Regio beträfen, ist Wand überzeugt.

Ein weiterer Grund für die langsame Reaktion der Bahn könne sein, dass die Fahrgastzentren in der Region nun nicht mehr durch die Bahntochter DB Vertrieb, sondern durch das Unternehmen Transdev betrieben werden, vermutet der Pro-Bahn Vorsitzende. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Bahn dann keine Ressource mehr reinstecken wollte. Ab dem Moment, an dem man weiß, dass man die Ausschreibung verloren, ist auch die Motivation raus.“

Allgemein diagnostiziert der Verbandschef der Bahn Kommunikationsprobleme. Nicht nur gegenüber den Fahrgästen, sondern auch mit der lokalen Politik kommuniziere die Bahn eher ungern. „Sobald man die Kommune mit einbringt, wird, dauert es aus Sicht der Bahn länger. Mehr Leute wollen mitreden.“ Aber auch die Kommunikation zwischen und auch innerhalb der Bahnunternehmen sei ein Problem.

„Der Neuwieder Bahnhof interessiert die Zentrale der DB Infrago in Frankfurt überhaupt nicht.“
Noah Wand, Landesvorsitzender des Fahrgastverband Pro Bahn Rheinland-Pfalz/Saarland

Dass Information zu Schließungen von Bahnhöfen oder Reisezentren, aber etwa über die DB-Navigator-App verbreitet werden, sei kaum möglich, sagt Wand. Die Weitergabe der Informationen scheitere nicht nur zwischen den Bahnunternehmen, sondern schon an der nächsten Hierarchieebene. „Die Bahn hat ein Bottom-up-Problem“, erklärt er. „Der Neuwieder Bahnhof interessiert die Zentrale der DB Infrago in Frankfurt überhaupt nicht.“

Damit etwas vorangeht, müsse Neuwied selbst aktiv bleiben. Wenn Kommunen geschlossen hinter einem Anliegen stünden und dranblieben, könne man auch bei der Bahn etwas bewegen. „Meine Befürchtung ist, dass jetzt die nächsten anderthalb Jahre nichts passiert. Dass die Bahn das Gebäude dem Verfall überlässt, und nur ab und zu jemand vorbeikommt, der das Flatterband austauscht.“

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