Marcel Böhm ist unzufrieden. Das Mitglied des Regionalbeirats der Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz sieht generell einen großen Bedarf an Gewerbeflächen im Kreis. Exemplarisch bemängelt er, dass es in Großmaischeid bei diesem Thema nicht vorangeht. „Gewerbegebietserweiterungen kursieren schon lange in Großmaischeid, sie sind schon lange in der Planung“, betont Böhm. Die vergangenen zwei Wahlperioden habe die Gewerbegebietserweiterung bei jeder Partei auf dem Flyer gestanden. In dem Kontext kritisiert er, dass der Ortsbürgermeister und der Gemeinderat untätig gewesen seien. Nach einer IHK-Umfrage, so Böhm, spielen aktuell mehr als ein Drittel aller gefragten Unternehmen mit dem Gedanken, aus dem Landkreis Neuwied abzuwandern, sofern die „Gewerbeflächen nicht da sind“.
„Das ist natürlich sehr schade“, sagt Böhm. Der kaufmännische Leiter bei der Firma ESD-Protect in Großmaischeid, die Schutz vor Elektrostatik anbietet, hofft auf einen Wandel. „Es besteht ein hoher Bedarf im mittleren Segment.“ Es gehe vor allem um mittelständische Firmen, beispielsweise Handwerksbetriebe, die gern in Großmaischeid erweitern wollen würden, aber es derzeit nicht können und Alternativen suchen würden. Grundsätzlich sieht er Gewerbegebiete als große Chance für Ortsgemeinden, um durch Gewerbesteuereinnahmen die Ortsentwicklung voranzutreiben. Doch die Erweiterung von Gewerbeflächen hat lang nicht nur positive Seiten, gerade im Hinblick auf die Umwelt.
Konkrete Umsetzung noch wage
Unter anderem aufgrund des Hochwasserschutzes und des Grundwasserspiegels rückt in dem Kontext das Thema Flächenversiegelung immer wieder in den Blickpunkt. Dazu sagt Böhm: „Das Thema Flächenversiegelung darf man nicht außer Acht lassen.“ Wenn man eine Gewerbefläche erweitert, sieht er hier Möglichkeit, etwa auf eine Begrünung zu achten und erneuerbare Energien zur Auflage zu machen. Er möchte unbedingt, dass die Gewerbeflächenerweiterung in Großmaischeid umgesetzt wird, und nimmt die Ortsgemeinde, die die Planungshoheit besitzt, in die Pflicht: „Irgendwann muss man sich entscheiden. Ich kann jetzt nicht jede grüne Wiese, jedes Insekt und jeden Frosch retten und parallel meine Gewerbeeinnahmen steigern.“
Auf Nachfrage unserer Zeitung weist Großmaischeids Ortsbürgermeister Guido Kern die Kritik zurück und sagt zum Thema Gewerbeflächenerweiterung: „Wir haben es immer noch vor.“ Da seien Voruntersuchungen gemacht worden. Zunächst habe sich die Ortsgemeinde aber auf die Wohnbaugebiete konzentriert, jetzt soll wieder intensiv über Gewerbeflächenerweiterung gesprochen werden, vieles ist hier noch offen.
Größe der Erweiterung ist noch ungewiss
Wie groß die Erweiterung beispielsweise ausfallen wird, ist ungewiss. Auf einer potenziellen Fläche stehe etwa ein „schöner Mischwald“. Grundsätzlich soll die Einzelflächen laut Kern später nach Bedarf angeboten werden, es können somit größere und kleinere Flächen sein. Die Erweiterung soll an dem bestehenden Gewerbegebiet Großmaischeids in Richtung Dierdorf erfolgen. Zum zeitlichen Horizont der Gewerbeflächenerweiterung sagt Kern: „In drei Jahren soll es schon mit der Gewerbefläche passiert sein.“
Auch wenn die Ortsgemeinde die Planungshoheit besitzt, ist die Verbandsgemeindeverwaltung Dierdorf bei dem Prozess der Gewerbeflächenerweiterung mit im Boot. Marcel Böhm hat diesbezüglich auch das Gespräch mit Dierdorfs VG-Bürgermeister Manuel Seiler gesucht, um dem Thema mehr Gewicht und Aufmerksamkeit zu verleihen. Grundsätzlich teilt Seiler die Einschätzung von Böhm: „Es werden Gewerbeflächen gebraucht.“
Er berichtet, dass die Verbandsgemeindeverwaltung die Ortsgemeinden Kleinmaischeid, wo auch eine Gewerbeflächenerweiterung erfolgen soll (RZ berichtete) und Großmaischeid bei dem Vorhaben unterstützt. Wenn Interessenten bei der VG-Verwaltung Gewerbeflächenbedarf anmelden, suche die VG laut Seiler den Austausch, um das Thema weiter voranzutreiben.
Gefahr von Hitzeinseln
Wie sich eine Flächenversiegelung grundsätzlich auswirken kann, erläutert Professor Günter Müller-Czygan, der an der Universität Hof in Bayern Institutsleiter am Institut für nachhaltige Wassersysteme ist. „Wir vermeiden, dass Regenwasser in den Untergrund sickern kann bei insgesamt rückgängigen Grundwasserspiegeln.“ Ein weiteres großes Thema ist die Zunahme von Hitze durch Flächenversiegelung: „Je mehr ich versiegele, desto mehr heizt sich der Bereich auf, desto mehr Hitzeinseln produziere ich.“ Wenn Menschen dort arbeiten, müsse gleichzeitig mehr Energie zur Kühlung im Sommer herbeigeführt werden. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse deuten eindeutig darauf hin, dass diese Perioden zunehmen.“
Laut Müller-Czygan sei es sinnvoll, gerade bei Industriegebäuden über Gründächer nachzudenken, die einen Kühleffekt und Wasserspeichereffekt besitzen und eine Art Versiegelungskompensation seien. Darüber hinaus spricht er die Parkplätze an: „Bei den Parkplätzen ist es sinnvoll, nicht alle zu betonieren, sondern versickerungsfähige Materialien einzusetzen. Es gibt spezielle Steine, die wasserdurchlässig sind.“ Außerdem hält er es für wichtig, Straßenseitengräben nicht als Abflussrinne, sondern auch versickerungsfähig zu gestalten.