Hammersteiner Winzer
Trend null Promille: So entsteht alkoholfreier Wein
Winzer Georg Scheidgen macht den Test. Er verkostet etliche alkoholfreie Weine.
Sabine Nitsch

Es gibt einige Verfahren, um Alkohol aus Wein zu entfernen. Welche das sind und welche Schwierigkeiten es dabei gibt, verrät der Hammersteiner Winzer Georg Scheidgen.

Kreis Neuwied. Der Trend geht zu leichten Weinen. Viele Kunden wollen ihn sogar komplett alkoholfrei. Da stellt sich die Frage: Ist Wein ohne Alkohol nicht einfach Traubensaft, oder schmeckt er trotzdem wie Wein? Und wie kriegt man den Alkohol überhaupt aus dem gegorenen Rebensaft? Der Hammersteiner Winzer Georg Scheidgen gibt im Gespräch mit unserer Zeitung Antworten.

Eins wird sehr schnell klar: Alkoholfreie Weine herzustellen, ist kompliziert. Denn auch Wein ohne Prozente startet als ganz normaler Wein mit Alkoholgehalt und entwickelt nur durch die Gärung die typischen Weinaromen. Das Verfahren, dem Wein Alkohol zu entziehen, sei sehr aufwendig: „Dem Grundwein muss bereits zu Alkohol vergärter Zucker wieder entzogen werden. Bisher ging ein Großteil der Aromen im Laufe des Herstellungsprozesses verloren. Aber es wird immer besser“, sagt Scheidgen und öffnet gleich mehrere Flaschen alkoholfreien Wein, von verschiedenen Winzerbetrieben aus dem Rheingau oder der Pfalz, um seine Behauptung zu untermauern.

„Nur das Aromenspektrum und das Mundgefühl hinken noch etwas hinterher.“
Georg Scheidgen, Winzer in Hammerstein

Die alkoholfreien Weine funkeln im Glas. Auch der Geruch ist – zumindest für ungeübte Weingenießer – gleich oder zumindest nah dran am Original. „Nicht ganz“, meint Scheidgen jedoch. Irgendwie fehle ein wenig die o lfaktorische Bandbreite. Aber die Verkostung zeigt auch: Mit Fruchtsaft hat der Alkoholfreie kaum etwas gemein. Man schmeckt den Gärungsprozess, einige Weine kommen süßer daher, andere herber.

Insgesamt zeigt sich, dass der alkoholfreie Wein geschmacklich ganz schön nah am Original ist. „Er ist schon viel besser als noch vor Jahren. Nur das Aromenspektrum und das Mundgefühl hinken noch etwas hinterher“, sagt Scheidgen, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt. Er weiß: Die prozentfreie Weinherstellung ist eine Wissenschaft für sich. „Wir Winzer stehen im Moment noch relativ am Anfang dieser Technik. Wenn wir aber auf die Entwicklung alkoholfreier Biere schauen, die am Anfang nicht so richtig überzeugten, und wie hervorragend die Qualität in den vergangenen Jahren geworden ist, denke ich, dass auch beim Wein noch sehr viel geht. Man darf auch nicht vergessen, dass Alkohol, ebenso wie Fett, ein Geschmacksträger ist“, meint der Experte.

„Es gibt nur sehr wenige Betriebe, die die Entalkoholisierung als Dienstleistung anbieten.“
Georg Scheidgen, Winzer in Hammerstein

Wichtig sei auf jeden Fall die Qualität. „Die Leute müssen von dem Produkt auch nachhaltig wirklich überzeugt sein und ihn nachkaufen wollen, weil er ihnen so gut schmeckt“, betont Scheidgen, der gern neue Wege geht. „Es gibt immer wieder Trends. Wir müssen da flexibel drauf reagieren“, meint der Winzer, dessen Team gerade an einem alkoholfreien Wein arbeitet. Einen Secco ohne Alkohol hat er schon im Angebot.

Zum Team gehören Felix Frorath und Sebastian Hessler, die ein duales Studium für Wein- und Getränketechnik oder Weinbau absolvieren. Sie arbeiten bei dem Hammersteiner Winzer und haben, wie Scheidgen sagt, viele innovative Ideen. „Wir wollen vieles davon umsetzen“, sagt er.

Selbst alkoholfreien Wein herzustellen, kommt für Scheidgen, wie auch für die allermeisten Winzer, derzeit aber noch nicht infrage. „Es gibt nur sehr wenige Betriebe, die die Entalkoholisierung als Dienstleistung anbieten. Ich meine, es sind nur drei Betriebe. Winzer geben ihre Trauben dorthin ab“, sagt er. Denn die Herstellung sei aufwendig. Zunächst durchlaufe der Alkoholfreie den ganz normalen Herstellungsprozess von herkömmlichen Wein. Danach erst wird dem fertigen Wein der Alkohol wieder entzogen.

Das Weingut Scheidgen hat seinen Sitz in Hammerstein.
Sabine Nitsch

Dazu gebe es zwei Hauptmethoden: Destillation und Filtration. Bei der Umkehr-Osmose wird der Wein durch eine teils durchlässige Membran gedrückt, die den Alkohol herausfiltert. Die Vakuum-Methode sei das Verfahren, das den Wein am meisten schone. „Diese Weine kommen ihrem Original recht nahe, weil die Weinaromen zu großen Teilen erhalten bleiben. Der Wein wird in ein Vakuum versetzt. Dadurch reduziert sich die Siedetemperatur des Alkohols auf 27 Grad. Sonst liegt sie bei 78 Grad. Das ist schonender, und der Wein bleibt auch ohne Alkohol aromatischer.“, erläutert Scheidgen.

Außerdem gebe es die Dünnschichtverdampfung, so der Winzer. Dabei wird der Wein auf mindestens 78 Grad erhitzt. Ab dieser Temperatur verdampft der Alkohol. Allerdings gehen dabei viele Aromen verloren, und die Menge des Weins reduziert sich. „Der Geschmack des Weins wird erheblich verändert“, meint Scheidgen, der bei alkoholfreien Weinen, die so gewonnen werden, so etwas wie einen „Kochgeschmack“ herauszuschmecken glaubt. Und: Durch das Entziehen des Alkohols gehen außerdem zwischen 10 und 12f Prozent des Weines verloren. Das und der aufwendige Herstellungsprozess erklärten den höheren Preis, so Scheidgen.

Besonderes Harz nimmt Aromen auf

Ein zentraler Aspekt sei in jedem Fall die Erhaltung der Aromen, betont Scheidgen. Es gebe mittlerweile neue Methoden zur Rückgewinnung von Aromen aus dem Destillat, dem verdampften Alkohol. Seit Kurzem erst gibt es eine neue Technologie, die Aromen aus dem verdampften Alkohol zurückgewinnt.

„Dabei hat das Destillat 30 Stunden lang Kontakt zu einem besonderen Harz aus der Lebensmittelindustrie. Das nimmt die Aromen auf, und die werden über diesen Umweg nach einer weiteren Behandlung in den entalkoholisierten Wein zurückgegeben“, erläutert der Hammersteiner Winzer eine weitere innovative Technik.

In Scheidgens Weinkeller reifen Tausende Liter Wein.
Sabine Nitsch

Die Techniken werden ständig verfeinert und verbessert. Das unterstreicht auch der Deutsche Weinbauverband (DWV). „Es wird derzeit international geforscht, um die Techniken innovativ weiter zu entwickeln. Außerdem darf man entalkoholisierten Weine nicht eins zu eins mit alkoholhaltigen Weinen vergleichen, sondern man sollte sie als zwei sich gut ergänzende Produkte verstehen“, erklärt der DWV.

Alkoholfreier Wein könne grundsätzlich eine gute Alternative für Weintrinker sein, die bei gewissen Gelegenheiten auf Alkohol verzichten möchten, so der DWV. Trotzdem: Auch alkoholfreier Wein ist nicht vollständig ohne Alkohol. Mit einem geringen Alkoholgehalt von 0,4 Prozent müssen Weintrinker also auch hier rechnen.

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