Bonn
Tim Fischer in der Bonner Oper: Die Sehnsucht nach mehr Tiefe war zu groß

Tim Fischer ist am 15. Dezember in der Bonner Oper zu Gast.

Bonn. Die Metamorphose ist fast vollendet. Ja, alte Lieder singt Tim Fischer natürlich immer noch, intoniert weiterhin mit der ihm eigenen Leidenschaft und dem unverwechselbaren Timbre die großen Chansons von Jacques Brel, Edith Piaf, Zarah Leander oder Georg Kreisler - aber mehr und mehr kommen neben den geliebten auch die neuen Lieder zum Tragen. Kompositionen von Sebastian Krämer, Thomas Pigor und Vertretern der sogenannten Celler Schule.

Von unserem Mitarbeiter Thomas Kölsch

„Ich muss zugeben, dass ich eine Zeit lang gezweifelt habe“, gesteht der 43-Jährige und lacht, „aber inzwischen bin ich überaus glücklich und überzeugt, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Schön ist vor allem, dass mein Publikum diesen mit mir gemeinsam geht und mir so wunderbare Rückmeldungen gibt.“

In seinem neuen Programm „Absolut“, mit dem Fischer am Donnerstag, 15. Dezember, auch in der Oper Bonn zu sehen sein wird, lässt der Chansonnier tief blicken. „Ich singe tatsächlich relativ wenige Spiel- und Theaterlieder, dafür aber Songs, die viele Emotionen erfordern“, gesteht er. „Diese Stücke sprechen den Menschen aus der Seele, und allein deshalb kann ich als Interpret nicht die exzentrische Figur sein, die ich früher gern verkörpert habe. Aber ich will das auch. Ich liebe die Stücke, mit denen ich aufgewachsen bin, die mich geprägt haben und mit denen ich Erfolg hatte, aber zuletzt war die Sehnsucht so groß, das Eigene rauszubringen – und das gelingt mir eben am besten mit Liedern, die für mich geschrieben wurden.“ Auch wenn der Prozess bis zu diesem Punkt nicht frei von Schmerzen war. „Ich bin noch nie so sehr in die Tiefe gegangen“, sagt Fischer, „und das muss man erst einmal ertragen. Aber die Geburt des Programms verlief letztlich doch recht problemlos.“ Bei dem Bild lacht er sein ewig junges Lachen: „Was soll ich sagen – es ist ein Mädchen!“ Eines, das mitunter verzückt. Und das sich zugleich auch zu äußern versteht.

Tatsächlich will Tim Fischer mit seinen Liedern auch Stellung beziehen. Gesellschaftlich wie politisch. Nicht umsonst hat er Thomas Pigors satirische Nummer „Hitler“ für sich entdeckt und vollzieht nun musikalisch das, was Charlie Chaplin schon vor langer Zeit filmisch umgesetzt hat. „Ich finde es unglaublich wichtig, immer wieder an das Leid zu erinnern, das ein einziger Mensch ausgelöst hat“, erklärt Fischer. „Gerade in Zeiten, in denen Populisten an die Macht kommen und am rechten Rand großen Zulauf bekommen – das macht mir schon ziemlich zu schaffen.“ Also muss die Satire ran, um den Diktator zu entlarven und vom Podest zu stoßen. Eine klare Ansage. Auch das ist in gewisser Weise neu. Früher, Anfang der 90er, galt Tim Fischer als Kunstfigur und Aushängeschild der Schwulenszene, Wunderkind und Außenseiter zugleich. Einer, der anrührte, der als verruchter Verführer ebenso geliebt wurde wie als empfindsamer Erzähler und große Diva, aber eben immer ein Mensch hinter einer Maske blieb. Doch die ist längst weg, vergangen wie das wilde Leben, dem Fischer früher frönte. Nur Lieder wie die „Rinnsteinprinzessin“ mit dem eindrucksvollen Text von Edith Jeske und der faszinierenden Melodie von Rainer Bielfeldt, der früher Fischers Liebhaber war und bis heute enger Freund und wichtigster musikalischer Begleiter ist, erinnern noch an jene Zeit. Zurück bleibt ein Mann, der mit „Absolut“ offenbar noch ein Stückchen mehr zu sich selbst gefunden hat. Der sich dem Publikum vorsichtig öffnet und als der angenommen wird, der er ist. Ein großartiger Interpret, ein Meister des Elegischen und Verträumten, der den vom Schicksal Geschlagenen eine Stimme zu geben vermag wie kaum ein anderer. Ein Talent, das Fischer übrigens auch im Anschluss an sein Konzert in der Oper nutzen will: Dann sammeln er und sein Pianist Rainer Bielfeldt für die Deutsche Aids-Hilfe.

Termin: Donnerstag, 15. Dezember, 20 Uhr, Oper Bonn. Karten gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie im Internet unter www.rz-tickets.de

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