Von einem deutschen Sonderweg sei die Rede gewesen, auch der Vorwurf eines blinden Folgens des Zeitgeists und die Warnung vor einer Spaltung der katholischen Kirche wurden laut, schreibt das Bistum Trier in einer Pressemitteilung. Noch während dieses Reformdialogs habe Papst Franziskus selbst eine Weltsynode ausgerufen.
Über beides sprach Johanna Rahner im Friedrich-Spee-Haus in Neuwied. Als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hat sie den „Synodalen Weg“ der deutschen Kirche mitgestaltet, zudem verfolgt sie als Theologin die Weltsynode, geht aus dem Schreiben des Bistums weiter hervor.
„Der Synodale Weg hat offen Themen diskutiert, die für viele ein Tabu sind“, daher habe sich Kritik gerührt, lautete die Vermutung von Rahner. 2019 ist der „Synodale Weg“ der katholischen Kirche in Deutschland gestartet, der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK getragen wurde. Auslöser war eine Studie, die systemische Faktoren des sexuellen Missbrauchs im Raum der katholischen Kirche untersucht hatte.
Ein jahrelanger Reformprozess
Seinen Abschluss fand der kirchliche Reformprozess im März dieses Jahres. Der Grundstein für den „Synodalen Weg“ in Deutschland, der in seiner Art und Weise einzigartig sei, liege bereits in den Studentenunruhen der 1968er-Jahre. „Dort gab es die Forderung nach Veränderungen, mehr Demokratie. Und alte stereotype Traditionen wie auch Machtstrukturen und Autorität wurden hinterfragt“, erklärte Rahner.
Zur deutschen Besonderheit zählte die Tübinger Theologieprofessorin auch den seit dem 19. Jahrhundert sehr starken und selbstbewussten Laienkatholizismus. Hinzu kämen wissenschaftlich ausgebildete Theologen „plus unsere Sensibilität, wenn etwas in Strukturen nicht gut läuft“, was vermutlich der deutschen Geschichte geschuldet sei. Studentenbewegung, starker Laienkatholizismus, gut ausgebildete Theologen sowie eine Sensibilität in Sachen Strukturen führten wohl zum „Synodalen Weg“.
Ihre Eindrücke aus der Weltsynode (2021 bis 2024), an der neben Bischöfen auch Laien teilnehmen, schilderte Rahner den Zuhörern ebenfalls. „Es ist ein wechselseitiges Hören, bei dem jeder etwas zu lernen hat. Das gläubige Gottesvolk, das Kollegium der Bischöfe, der Bischof von Rom: Der eine hört auf den anderen, und gemeinsam hören sie auf den Heiligen Geist“, zitierte Rahner Papst Franziskus. „Der Papst hat keine Angst vor Pluralität und unterschiedlichen Meinungen“, lautete Rahners Einschätzung. Trotzdem äußerte sie Bedenken: „Synodalität benötigt die Beteiligung aller, um zu funktionieren.“
Ungleichheit in der Weltkirche
Doch dies sei nicht geschehen: So seien Frauen beispielsweise aus Indien und Teilen Afrikas mit ihren Erfahrungen und Forderungen in der ersten Phase nicht gehört worden. Zudem hatte sie mit Erschrecken festgestellt, dass es ein Informationsdefizit bei anwesenden Bischöfen gegeben habe. „Ich habe eine dramatische Ungleichzeitigkeit in Teilen der Weltkirche gespürt und mich gefragt, ob die Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils in den Ortskirchen angekommen sind.“
Zudem stellte sie einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zur Synodalität und einem Demokratieverständnis fest. „Synodalität mag nicht einfach mit Demokratisierung gleichzusetzen sein, aber dennoch wird deutlich, dass unterschiedliche Erfahrungen mit Demokratie unterschiedliche Einstellungen zur Frage der Synodalität der katholischen Kirche zur Folge haben.“ In Ländern mit einem Demokratiedefizit werde auch die Synodalität als theologisches Prinzip eher nicht funktionieren, lautete ihre These. Trotz einer gewissen Lethargie, die sie in Bezug auf die laufende Weltsynode spüre, ermutigte sie die Anwesenden, die Zwischenphase bis zur nächsten und abschließenden Versammlung im kommenden Oktober zu nutzen, um als Ortskirche Eingaben zu machen und Rückmeldung zu geben.
Der Impuls zu dieser Veranstaltung kam von der Offenen Gemeinde Heilig Kreuz in Neuwied und wurde von der Kirchengemeinde St. Matthias in Neuwied und dem Pastoralen Raum aufgenommen.