Stadtrat entscheidet - Segendorfer Ortsbeirat debattierte über das Thema am Tag zuvor
Standortprüfung für Windkraft und Fotovoltaik: Neuwied nimmt Energiewende in Angriff
Sechs Windräder könnten sich in einigen Jahren auch im Wald bei Monrepos drehen – aber der Standort muss erst geprüft werden. Foto: Jens Büttner/dpa
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Mit großer Mehrheit hat der Neuwieder Stadtrat am Donnerstagabend beschlossen, dass mögliche Standorte für Windkraft und Fotovoltaikanlagen auf ihre Eignung geprüft werden sollen. Einer dieser Standorte könnte der Stadtteil Segendorf sein. Hier trifft die Idee auf Gegenwind.

Sechs Windräder könnten sich in einigen Jahren auch im Wald bei Monrepos drehen – aber der Standort muss erst geprüft werden. Foto: Jens Büttner/dpa
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Der Weg für die Prüfung möglicher Standorte für Windkraft und Fotovoltaikanlagen ist in der Stadt Neuwied frei. Anträge der Bürgerliste „Ich tu's“ und der SPD, die den Tagesordnungspunkt absetzen beziehungsweise vertagen wollten, hatten zuvor keine Mehrheit gefunden. Der Ratsentscheidung war eine lange Debatte vorausgegangen, in der immer wieder betont wurde, dass das Verfahren noch ganz am Anfang steht.

Segendorf, Engerser Feld und Monrepos im Fokus

Hintergrund: Die Stadt will unter Federführung der Stadtwerke Neuwied (SWN) Windkraft- und Fotovoltaikanlagen auf den Weg bringen. Eine Untersuchung hat bereits ergeben, wo im Stadtgebiet Potenziale liegen könnten – ins Auge gefasst wurden bislang zwei große Fotovoltaikanlagen in Segendorf und auf dem Engerser Feld sowie sechs Standorte für Windkraftanlagen im Wald bei Monrepos, ebenfalls auf Segendorfer Gemarkung.

Einen Abend vor der Ratssitzung war noch einmal deutlich geworden, wie sehr das Thema viele Segendorfer bewegt. Der Ortsbeirat des Stadtteils tagte – und wo sonst nur einige Zuhörer im Bürgerhaus Platz nehmen, drängten sich die Menschen jetzt bis auf den Flur hinaus. Sie waren gekommen, um ihrem Ärger über die Pläne von Stadt und Stadtwerken Luft zu machen oder um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Stadtspitze und SWN waren vertreten, um Rede und Antwort zu stehen, namentlich der Beigeordnete Ralf Seemann und SWN-Geschäftsführer Stefan Herschbach. Doch zunächst ergriff Ortsvorsteherin Andrea Welker das Wort – und machte klar: Viele Segendorfer sind sauer.

Ortsvorsteherin erfährt Pläne aus der RZ

Los ging es mit der Fotovoltaikanlage, die auf dem ehemaligen Sportplatz des Stadtteils entstehen könnte. Welker stellte ein Konzept für ein Naherholungsgebiet an dieser Stelle vor, das nach Meinung des Ortsbeirats nicht nur für die Menschen in dem Stadtteil, sondern auch als Überschwemmungsgebiet bei Hochwasser sinnvoll wäre. Besonders ärgerte sie, dass die Stadt auf mehrere Anfragen zur Nachnutzung gar nicht reagiert hatte – und sie erst aus der RZ erfahren hat, dass die Stadt hier eine Fotovoltaikanlage prüfen will. Dass die Stadtwerke schon im Februar eine Pressemitteilung zu dem Thema verschickt hatten, änderte daran nichts: Mit keinem Wort war hier erwähnt, wo die möglichen Standorte liegen, der Name Segendorf fiel nicht.

Ralf Seemann räumte ein: Mehrere Anfragen des Ortsbeirats liegen der Stadt tatsächlich vor, wurden aber noch nicht vollständig bearbeitet. Dass nun bereits eine Nutzung als Fotovoltaikanlage vorgeschlagen wurde, sei „sehr unglücklich“. Dafür entschuldigte sich der Beigeordnete und schlug vor, dass die Anfragen zunächst abgearbeitet werden, bevor die Fotovoltaik-Planung an dieser Stelle weitergeht. Eine Entscheidung sei dies aber nicht, „die Prüfungen sind ergebnisoffen“.

Klarer Auftrag: Mehr Strom selbst produzieren

Zu den Windrädern erklärte SWN-Chef Stefan Herschbach, dass er nachvollziehen kann, dass man keine Anlage vor dem eigenen Wohnzimmerfenster haben will. Aber: „Wir haben sehr große Hausaufgaben zu machen, bislang erzeugen wir nur einen Bruchteil unseres Stroms selbst“ – und es gibt den klaren Auftrag, das zu ändern. Zu sagen, das solle überall gemacht werden, nur nicht hier, sei verantwortungslos.

Verständnis hat er auch nicht für die zum Teil sehr heftigen Reaktionen aus Segendorf zu einem Zeitpunkt, an dem noch gar keine Fakten vorliegen. Die Prüfung der Standorte soll überhaupt erst beginnen, und am Ende kann auch das Resultat stehen, dass diese überhaupt nicht geeignet sind, etwa aus Gründen des Artenschutzes oder weil es nicht genug Wind gibt. „Wir sind noch ganz am Anfang, wir müssen die Prüfung abwarten.“ Nur für den Fall der Fälle müsse man jetzt schon wissen, ob die Stadt grundsätzlich bereit wäre, die bei einer Realisierung notwendigen Grundstücke abzugeben.

Aus diesem Grund habe es auch noch keine Information an die Bürger gegeben, so Seemann. Wenn alle Gutachten und Standortuntersuchungen abgeschlossen wurden und ein Investor zu dem Schluss kommt, dass eine Realisierung einträglich wäre, „dann kommt auch die Beteiligung der Bevölkerung“. Aber das liege noch drei Jahre in der Zukunft. Herschbach sagte für diesen Zeitpunkt eine Informationsveranstaltung zu.

Seemann: Vorentscheidung nicht gefallen

Und: Ein Freibrief für eine Realisierung sei die Prüfung ohnehin nicht. „Diese ist keine Vorentscheidung und Vorfestlegung“, betonte der Beigeordnete. Und weitere Windkraftanlagen in Neuwied würde Herschbach auch begrüßen, „auch in Heimbach-Weis“, wo jetzt wiederholt Windräder gefordert wurden. „In einer zweiten Runde können wir dies betrachten“, sagte Seemann ebenfalls.

Die Bürger in der Versammlung machten unter anderem ihre Sorge um den Wald deutlich. Eine große Fläche müsste gerodet werden, falls die Windkraftanlagen gebaut werden, plus die Zuwegung durch den Wald für den Bau. Diese wäre breit und gut acht Kilometer lang, würde aber nach dem Bau zurückgebaut und wieder aufgeforstet, so Seemannn. Und, ergänzte Herschbach: „Ein Eingriff in die Natur ist für eine Zuwegung immer nötig. Bitte verabschieden Sie sich von dem Gedanken, dass das läuft, ohne dass jemand in Deutschland einen Nachteil davon hätte. Denn: Wir müssen die Energiewende hinkriegen.“

Eine geschlossene Meinung scheint es unter den Segendorfer Bürgern nicht zu geben und auch nicht im Ortsbeirat. Ein Mitglied gab zu bedenken: „Wenn es nicht klappt mit den Windrädern, wird der Strom dann eingekauft und zum Luxusgut? Ich bin dafür, dass alles getan und geprüft wird, damit das nicht so wird.“ Zumindest von einigen ernte er dafür Applaus.

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