Am 1. April will die Marienhaus-Gruppe aus Waldbreitbach das DRK-Krankenhaus in Neuwied übernehmen. Wie läuft die Übernahme? Sebastian Spottke, Vorsitzender der Geschäftsführung der Marienhaus GmbH, und Christof Schenkel-Häger, Leiter der Abteilung Hygiene & Infektionsprävention und interner Berater der Geschäftsführung und Krankenhausleitung, sprachen exklusiv mit unserer Zeitung unter anderem darüber.
Herr Spottke, schon bei der ersten Insolvenz hatte die Marienhaus-Gruppe Interesse am DRK-Krankenhaus in Neuwied gezeigt. Was sprach für die endgültige Entscheidung, es zu übernehmen?
Spottke: Ich fange damit an, dass es auf der Ebene der Bundespolitik einen relativ klaren politischen Willen gibt, was bei Krankenhäusern in Deutschland passieren soll. Das ist parteiunabhängig, weil die politischen Entscheidungsträger wissen, dass wir den sogenannten doppelten demografischen Effekt haben. Der wird dazu führen, dass wir mit weniger Menschen in den nächsten Jahren das Gleiche tun müssen, beziehungsweise aufgrund des gegenläufigen Effektes einer alternden Bevölkerung, dass wir mit weniger Menschen mehr tun müssen. Dies sind die maßgeblichen Treiber dafür, dass alle Verantwortlichen sich darüber konsensual einig sind, dass wir Leistungen konzentrieren müssen und per se in 15 Jahren weniger Krankenhäuser in Deutschland stehen werden, als das heute der Fall ist.
Für uns in Neuwied haben wir die Frage so beantwortet, dass es langfristig gesehen eher dazu kommen wird, dass man die Standorte näher aneinander führt. Das war der maßgebliche Grund dafür, dass wir im ersten Insolvenzverfahren schon ein Angebot abgegeben haben, aber zu dem damaligen Zeitpunkt nicht zum Zuge gekommen sind. Auch jetzt, nach der zweiten Insolvenz, sehen wir es so. Die Versorgung der Stadt muss aus einer Hand erfolgen, was auch aus Effizienzgründen Sinn ergibt, wenn es letztlich gut läuft. Deswegen war für uns seit Dezember kein neuer Prozess der Entscheidungsfindung erforderlich.
Am 1. April wollen Sie, wenn alles funktioniert, übernehmen?
Spottke: Im Moment sind wir noch nicht ganz klar, ob es der 1. April wird oder der 7. April. Auf jeden Fall aber Anfang April.
Was passiert in dieser Übergangszeit? Denn zum 31. März hört das DRK auf, zum 31. März sind zum Beispiel die gekündigten Chefärzte freigestellt. Was passiert dann? Gibt es dann ein bisschen luftleeren Raum?
Spottke: Momentan gehen wir davon aus, entweder werden wir zum 1. April in die Verantwortung gehen, dann gibt es diesen luftleeren Raum nicht. Oder wir werden mit dem Insolvenzverwalter eine Regelung finden müssen, dass bis zum 6. April kein Stillstand der Rechtspflege entsteht, sondern ein sauberer Übergang möglich ist. Da sind wir gerade mitten im Gespräch, weil es von einigen Dingen abhängt, die noch nicht abschließend entschieden sind. Aber es kann sein, dass es eben zum 1. April funktioniert.

Eine Frage an Sie beide, Herr Spottke, Herr Schenkel-Häger: Die medizinische Versorgung der Patienten steht auf jeden Fall?
Spottke: Genau.
Schenkel-Häger: Es gibt kein Vakuum. In dem Moment, wenn die Chefärzte an der einen Stelle nicht mehr da sind, wird es trotzdem hoch qualifizierte Menschen geben. Dies sind Fachärzte. Die werden kommissarisch als leitende Ärzte, zum Beispiel als leitender Oberarzt, übernehmen. Das ist auch nichts Ungewöhnliches. Chefärzte sind ja auch mal einige Wochen in Urlaub oder fallen unter Umständen mal länger aus. Dieser sogenannte Facharztstandard wird im DRK aufrechterhalten. Die Gesamtverantwortung wird bis zu dem Zeitpunkt, wo wir in die Verantwortung gehen, der Insolvenzverwalter tragen, so wie er dies jetzt ja auch schon eine ganze Weile lang macht, und dabei ist von ihm die Patientenversorgung zu gewährleisten. Was wir allerdings nicht sagen können – das muss der Insolvenzverwalter letztendlich regeln –, ob das alles in der kompletten Breite geschehen kann. Also: Wie viele Betten werden beispielsweise auf der Intensivstation betrieben, wie ist das mit der Notaufnahmekapazität und so weiter.
Und vorher ist das alles Sache des Insolvenzverwalters beziehungsweise der DRK-Krankenhausgesellschaft?
Schenkel-Häger: Genauso ist das.
Spottke: Das ist ein ganz entscheidender Punkt, der uns massiv unter den Nägeln brennt, weil wir die perspektivische Verantwortung übernehmen wollen. Damit haben wir ein hohes Interesse, dass dies gut funktioniert. Aus unserer Perspektive haben wir es geschafft, 75 Prozent der Menschen eine Perspektive zu bieten. Die Alternative zu dem, was jetzt passiert, ist, dass für keinen Mitarbeiter ein Arbeitsplatz erhalten bleibt. Dadurch, dass wir langfristig das aus unserer Sicht beste Konzept umsetzen wollen, das auch langfristig gut für Stadt und Region funktionieren kann, haben wir eine große Motivation, alles in unserer Macht Stehende dafür zu tun. Ein bisschen schwierig auszuhalten ist für uns das sogenannte Vollzugsverbot. Das bedeutet, dass wir bis zu dem Zeitpunkt der Verantwortungsübernahme nicht wirklich in Erscheinung treten und Einfluss nehmen dürfen.
Was ist bisher im Rahmen der Übernahme gut gelaufen, was ist optimierungsbedürftig, was hätte besser laufen können?
Spottke: Wie unser Team gearbeitet hat, das ist sehr, sehr gut gelaufen. Die Abstimmungen sind gut gelaufen, wir haben schnell die für uns notwendigen Entscheidungen getroffen. Das hätte ja auch viel zäher sein können. Auch in der Abstimmung mit der Stadt in Bezug auf die Nutzung des Gebäudes sind wir in den letzten Wochen gut vorangekommen. Was ich wahrgenommen habe, was vielleicht schwierig ist, ist die Kommunikation dessen, was so alles passiert ist. Da hätten die Verantwortlichen vielleicht mehr machen können, egal in welche Richtung. Ich habe den Eindruck, dass die letzten Wochen nicht so klar für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren. An manchen Stellen geht es auch nicht klarer. Aber für mich sah es danach aus, als hätte sich der Grad der Unsicherheit eher erhöht, als dass er sich reduziert hätte. Vermutlich hätte man schneller bestimmte Sachen kommunizieren können oder sollen oder auch den Prozess insgesamt transparenter darlegen können oder sollen. Nach meiner Wahrnehmung spielt da auch wieder rein, dass die Menschen von den letzten zwei Jahren erschöpft sind. Wir als Marienhaus-Gruppe kommen in eine Rolle, wo wir viel Verantwortung für die Zukunft übernehmen wollen, aber wenig Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen können. Was wir beispielsweise machen werden: Wir werden monatlich Mitarbeiterversammlungen machen und dort sehr transparent mit den Mitarbeitern sprechen und darüber informieren.
Wie wollen Sie die Patientinnen und Patienten informieren?
Spottke: Wir haben so eine Transformation in anderer Art und Weise an einem anderen Standort gemacht. Ich hole da ganz kurz aus. Im Hochwald betrieben wir ein relativ kleines Krankenhaus. Dies haben wir von einem Grund- und Regelversorgungskrankenhaus hin zu einem Gesundheits- und Alterscampus transformiert. Dort in Hermeskeil haben wir eine sehr breite Informationskampagne in den Tageszeitungen gemacht und haben in klarer, nicht superspezialmedizinischer Sprache formuliert, fast wöchentlich, was wir jetzt genau machen. Analog werden wir dies in Neuwied auch machen. Sehr klar kommunizieren in einer nachvollziehbaren Sprache: Wie setzen wir dieses Konzept auf, wer kann mit welchem Krankheitsbild wohin kommen und wie sieht die Versorgungsstruktur aus. Das hat aus unserer Sicht in Hermeskeil sehr gut funktioniert, weil man so den Menschen immer wieder erklären kann, was man sich da überlegt hat. Zudem wollen wir zum Fragen anregen. Die Menschen sollen sich mit Fragen bei uns melden, nur dann können wir auch darüber sprechen. Auch das ist dann vorgesehen. Das geht diese Woche los.
Sie sind ein katholischer Träger, dem man ja ein gewisses Wertesystem nachsagt. Hier sei recht rücksichtslos vorgegangen worden, das wird Ihnen zur Last gelegt. Wie gehen Sie damit um?
Spottke: Das ist ein Vorwurf, den ich immer wieder höre, nicht nur hier in Neuwied. Eine Ordensschwester, die ich sehr schätze, hat das mal sehr klar formuliert: Nächstenliebe und Christlichkeit in den Vordergrund zu rücken, heißt nicht, sich selbst und sein Unternehmen in den Abgrund zu stürzen. Man muss, um seinen eigenen Bestand zu sichern, auch Entscheidungen treffen. Wir sind mit der Maßgabe hier herangegangen, wie können wir möglichst viele Arbeitsplätze erhalten gegenüber der Alternative, dass alle Arbeitsplätze wegfallen. Dafür gehen wir hier mehr oder weniger allein in das unternehmerische Risiko, ab dem Monat April für die verbleibenden Mitarbeiter die Verantwortung zu übernehmen. Die Insolvenzentscheidung wurde nicht von uns getroffen, aber wir wissen sehr genau, dass bei vielen Menschen ganze Familien betroffen sind, eine lange Unternehmensgeschichte besteht, viel Verbundenheit und Zugehörigkeit zu einem Team. Das geht uns auch unter die Haut. Aber auf der anderen Seite sage ich Ihnen dann auch ganz klar, ich kann keine Entscheidungen treffen, die ich nicht selbst auch vor unseren über 13.500 Mitarbeitern wiederum verantworten kann. Ich glaube, wenn man diese beiden Perspektiven zusammennimmt, dann haben wir das Größtmögliche getan, was wir tun können, nämlich zu versuchen, 75 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine dauerhafte Perspektive zu bieten.
Die Fragen stellte Maja Wagener.

Stadträte kritisieren Kommunikation in DRK-Klinik
Dass beim bisherigen Vorgehen im Rahmen des Insolvenzverfahrens zum DRK-Krankenhaus in Neuwied – besonders bei der Kommunikation mit den Beschäftigten – nicht alles gut gelaufen ist, merken kristische Stimmen aus dem Stadtrat der Deichstadt an.