Sogar Schulen nach ihnen benannt
Serie zur Stadtgeschichte: Vier bedeutende Neuwieder Frauen
Von Kindern umringt posiert die Straßensängerin Wittmanns Ann 1959 mit ihrer Gitarre für ein Foto.
Stadtarchiv Neuwied

Die Neuwieder Geschichte hat einige bedeutende Frauen hervorgebracht. In diesem Serienteil zur Stadthistorie beleuchten wir vier bekannte Neuwiederinnen.

Mit Graf Friedrich III., Abraham und David Roentgen, Friedrich Wilhelm Raiffeisen oder Robert Krups stehen beim Rückblick auf die Geschichte Neuwieds vor allem Männer im Vordergrund, die in der Stadt gewirkt und diese geprägt haben. Dabei gibt es auch eine Vielzahl von Frauen, die in der fast 400-jährigen Geschichte von großer Bedeutung für die Stadt waren, aber an die sich heute seltener erinnert wird. In der dreibändigen Reihe „Von Frau zur Frau“, herausgegeben von verschiedenen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Neuwied, werden zahlreiche dieser wichtigen weiblichen Persönlichkeiten vorgestellt. Dazu gehören, neben der Schriftstellerin und rumänischen Königin Carmen Sylva, über die im zweiten Teil dieser Reihe nachzulesen ist, auch Amalie Raiffeisen, Johanna Loewenherz, Wittmanns Ann und Elfriede Seppi.

Amalie-Raiffeisen-Saal in der Volkshochschule

Amalie Raiffeisen (1846-1897) war die älteste Tochter des Sozialreformers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wurde sie mit 17 Jahren zur Verantwortlichen für den Haushalt und die Erziehung ihrer Geschwister und unterstützte ihren Vater außerdem intensiv bei der Verwirklichung seiner Genossenschaftsidee. Amalie erledigte jegliche Schreibarbeiten für Raiffeisen, und da dieser durch eine zunehmende Sehschwäche immer mehr auf ihre Hilfe angewiesen war, verbot er es ihr, zu heiraten. Im Hintergrund war sie so entscheidend für den Erfolg der Genossenschaftsorganisation, aber diente zeitlebens ihrem Vater und konnte weder selbst eine Leitungsfunktion übernehmen noch ihren Wunsch nach einer eigenen Familie erfüllen. In der Volkshochschule Neuwied ist der Amalie-Raiffeisen-Saal nach ihr benannt.

IGS trägt Namen „Johanna Loewenherz“

Johanna Loewenherz (1857-1937) wurde als Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie in Rheinbrohl geboren. Als SPD-Politikerin und Schriftstellerin engagierte sie sich in der Frauenbewegung in Neuwied und weit darüber hinaus. Um eine Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft zu erreichen, setzte sie sich unter anderem für das Frauenwahlrecht und für eine Lohngleichheit für Frauen und Männer ein. In ihrem Testament hielt Johanna Loewenherz fest, dass ihr gesamtes Eigentum in eine wohltätige Stiftung zur Förderung von Frauen übergehen solle, die ebenfalls für Gleichberechtigung eintreten. Daher werden seit 1987 von der Johanna-Loewenherz-Stiftung des Landkreises Neuwied Ehren- und Geldpreise an Frauen vergeben, die besondere wissenschaftliche, künstlerische oder literarische Leistungen vollbracht haben oder sich in sonstiger Weise um die Stellung der Frau in Staat und Gesellschaft besonders verdient gemacht haben.

Die Integrierte Gesamtschule Neuwied wurde 2015 nach Johanna Loewenherz benannt.
Sonja Kowallek

Wittmanns Ann (1887-1961), geborene Anna Römer, stammte aus ärmlichen Verhältnissen und lebte nach dem Tod ihres Ehemanns Johann Wittmann als junge Witwe mit drei kleinen Kindern in wirtschaftlicher Not. Die selbstbewusste und talentierte Frau begann, als Straßenmusikerin über ihre Kindheit und das Leben in Armut zu singen, und gab auf Festen und in der Stadt auch bekannte Schlager zum Besten. Mit ihrer mit bunten Bändern verzierten Gitarre erfreute sich die einzigartige Sängerin großer Beliebtheit bei allen Neuwiedern und gab den größten Teil ihrer Einnahmen an Kinder und Bedürftige weiter. Im Naiwidder Schärjerlied von Helmut Flohr, das Wittmanns Ann 1950 in einem Tonstudio am Luisenplatz einsang, heißt es: „Gar manch äner singt unser Schärjerlied / So gut wie er singe kann / Doch am schienste singt et im Bundesgebiet / noch immer et Wittmanns Ann“.

Elfriede Seppi hinterließ politische Spuren

Elfriede Seppi (1910-1976) wuchs bei ihren Großeltern in Heddesdorf auf und schlug bereits mit 14 Jahren eine politische Laufbahn ein. Aufgrund ihres Engagements in der Arbeiterbewegung und bei der SPD wurde die junge Verkäuferin von den Nationalsozialisten unter Polizeiaufsicht gestellt. Bei der ersten demokratischen Stadtratswahl nach dem Zweiten Weltkrieg im September 1946 wurde sie als Mitglied der SPD-Fraktion in den Rat gewählt und setzte sich in den folgenden Jahren in Neuwied für die notleidende Bevölkerung und besonders für die Belange von Wohnungslosen ein. 1947 wurde sie Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags und war von 1959 bis 1972 Bundestagsabgeordnete. Von 1974 bis zu ihrem Tod war sie erneut Mitglied des Neuwieder Stadtrats und engagierte sich zeitlebens in ihrer Heimatstadt. Für ihren politischen und gesellschaftlichen Einsatz erhielt Elfriede Seppi das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und die Ehrenbürgerschaft der Stadt Neuwied.

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