Stadtgeschichte Neuwied
Serie Teil 4: Neuwied in der Zeit der Weltkriege
Das Bild zeigt berittene deutsche Truppen zu Beginn des Ersten Weltkriegs in der Feldkircher Straße in Feldkirchen.
Stadtarchiv Neuwied

Anfang des 20. Jahrhunderts blühten Wirtschaft und Infrastruktur auf. Doch mit dem Ersten Weltkrieg, der Weltwirtschaftskrise, der Übernahme der NSDAP und dem Zweiten Weltkrieg endete das schnell. Auch der Deichbau fällt in das 20. Jahrhundert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl Neuwieds mit der Eingemeindung Heddesdorfs deutlich an – wie im dritten Teil dieser Reihe beschrieben. 1910 lebten in der Stadt bereits mehr als 19.000 Menschen, weshalb das städtische Leben florierte und Wirtschaft und Infrastruktur eine Zeit des Aufschwungs erlebten. So stiftete beispielsweise der Fabrikant und Kommunalpolitiker Julius Remy 1908 den Bau des luxuriösen Stadtbads in der Marktstraße, das bis 1985 in Betrieb und bei den Neuwiedern sehr beliebt war. Der Optimismus der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts wurde jedoch schnell vom Beginn des Ersten Weltkriegs überlagert.

Die Kriegserklärung des Deutschen Reiches unter Kaiser Wilhelm II. an Russland erfolgte am 1. August 1914 und hatte sofortige Auswirkungen für die Neuwieder Bevölkerung, denn eine große Zahl der Männer zog in den Krieg. Laut „300 Jahre Neuwied: 1653-1953“, herausgegeben vom ehemaligen Neuwieder Stadtarchivar Albert Meinhardt, befanden sich 1916 rund 2800 Neuwieder an der Front. 385 Soldaten aus Neuwied fielen im Verlauf des Ersten Weltkriegs, zu ihrem Gedenken wurden in den 1920er-Jahren auf verschiedenen Neuwieder Friedhöfen Kriegerdenkmäler errichtet. Die Kriegsjahre prägten Neuwied zudem durch eine zunehmende Lebensmittelknappheit sowie durch die Anwesenheit des Militärs, denn neben deutschen Soldaten wurden in der Stadt auch französische und belgische Kriegsgefangene untergebracht. Mit der militärischen Niederlage des Deutschen Reichs und dem Waffenstillstand am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg.

Wirtschaftskrise unter Besatzungsmächten

Für Neuwied folgte von 1918 bis 1923 eine Zeit unter amerikanischer und von 1923 bis 1929 unter französischer Besatzung, die eine kritische wirtschaftliche und soziale Lage mit sich brachte. Die Wirtschaftskrise und die dramatisch beschleunigte Inflation in der gesamten Weimarer Republik sorgten unter anderem dafür, dass im November 1923 fast 40 Prozent der Neuwieder Einwohner erwerbslos waren. Erst ab Mitte der 1920er-Jahre konnte sich die Wirtschaft wieder erholen, sodass sich hier zum Beispiel 1928 die westfälische Wicking AG mit einem neuen Zementwerk ansiedelte.

Das Denkmal auf dem Deich stellt Robert Krups (1887-1950) dar, der als Neuwieder Bürgermeister den Bau der Hochwasserschutzanlage veranlasste und manchmal auch als „dritter Stadtgründer“ bezeichnet wird.
Sonja Kowallek

In dieser Zeit erlebten die Neuwieder außerdem einige schwere Hochwasserereignisse, wie der Journalist Bernd Paetz in „Neuwied im Spiegel der Zeit“ schildert. Um den Jahreswechsel 1925/1926 wurde fast die gesamte Stadt überflutet: 1000 Wohnungen und 200 Geschäfte standen unter Wasser, und der Gesamtschaden belief sich auf 4 bis 5 Millionen Mark. Für den seit 1924 amtierenden Bürgermeister Robert Krups war dies der ausschlaggebende Grund, den Bau einer etwa 7,5 Kilometer langen Hochwasserschutzanlage zu veranlassen. Der Neuwieder Deich wurde von 1928 bis 1931 errichtet, was insgesamt 2450 Arbeiter in Anspruch nahm und so während der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme diente. Mit der 500 Meter langen Deichmauer im Innenstadtbereich und dem nördlich bis zur Wiedmündung und südlich bis zur Urmitzer Eisenbahnbrücke reichenden Erddeich schützt die Anlage noch heute die Stadt vor Hochwasser von bis zu neun Metern über dem normalen Wasserstand des Rheins und ist damit zum Markenzeichen der Stadt Neuwied geworden.

Nationalsozialisten übernehmen die Deichstadt

Über die folgende Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 gibt es weniger Schriften als zu anderen Epochen der Neuwieder Stadtgeschichte. Der Sozialpädagoge Günther Salz hat sich in „Der Blaustift“ mit Verdrängung und Erinnerung an die NS-Zeit in Engers auseinandergesetzt, während der Historiker Wolfgang Dietz in „Der Landkreis Neuwied“ diese Zeit für den gesamten Kreis Neuwied aufgearbeitet hat. Darin ist auch nachzulesen, dass bei den letzten Reichstagswahlen am 5. März 1933 in der Stadt Neuwied 38,33 Prozent der Wähler für die NSDAP stimmten und so die am 30. Januar erfolgte Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler mit ihrer Stimme bestätigten.

Im Zuge der Gleichschaltung wurde Robert Krups 1936 als Bürgermeister zwangsweise in den Ruhestand versetzt und durch den NSDAP-Politiker Paul Haupt ersetzt, während die Kreisleitung der NSDAP im Roentgen-Haus in der Pfarrstraße Quartier bezog. Auch in Neuwied wurde durch die Unterwanderung bestehender Vereine und durch die lokale Einrichtung von NS-Massenorganisationen wie der SA, der SS und der Hitlerjugend fast die gesamte Bevölkerung ideologisch erfasst, während die jüdischen Einwohner (siehe Auslagerung) sowie Gegner des NS-Regimes von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.

Aufgrund seiner wirtschaftlich und infrastrukturell bedeutenden Lage erfuhr der Stadtteil Irlich im Zweiten Weltkrieg besonders starke Zerstörung.
Stadtarchiv Neuwied

Neuwied ist Ziel von Bombenangriffen

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg, in dem nicht nur erneut viele Neuwieder Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden, sondern in dem anders als im Ersten Weltkrieg auch Neuwied selbst zum Kriegsschauplatz wurde. Ab dem Jahr 1941 waren die Stadt und die heutigen Stadtteile wiederholt das Ziel von Bombenangriffen durch die Alliierten. Besonders heftige Zerstörung erlebte dabei Irlich, wie Bernd Paetz in „Neuwied im Spiegel der Zeit“ erläutert. Insgesamt wurden in der Stadt Neuwied knapp 18 Prozent und im Amt Heddesdorf, zu dem auch die Gemeinde Irlich gehörte, rund 35 Prozent aller Gebäude zerstört.

1935 wurde die erste Rheinbrücke zwischen Neuwied und Weißenthurm errichtet. Bei der Einweihung war auch Hermann Göring (Vordergrund, links) anwesend, nach dem die Brücke benannt wurde. Auf dem Foto meldet der Führer einer Neuwieder NS-Einheit seine hinter ihm angetretene Formation an Göring.
Stadtarchiv Neuwied

Auch die 1935 errichtete erste Rheinbrücke zwischen Neuwied und Weißenthurm, die den Namen Hermann-Göring-Brücke trug, traf 1945 ein amerikanischer Bombenangriff. Die Eisenbahnbrücke zwischen Engers und Urmitz namens Kronprinz-Wilhelm-Brücke wurde von deutschen Truppen selbst gesprengt, damit sie nicht der anrückenden US-Armee in die Hände fallen konnte, was zahlreiche auf der Brücke befindliche deutsche Soldaten das Leben kostete. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 hatte die Stadt deutliche Verluste zu beklagen, und die Infrastruktur war stark beschädigt. Die Amerikaner hatten bereits am 23. März 1945 in Neuwied das Kommando übernommen. Für die Neuwieder Bevölkerung folgte eine Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Not sowie des langsamen Wiederaufbaus.

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