Insolvente DRK-Klinik Neuwied
Schwerkranke warten seit Wochen auf ihre Patientenakten
Die ehemaligen Patientinnen des DRK-Krankenhauses in Neuwied, Samantha Heibel-Hebel (links) und Kerstin Müller, warten seit mehr als einem Monat auf ihre Patientenakten.
Jörg Niebergall

Anfang April forderten zwei Patientinnen des ehemaligen DRK-Krankenhauses in Neuwied ihre Akten an. Doch die Unterlagen haben sie bis heute nicht – und aus dem Büro des Insolvenzverwalters werden die Frauen vertröstet.

„Wir sind da im Moment sehr ungehalten“, sagen Samantha Heibel-Hebel und Kerstin Müller. Seit mehr als einem Monat versuchen die Patientinnen des ehemaligen DRK-Krankenhauses in Neuwied, ihre Akten ausgehändigt zu bekommen – bisher ohne Erfolg. Die Unterlagen brauchen die beiden schwerkranken Frauen dringend für eine Weiterbehandlung in anderen Kliniken.

Der sie seit 2018 behandelnde Chefarzt im DRK-Krankenhaus, Neurochirurg Ronny Rothe, habe ihr einen Shunt eingesetzt, erzählt Heibel-Hebel ihre Krankengeschichte. Nach einem Hirntumor habe sie immer wieder mit erhöhtem Hirndruck zu tun gehabt, was den Shunt notwendig gemacht habe. Der müsse von Zeit zu Zeit neu eingestellt werden, erklärt die Frau weiter. Doch Rothe, und auch der leitende Chefarzt Michael Detzner, waren im Zuge der Insolvenz im Frühjahr entlassen worden. Nun ist Heibel-Hebel auf der Suche nach einem anderen Arzt, der die Technik beherrscht.

„Es ist schwierig, irgendwo unterzukommen.“
Kerstin Müller, Patientin des ehemaligen DRK-Krankenhauses, über die Suche nach einem neuen Arzt

Ihre Freundin, Kerstin Müller, wiederum hatte 2014 einem Autounfall, an den sich fast 30 Operationen an der Wirbelsäule und Komplikationen anschlossen. Deshalb wurde ihr in der Neurochirurgie eine Medikamentenpumpe fest installiert, die alle sechs Wochen mit Morphin aufgefüllt werden muss. Das könne nicht jeder Arzt, selbst im Krankenhaus in Neuwied nicht, sagt Müller. Die Pumpe sei inzwischen leer; nur mit Unterstützung ihrer Hausärztin habe sie einen kalten Entzug vermeiden können. Auch Müller ist auf der dringenden Suche nach einem anderen Arzt. „Wir kämpfen immer noch. Es ist schwierig, irgendwo unterzukommen“, sagt die 52-Jährige.

Eine Weiterbehandlung bei der Marienhaus-Gruppe komme für sie beide nicht infrage, berichten die Frauen. „Die dort verbliebenen Ärzte können weder die Pumpe von Frau Müller befüllen, noch meinen Shunt umstellen“, konkretisiert Heibel-Hebel. Diese Erfahrung hätten sie in den vergangenen Jahren machen müssen.

Patientinnen des ehemaligen DRK-Krankenhauses kämpfen um die herausgabe ihrer medizinischen Unterlagen.
Jörg Niebergall

Deshalb hatten die beiden Frauen am 1. April in einem Schreiben an das Marienhaus-Klinikum in Neuwied, dessen Träger, die Marienhaus-Gruppe, das insolvente DRK-Krankenhaus Anfang April offiziell übernommen hatte, ihre vollständigen medizinischen Unterlagen angefordert. Darauf haben Patienten ein gesetzlich verankertes Recht: Laut Paragraf 630g im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) müssen Patienten unverzüglich Einsicht in ihre Unterlagen bekommen.

Das Schreiben war an den neuen Chefarzt der Neurochirurgie in Neuwied adressiert. Am 8. April hätten sie einen Anruf aus dem Chefsekretariat der Neurochirurgie in Neuwied bekommen, bei dem ihnen gesagt worden sei, dass die Herausgabe der Patientenakten nun in den Zuständigkeitsbereich des Insolvenzverwalters falle. Im Zuge der Insolvenz seien sämtliche Computer entfernt worden und daher habe die Abteilung keinen Zugriff mehr auf Patientenakten, schrieb Heibel-Hebel daraufhin am 9. April in einem Brief an den Insolvenzverwalter, und forderte dort noch einmal ihre Akten an.

Neuer Träger habe keinen Einblick in die Akten, so eine Sprecherin

Bis zum 30. April hatten die beiden Patientinnen auf ihr Schreiben nichts vom Insolvenzverwalter gehört. Dann sei in einer E-Mail aus dessen Büro erklärt worden, dass man unter anderem mit IT-Experten an Lösungen arbeite, um Patientenakten schnell und einfach übergeben zu können, erfuhren die Frauen. Unzufrieden mit der unkonkreten Antwort, legten sie nach: „ Wir möchten jedoch unmissverständlich klarstellen, dass die unverzügliche Bereitstellung der Patientenakten von äußerster Dringlichkeit ist. In beiden Fällen handelt es sich um akute, nahezu lebensbedrohliche Situationen, die eine sofortige ärztliche Betreuung erfordern.“

Auf Nachfrage erklärt uns eine Pressesprecherin aus dem Verfahren der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz: „Im Rahmen des Trägerwechsels am Standort Neuwied sind aus datenschutzrechtlichen Gründen die Patientendaten aus dem vorherigen Klinikbetrieb nicht automatisch auf die Marienhaus-Gruppe übergegangen. Die Marienhaus-Gruppe hat dementsprechend keine Patientenakten des DRK-Krankenhauses übernommen und hat auch keinen Einblick in diese Akten.“ Die Dringlichkeit, die Daten zugänglich zu machen, sei den Verfahrensbeteiligten bewusst, versichert sie: „Das Team der Insolvenzverwaltung arbeitet mit Hochdruck daran, eine schnelle Lösung umzusetzen, damit die Versorgung der Patienten möglichst reibungslos übergehen kann.“

Experten aus Recht und IT kümmerten sich darum, die Patientendaten für die Patienten jeweils auf individuellen Datenträgern zur Verfügung zu stellen. „Aufgrund spezieller technischer Anforderungen, insbesondere für Daten der bildgebenden Diagnostik, benötigt dieser Prozess besondere Übertragungsapparate und Zeit“, so die Sprecherin weiter. Sobald die technischen und rechtlichen Anforderungen erfüllt seien, würden die Daten den betroffenen Patienten zur Verfügung stehen. „Wir werden sicherstellen, dass die Daten den Patienten unter Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen so schnell und komfortabel wie möglich zugänglich gemacht werden“, so die Sprecherin.

Zwischenzeitlich kontaktierten Müller und Heibel-Hebel mehrere Kliniken, um dort als Patientinnen aufgenommen zu werden. Doch die Ansprechpartner fragten nach den jüngsten Befunden. Die können die Patientinnen jedoch bisher nicht vorweisen – eine Pattsituation. Inzwischen haben die Frauen eine weitere Nachricht aus dem Büro des Insolvenzverwalters erhalten. Darin heißt es, dass die Verantwortlichen davon ausgehen, kommende Woche eine finale Lösung zu haben.

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