Große Debatte - Parallelstrukturen der Mennoniten Brüdergemeinde sind ein Thema
Schule in Wienau: Rat lehnt Bebauungsplan ab
Derzeit werden die Schüler in der mennonitischen Schule in Wienau noch nicht in normalen Klassenräumen, sondern in Containern unterrichtet. Wie es hier weitergeht, ist ungewiss. Symbolfoto: Hendrik Schmidt/dpa (Archiv)
dpa

Dierdorf. In der jüngsten Dierdorfer Stadtratssitzung gibt es eine große Debatte. Parallelstrukturen der Mennoniten Brüdergemeinde sind ein Thema.

Eine kontroverse Debatte flammte in der jüngsten Dierdorfer Stadtratssitzung auf. Die Ratsmitglieder diskutierten nicht nur unmittelbar über den Bebauungsplan eines Gemeinde- mit Schulzentrums in Wienau, den die Mennoniten Brüdergemeinde Wienau seit 2017 plant, sondern auch über ihre Verantwortung und Parallelstrukturen. Generell waren die Ansichten geteilt. Am Ende hat der Rat mehrheitlich die Beschlussfassung zur Änderung des Bebauungsplanes abgelehnt.

Die Fraktionengemeinschaft aus SPD, FDP, Grüne und FWG votierte mit zwölf Stimmen geschlossen gegen die Änderung des Bebauungsplans. Dagegen stimmte die CDU-Fraktion einheitlich mit acht Stimmen für die Änderung des Planes, die die Errichtung eines Schulgebäudes ermöglichen würde. Das reichte aber nicht. Bis es zu der Abstimmung kam, gab es verschiedene Wortbeiträge, die aber im Gesamtkontext auch mit Blick auf die Vorgeschichte betrachtet werden müssen.

Die Vorgeschichte

Zum näheren Hintergrund: Für das seit 2017 mehr und mehr vorangetriebene Vorhaben der Mennoniten Brüdergemeinde Wienau, ein Gemeinde- und Schulzentrum (Lukas-Grundschule) auf dem angrenzenden Areal neben der bestehenden Mennonitenkirche zu errichten, wurden Vorbereitungen getroffen. Die Brüdergemeinde erwarb das genannte Areal nach ersten Abstimmungen mit der Stadt Dierdorf und dem Stadtteil Wienau, ist der Beschlussvorlage zu entnehmen: „Dadurch wäre die Unterbringung des Gemeinde- und Schulzentrums in einem Gebäude möglich.“

Zu diesem Zweck gründete die mennonitische Brüdergemeinde Wienau einen Schulträgerverein mit dem Namen „Freie Christliche Schule Dierdorf“. Laut Beschlussvorlage sind Grundlage für den Unterricht an der Lukas-Grundschule die für die öffentlichen Schulen vorgeschriebenen Lehrpläne. Zwischenzeitlich erteilte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion die erforderliche Genehmigung für die Gründung der Schule. Als temporäre Zwischenlösung wurde im Jahr 2021 für vier Jahre eine Containeranlage aufgestellt, welche vorübergehend zur Unterbringung der Schüler dient. Zu Beginn des laufenden Schuljahres wurde dort der Unterricht zunächst nur mit der Klassenstufe eins aufgenommen.

Änderung des Bebauungsplans notwendig

Die in dem Bebauungsplan thematisierte Fläche ist derzeit als Gewerbegebiet „Hofacker“ und darüber hinaus als Areal für kirchliche Einrichtungen ausgewiesen. Eine Änderung ist notwendig, um den Bau des Gemeinde- und Schulzentrums zu ermöglichen. Nicht nur darüber, sondern auch übergeordnet diskutierten die Ratsmitglieder über das Thema – Gemeindemitglieder der Mennoniten verfolgten die Debatte in der Sängerhalle in Brückrachdorf.

Zu Beginn sagte Ratsmitglied Karl Stefan Hachenberg (Grüne) grundsätzlich, dass er sich gegen eine weitere Grundschule in einem Stadtteil ausspricht, wenn es eine gute Grundschule in der Kernstadt gäbe. Auch Cécile Kroppach (SPD) schlug in diese Kerbe: „Wir haben eine gut funktionierende Grundschule in Dierdorf.“ Nach eigener Aussage schätzt sie dort den positiven Einfluss, den mennonitisch erzogene Kinder auf die anderen Jungen und Mädchen üben, aber auch selbst erfahren. Sie sehe es als Verlust, wenn „sich die Kinder separieren würden“. Die mennonitischen Kinder seien sehr gut in die Gutenberg-Schule integriert, dieser Meinung sei auch das Lehrerkollegium.

„Die Gutenberg-Schule stößt nicht an ihre Kapazitätsgrenzen. Wir sind dafür gewählt worden, ein gesellschaftlich gutes Miteinander zu schaffen. Wir wollen der Schaffung von Parallelstrukturen nicht Tür und Tor öffnen.“

Holger Kern (SPD)

Eine ähnliche Meinung vertrat auch Holger Kern (SPD) und ergänzte zudem: „Die Gutenberg-Schule stößt nicht an ihre Kapazitätsgrenzen. Wir sind dafür gewählt worden, ein gesellschaftlich gutes Miteinander zu schaffen. Wir wollen der Schaffung von Parallelstrukturen nicht Tür und Tor öffnen.“

Eine andere Ansicht äußerte Harry Kemling (CDU), der die Bedenken generell nicht so teilte und das Gesprächsthema wieder zurück zum Kern der Beschlussvorlage brachte. Er erklärte, dass die Ratsmitglieder nicht entscheiden sollten, ob die Schule angemessen sei: „Diese Entscheidung hat bereits die ADD und das Land mit der Genehmigung der Lukas-Schule, wie sie genannt wird, getroffen.“ Kemling fügte hinzu, dass für die Schule in Wienau auch Nachfrage aus dem Umland bestehe und schon die erste Klasse aktuell unterrichtet werde.

Zurück zum Kern

Ganz konkret betonte schließlich noch Ratsmitglied, Ingrid Groß (CDU), die auch Wienaus Ortsvorsteherin ist: „Es geht um den Bebauungsplan, nicht um die generelle Zustimmung für das Schulrecht. Dieses hatte die ADD bereits beschlossen.“

Für diesen Tagesordnungspunkt beantragte Kroppach eine geheime Abstimmung, damit für die Öffentlichkeit nicht festzustellen sei, wer wie abgestimmt. Das begründete sie mit möglichen Repressalien. Diese geheime Abstimmung sieht das Kommunalgesetz in öffentlichen Sitzungen in ganz bestimmten Fällen vor.

Doch dafür müssen erst zwei Drittel der Ratsmitglieder dafür votieren, in Dierdorf also 16. Doch der Antrag war nicht erfolgreich, denn bloß zwölf Ratsmitglieder stimmten dafür. Und es folgte dann die offene Abstimmung, die zu einer Ablehnung des Bebauungsplanes führte. Damit ist nun unsicher, wie es weitergeht. Der Unterricht in den Containern wird erst einmal fortgesetzt.

Info: Hintergründe

Auf Nachfrage der RZ hatte sich Ende 2020 der damals gegründete Schulträgerverein, die Freie christliche Schule Dierdorf (FCSD), zu den Beweggründen und dem näheren Vorhaben geäußert. Der Verein FCSD erklärte dazu: „Bereits im Jahr 2015 bewegte Eltern aus dem Kreis Dierdorf der Wunsch, eine christliche Bekenntnisschule zu gründen, die sich an biblischen Maßstäben orientiert.“ Neben der Wissensvermittlung im intellektuellen Sinn gehe es den Eltern besonders um eine ganzheitliche Erziehung, die alle Lebensbereiche umfasst. ten

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