Für Verbrechen, die 2013 im sogenannten Rockerkrieg zwischen den Hells Angels HMC Bonn und den Outlaws Ahrweiler und Koblenz begangen wurden, müssen sich derzeit drei Männer vor der 6. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Andreas Bendel am Landgericht Koblenz verantworten. Zwei Angeklagte sind ehemalige Hells Angels, die ihr Vereinsheim in Neustadt im Kreis Neuwied hatten. Ihnen werden mehrere Fälle von gemeinschaftlicher Körperverletzung und Bedrohung sowie der illegale Besitz und das Führen von Waffen vorgeworfen. Der dritte Angeklagte war nicht Mitglied des Vereins. Ihm wird vorgeworfen, die Taten des Motorradklubs unterstützt zu haben.
Ursprünglich standen zwölf Personen auf der Anklageschrift. Die Verfahren gegen die anderen neun Beschuldigten wurden jedoch aus verschiedenen Gründen entweder in eigenen Verfahren abgehandelt oder eingestellt.
Loyalität und Kontrolle: Die Kultur in der Rockerszene
Trotzdem ist es voll im Gerichtssaal. Neben dem Vorsitzenden sind zwei hauptamtliche Richter, zwei Schöffenrichter sowie je zwei Rechtsanwälte pro Angeklagtem anwesend. Es müssen Tische gerückt werden, um für alle Platz zu machen.
Die Anklage, die Staatsanwalt Alexander Weidler vorliest, geht tief in die Materie. Es geht um die Kultur, die innerhalb der Rockerszene herrscht: um Mitglieder, die dem Verein alle anderen Belange unterordnen müssen; um Revierkämpfe zwischen verschiedenen Motorradklubs; und es geht darum, wie mit Drohungen und Gewalt gegen andere Rocker und Aussteiger, aber auch gegen Mitglieder selbst bei kleinen Verfehlungen vorgegangen wird.
Gewalt folgt Gegengewalt
Zum Konflikt kommt es laut Staatsanwalt Weidler im Zusammenhang mit dem Versuch, den Motorradklub „Grey Ravens“ zu gründen, der mit den Outlaws in Verbindung stand. In einem Geschäft im Westerwald sollen Mitglieder der Hells Angels einen der Gründer niedergeschlagen haben. Bei einer späteren Sommerfeier eines Motorradklubs in Bendorf soll der damalige Präsident der Bonner Höllenengel dann von Mitgliedern der Outlaws angefahren und verprügelt worden sein.
Diesen Ereignissen folgte ein teilweise gewaltsamer Machtkampf zwischen den Vereinen, bei dem die nun angeklagten Hells Angels in verschiedenen Fällen beteiligt gewesen sein sollen. In den kommenden Verhandlungstagen wird es um Konfrontationen vor der Fähre von Bad Hönningen gehen, die in Verfolgungsjagden endeten, um einen Remagener Wirt, der 20 Hells Angels seines Lokals verwies, und GPS-Tracker, die wie in Spionagefilmen an Autos angehängt werden – aber auch um Drohung, Erpressung und Gewalt.
Ex-Präsident tritt als Zeuge auf
Außer zu ihrer Person machten die drei Angeklagten zum Prozessauftakt keine Aussage. Die Beweisaufnahme begann mit dem Abarbeiten einer Liste von Beweismitteln: anonymen Briefe, die 2013 beim LKA eingingen und vor den Rockerbanden warnten, sichergestellten Listen mit Personen, die in Verbindung zu den Outlaws Ahrweiler gestanden haben sollen, und Kaufverträgen für GPS-Tracker einer Firma aus Windhagen. Auf die Frage des Verteidigers Jürgen Mahlig, was das zu bedeuten habe, antwortete Richter Bender, dass die „Pointe noch folgt“ – wenn auch nicht an diesem Tag.
Mehr als 45 Zeugen sollen angehört werden. Den Anfang soll an diesem Mittwoch, dem zweiten von insgesamt 19 angesetzten Verhandlungstagen, der damalige Präsident des Hells Angels HMC Bonn machen. Er war in dem Zeitraum Vize-Präsident und ab Januar 2014 Präsident in der Höllenengel. In einem jahrelangen Prozess, der bereits 2016 begann, wurde der 58-Jährige 2021 rechtskräftig unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war fälschlicherweise die Rede vom 67-jährigen ehemaligen Präsidenten der Hells Angels HMC Bonn. Dabei handelte es sich um eine Verwechslung des 58-Jährigen, der als Zeuge geladen war, mit seinem Vorgänger, der das Amt bis Januar 2014 innehatte.