Dr. Jürgen Stertz kann seit März nicht mehr praktizieren - Kollegen aus Bad Hönningen helfen auf Dauer im Nachbarort aus
Rheinbrohler Hausarzt erkrankt: Bad Hönninger Kollegen übernehmen spontan die Praxis
Damit eine wichtige Anlaufstelle für die Rheinbrohler Patienten erhalten bleibt, haben Kollegen aus Bad Hönningen die Praxis Stertz am Montag übernommen. Derzeit ist Dr. Gerhard Hauschild (im Bild) für die Rheinbrohler da, bevor im Juni eine Kollegin übernehmen wird. Foto: H. W. Lamberz/Creativ
Heinz Werner Lamberz

Bad Hönningen/Rheinbrohl. Es ist ein trauriges Phänomen des 21. Jahrhunderts, dass die hausärztliche Versorgung auf dem Land unter akutem Nachwuchsmangel leidet. Vielerorts müssen Arztpraxen altersbedingt geschlossen werden, die Patienten werden von Kollegen übernommen und müssen teils weite Wege auf sich nehmen, wenn diese nicht im selben Ort praktizieren. Damit dies in Rheinbrohl eben nicht geschieht, hat die Bad Hönninger Gemeinschaftspraxis der Doktoren Höhler, Hauschild und Sattler am Montag die Nachfolge für den akut erkrankten Dr. Jürgen Stertz übernommen, um die Versorgung der Patienten wohnortnah sicherzustellen. Aber das ist nicht der einzige Grund.

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In der Gemeinschaftspraxis befürchtete man auch eine höhere Belastung, wenn sich die Patienten des erkrankten Arztes nach Bad Hönningen – oder zur Praxis Dr. King in Rheinbrohl – orientieren. Denn: Die Gemeinschaftspraxis der drei Ärzte sei ohnehin schon überlastet, sagt Dr. Christoph Höhler. „Das Hauptproblem sind aber nicht die Ärzte, sondern das Personal“, erklärt der Mediziner. Sieben Helferinnen stehen den drei Bad Hönninger Ärzten zur Verfügung. „Und die sind am Limit, gerade jetzt, wo wir auch impfen“, berichtet Höhler aus dem Praxisalltag. Noch einmal mehrere Hundert Patienten des erkrankten Jürgen Stertz aufzunehmen, hätte rein logistisch nicht funktioniert. Wenn umliegende Arztpraxen krankheitsbedingt geschlossen seien, würden die Patienten vor der Tür Schlange stehen, berichtet Höhler aus der Vergangenheit. Genau diese Szenen befürchteten Höhler, Hauschild und Sattler, wenn die Praxis in Rheinbrohl hätte schließen müssen. „Und das ist nicht das, was wir den Patienten bieten wollen“, betont der Bad Hönninger Arzt.

Deshalb hat man sich bei den Doktoren Höhler, Hauschild und Sattler dazu entschlossen, die Räumlichkeiten in Rheinbrohl für Jürgen Stertz zu übernehmen. Geplant sei es zwar nicht gewesen, aber man habe schon damit gerechnet, in Rheinbrohl eines Tages aushelfen zu müssen, da Stertz vergeblich nach einem Nachfolger suchte, erklärt Höhler. Für den Fall hatte die Bad Hönninger Gemeinschaftspraxis schon mit der Anstellung von Dr. Britta Frank vorgesorgt, um einen reibungslosen Übergang zu organisieren. Angedacht war es, ab September die Praxis in Rheinbrohl zu besetzen.

Wegen einer unerwarteten Entwicklung musste es aber schnell gehen: Ende März erkrankte Stertz, und die Bad Hönninger Ärzte reagierten sofort – aus September musste April, spätestens jedoch Mai werden. Innerhalb kürzester Zeit arbeitete man einen Plan aus, wer wann in der Praxis in Rheinbrohl die Patienten versorgen wird. Im Monat Mai übernimmt dies Dr. Gerhard Hauschild, ab Juni ist dann Britta Frank in der Rheinbrohler Hauptstraße im Einsatz – sie erklärte sich sofort bereit, bereits drei Monate früher einzuspringen, erklärt Christoph Höhler anerkennend.

Wie ist das Fazit nach den ersten Tagen im Betrieb im Nachbarort? „Die Nachfrage war ganz gut“, resümiert Höhler. Es sei aber noch „ein wenig Sand im Getriebe“, sagt er: Technische Schwierigkeiten müssten behoben werden. Unter anderem müsse man das Praxispersonal von Jürgen Stertz mit einer neuen Software vertraut machen, erklärt der Bad Hönninger Mediziner. Er findet es essenziell, dass die Praxis und die Helferinnen den Rheinbrohlern erhalten bleiben. „Ich finde es wichtig, dass die Helferinnen geblieben sind. Nicht der Arzt, sondern sie sind das Gesicht der Praxis“, sagt Höhler.

Mit der Übernahme der Praxis in Rheinbrohl setzen die Bad Hönninger Mediziner ein Zeichen gegen den Hausärztemangel in der Region. Zum einen will man zwar die eigene Praxis nicht noch weiter überlasten, zum anderen geht es um die Sicherstellung der Versorgung der Patienten. „Wir müssen das machen“, betont Christoph Höhler. Er könne es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren, die Patienten des erkrankten Rheinbrohler Kollegen allein im Regen stehen zu lassen.

Von unserem Redakteur Daniel Rühle

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