Grüne im Kreis haben in Oberbieber über die Situation am Arbeitsmarkt und die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes diskutiert
Rettung der Pflege? Neuwieds Grüne diskutieren über leichtere Zuwanderung
Holger Wolf (von links, Grüne), MdB Misbah Khan, Pflegedirektorin des Marienhaus-Klinikums Dr. Wioletta Osko und Ann-Kathrin Schrepfer (Grüne) Foto: Rainer Claaßen
Rainer Claaßen

Inzwischen dürfte fast jeder auch aus eigener Erfahrung oder aus Berichten im Bekanntenkreis wissen, dass es im Pflegebereich massive Personalengpässe gibt. Die Verdienstmöglichkeiten halten sich in Grenzen, und die Berufe haben kein besonders gutes Image. Der Kreisverband Neuwied von Bündnis 90/Die Grünen lud deshalb am Freitag zu einer offenen Diskussion zu diesem Thema ein.

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Holger Wolf (von links, Grüne), MdB Misbah Khan, Pflegedirektorin des Marienhaus-Klinikums Dr. Wioletta Osko und Ann-Kathrin Schrepfer (Grüne) Foto: Rainer Claaßen
Rainer Claaßen

Auf dem Podium im Bürgerhaus Oberbieber saßen mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Misbah Kahn und der Pflegedirektorin des Marienhaus Klinikums Neuwied, Dr. Wioletta Osko, zwei ausgewiesene Expertinnen. Es mag an dem guten Wetter und an dem Termin am Freitagabend gelegen haben, dass nur etwa ein Dutzend Besucher an der Veranstaltung teilgenommen hatten. Die gehörten zudem fast durchgängig der Partei an, die eingeladen hatte.

Während Osko viele Aspekte aus dem Alltagsleben im Klinikbereich schildern konnte, berichtete Khan vor allem über die Änderungen, die durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf Deutschland zukommen, das die Bundesregierung derzeit auf den Weg bringt. Beide waren sich einig, dass sich der aktuelle Lebensstandard hierzulande ohne die Einwanderung von jungen Menschen aus anderen Ländern nicht aufrechterhalten lasse.

Händeringende Suche nach Pflegefachkräften in der Region

Osko schilderte, wie schwierig es für ihr Unternehmen schon seit längerem sei, Kollegen für die Pflege zu finden. Mittlerweile sei das Personal hier so gefragt, dass es Agenturen gebe, die sich darauf spezialisiert hätten, Personal zu vermitteln, das sie bei anderen Arbeitgebern zuvor abgeworben haben. Und auch für Interessenten, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen möchten, gibt es Vermittler – nicht immer sind diese laut Osko seriös.

Für EU-Bürger sei der Zuzug nach Deutschland relativ unkompliziert. Für die ist allerdings auch die Aussicht, in Deutschland zu arbeiten meist nicht besonders verlockend – das Angebot an Arbeitsplätzen sei auch in anderen EU-Ländern gut. Auch die Gehaltsverbesserung würde die Nachteile, die der Umzug in ein fremdes Land mit sich bringt, meist nicht aufwiegen. Die Nachfrage aus Nicht-EU-Ländern sei hingegen durchaus hoch.

Bürokratie macht Zuwanderung kompliziert

Osko sagt, dass täglich bis zu 15 Bewerbungen bei der Marienhaus-Gruppe eingehen. Doch die aktuell geltenden Regelungen machten es selbst für gut qualifizierte Menschen, deren Einwanderungswunsch vom potenziellen Arbeitgeber unterstützt werde, sehr kompliziert, nach Deutschland einzureisen und hier arbeiten zu dürfen.

Beide Frauen schilderten in dem Zusammenhang die zum Teil kurios anmutende Bürokratie, die viele Bemühungen ausbremse. So würden etwa viele Anträge und Unterlagen noch immer in Papierform von den Auslandsvertretungen nach Berlin geschickt. Kleinste Formfehler könnten dazu führen, dass die Fortschritte von Monaten hinfällig werden, und der ganze Prozess von vorne begonnen werden müsse – für beide Seiten zermürbend.

Berufsbilder in den Ländern oft unterschiedlich

Khan schilderte Details der zu erwartenden Gesetzesänderung. Die soll neben einer Prozessbeschleunigung etwa Möglichkeiten bieten, die Befähigung zur Ausübung eines Berufs nicht nur über Nachweise einer Ausbildung zu belegen – das scheitert oft schon daran, dass die Berufsbilder in verschiedenen Ländern oft ganz unterschiedlich seien. Stattdessen sollen Möglichkeiten geschaffen werden, die Qualifikation über Resultate der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen.

Den Bedarf an Zuwanderung sieht Khan, von Forschungsergebnissen untermauert, bei 400.000 Personen pro Jahr. Mit dem Gesetz hofft sie, dass kurzfristig zumindest etwas mehr als ein Zehntel davon nach Deutschland kommen können. Ob das gelingt, hängt mit der Ausgestaltung des Gesetzes zusammen – und sicher auch mit der Akzeptanz in der Bevölkerung.

Leichtere Zuwanderung stößt nicht überall auf Begeisterung

Dass es hier noch viel Ablehnung gegen Zuzug gibt, ist Khan auch bewusst. Sie hofft, dass das Einsehen der Notwendigkeit für andere Sichtweisen sorgen kann. Bei Unternehmern ist laut Khan die Erkenntnis schon angekommen, dass Deutschland dringend Arbeitskräfte brauche. Sie schildert eine Begegnung mit einer Lobbyvertretung. Sie hatte wegen ihrer Parteizugehörigkeit mit Gegenwind gerechnet – und war dann erstaunt, dass die Wirtschaftsvertreter darum bettelten, dass die Möglichkeiten zur Einwanderung von Fachkräften vereinfacht werden sollen.

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