Rechtsruck im Puderbacher Land
Reisegruppe erlebt bedrückende Atmosphäre in Auschwitz
Dies war der Eingang des Stammlagers Auschwitz. Die Aufschrift "Arbeit macht frei" wird heute als zynische Parole der Nationalsozialisten verstanden. In dem Konzentrations- und Vernichtslagerlager gab es Zwangsarbeit und unmenschliche Bedingungen.
Gabi Palmen

Urbachs Ortsbürgermeister sorgt sich um die demokratischen Errungenschaften. Den Rechtsruck beobachtet er auch im Puderbacher Land. Ihm ist es wichtig, die Erinnerungskultur hochzuhalten. Vor Kurzem war er mit einer Reisegruppe in Auschwitz. 

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Hörbar bewegt spricht Urbachs Ortsbürgermeister Gert Winkelmeier über den kürzlichen Besuch der Mahn- und Gedenkstätte Auschwitz. Er war nicht allein da, sondern als Teil einer Reisegruppe, dessen Teilnehmer überwiegend im Puderbacher Land wohnen. „Die Gespräche waren gekennzeichnet durch eine tiefe Betroffenheit“, sagt Winkelmeier.

Sie erfuhren viele Einzelheiten über die Gräueltaten der Nationalsozialisten, die vor allem an Juden verrichtet wurden. Insgesamt sind allein in Auschwitz nach Schätzungen 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen ermordet worden. Das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager ist am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee befreit worden. Die Idee für die Reise entwickelte sich nach der Kommunal- und EU-Wahl im vergangenen Jahr, als sich der Rechtsruck im Puderbacher Land deutlich zeigte.

„Wir waren doch ziemlich erschrocken, dass so viele Menschen hier die AfD wählen.“
Urbachs Ortsbürgermeister Gert Winkelmeier

In der Verbandsgemeinde Puderbach wählten bei der Europawahl 2024 ganze 19,7 Prozent der Menschen die AfD. Damit erhielt sie direkt hinter der CDU (27,3 Prozent der Stimmen) den höchsten Anteil. „Wir waren doch ziemlich erschrocken, dass so viele Menschen hier die AfD wählen“, erinnert sich Winkelmeier zurück. Damals wurde ein Leserbrief von Arno Hoffmann aus Urbach in unserer Zeitung zum Wahlergebnis veröffentlicht mit dem Titel „Ich muss mich fremdschämen!“. Zusammen haben Winkelmeier und Hoffmann dann überlegt, was sie gemeinsam initiieren könnten. Es kam die Idee auf, die Mahn- und Gedenkstätte Auschwitz in Polen zu besuchen.

Gesammelte Erlebnisse und Infos teilen

„Der Hintergedanke war, dass in der Partei AfD der Anteil der Funktionäre, die diese Verbrechen in Auschwitz leugnen oder relativieren, aus meiner Sicht relativ hoch ist“, sagt der Ortsbürgermeister. Es sei laut Winkelmeier nicht der Anspruch gewesen, dass AfD-Wähler mitfahren. Die Intention war, dass die Teilnehmer der vor Kurzem stattgefundenen Reise viele Fotos machen, sie über die gesammelten Erfahrungen in Auschwitz im Freundeskreis oder auch im Betrieb erzählen. Auch der historisch interessierte Winkelmeier bietet hier Einordnungen an. Schließlich fanden sich mehr als 30 Menschen, die per Reisebus mit nach Polen fuhren.

Bedrückende Erfahrungen

Eine Reisegruppe, überwiegend mit Teilnehmern aus dem Puderbacher Land, besichtigte die Mahn- und Gedenkstätte Auschwitz.
Gabi Palmen

Auschwitz war der Programmschwerpunkt der Polenreise, die Führung durch die Gedenkstätte war bewegend. Winkelmeier berichtet unter anderem davon, dass die Gruppe erfuhr, wie die Menschen während des Zweiten Weltkriegs, die nach Auschwitz deportiert wurden, ihrer Identität beraubt wurden und nur eine Nummer bekamen. Außerdem erzählte er, wie zusammengepfercht die Menschen dort in Baracken untergebracht wurden, wie schrecklich die Bedingungen waren.

Auch in Erinnerung geblieben sind ihm die Einzelheiten über die Funktionshäftlinge, die die Ermordeten aus den Gaskammern holen mussten und selbst laut Winkelmeier alle sechs Monate umgebracht wurden, damit keine Infos zu den Gräueltaten nach außen drangen. Ihm es ist wichtig, die Erinnerungskultur hochzuhalten. Mit Blick auf den Rechtsruck im Puderbacher Land macht er sich Sorgen.

Eine bedrückende Atmosphäre spürte die Gruppe in Auschwitz. Hier sind gestapelte Gepäckstücke der Ermordeten zu sehen.
Gabi Palmen
„Wir sehen die Gefahr, dass wir die demokratischen Errungenschaften hier über Bord werfen.“
Urbachs Ortsbürgermeister Gert Winkelmeier

„Die demokratischen Errungenschaften haben uns rund 70 Jahre lang Frieden und Wohlstand gebracht“, betont Winkelmeier. „Wir sehen die Gefahr, dass wir die demokratischen Errungenschaften hier über Bord werfen.“ Wo das alles hinführe, mache ihm Angst. Im Puderbacher Land selbst sei die AfD schlecht fassbar: „Die AfD hat hier keine Gruppe.“ Man könne nur daran appellieren, das Gemeinwesen und die demokratische Staatsform nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

Er könne verstehen, wenn die Menschen sauer auf die Politik der bekannten demokratischen Parteien seien, aber die Alternative könne nicht die AfD sein. „Sie kritisieren alles Mögliche, ohne Lösungen anzubieten.“ Den Nährboden für Schreihälse sieht er auch durch das Thema Armut befördert. Winkelmeier regt an, hinter die Kulissen der Parteien zu schauen. Und er hofft, dass noch mehr Menschen, auch aus dem Puderbacher Land, die Gedenkstätte Auschwitz besuchen. Aktuell kommen jährlich rund 1,7 Millionen Besucher nach Auschwitz.

Unzählige Massen an Menschen wurden im Vernichtungsalger Auschwitz-Birkenau ermordet. Schätzungsweise sind in Auschwitz insgesamt mindestens 1,1 Millionen Menschen, vor allem Juden, getötet worden.
Gabi Palmen

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