Kreis Neuwied
Quo vadis, Kreis Neuwied?: Wie entwickelt sich die Region?
Landschaftlich hat der Kreis Neuwied viel zu bieten – ob am Mittelrhein oder auf den Höhen wie hier auf unserem Frühlingsfoto unterhalb vom Ginsterhahn mit Blick auf St. Katharinen. Aber genügt dies, um zukunftsfit zu werden? Was muss noch geschehen, damit der Kreis gut ins Jahr 2030 kommt? Leserfoto: Rolf Niemeyer
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Welchen Einfluss hat der demografische Wandel? Wie kann die Gesundheitsversorgung auf dem Land gesichert werden? Damit und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich ein neuer Ausschuss.

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Wird der Kreis Neuwied bald zur „Smarten LandRegion“? Wie steht es um die gesundheitliche Versorgung, und welche Vermarktungschancen bieten Natur und Regionalität? Mit den Aussichten und Strategien, die den Kreis Neuwied in den nächsten zehn Jahren nach vorne bringen sollen, beschäftigt sich nun ein neuer Ausschuss, der in dieser Woche erstmals im Kreishaus tagte. Unter der Überschrift „Landkreis 2030“ starteten die Mitglieder mit einer Bestandsaufnahme und besprachen erste Ansätze für künftige Handlungsfelder.

1 Demografie: Die allen Planungen zugrunde liegende demografische Entwicklung stellt auch den Kreis Neuwied vor Herausforderungen: Das Statistische Landesamt hat berechnet, dass sich die derzeit rund 182.000 Bürger des Kreises in den kommenden 20 Jahren wohl auf rund 173.000 reduzieren werden. Dabei steigt der Anteil der Senioren stetig an: Wahrscheinlich werden 2040 mehr als 30 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein. Auch verstärkte Zuwanderung hält diese Verschiebung der Altersstruktur kaum auf. Landrat Achim Hallerbach erkennt dennoch eine „positive Bevölkerungsentwicklung“: „Wir haben in den Dörfern kaum noch Leerstand, junge Familien finden günstigen Wohnraum, und die Infrastruktur ist gut. Jetzt gilt es, Haltefaktoren zu entwickeln.“

2 Gesundheitliche Versorgung: Eine entscheidende Bedeutung schreiben die Ausschussmitglieder hier der gesundheitlichen Versorgung zu: „Wir sind im Heute gut aufgestellt, aber im Sinne der Daseinsvorsorge muss das auch so bleiben“, resümiert der Landrat. Das wesentliche Problem sieht Arkadius Adamczyk von der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Nachbesetzung von ärztlichen Praxen in der ländlichen Region: „Die Einzelpraxis ist tot“, lautet sein ernüchterndes Fazit. „Der Trend geht zur Überörtlichkeit. Junge Ärzte wollen sich nicht mehr an einen Standort binden, 40 Prozent geben sogar eine Aversion gegen das Landleben an, 33 Prozent würden eine Stadt unter 10.000 Einwohnern gar nicht in Erwägung ziehen.“ Da verwundert es nicht, dass im Kreis derzeit zehn Stellen für Landärzte offen sind, während die Bedarfsplanung die Ansiedlung weiterer Fachärzte verhindert. Hier sollte der Kreis aktiv werden: Neben finanziellen Förderungen oder Stipendien für angehende Mediziner rät der Fachmann auch, über kommunal eingerichtete Praxen nachzudenken, die Nachwuchsmediziner als freiberufliche Mieter übernehmen könnten.

3 Das Image verbessern: Das schlechte Image ländlicher Regionen ist für Arkadius Adamczyk einer der maßgeblichen Gründe, der junge Mediziner fernhält. Der Kreis hat sich schon Gedanken darum gemacht, wie sich das Bild der Region verbessern ließe: So ist ein Mediziner-Camp in Planung, das an drei Tagen in Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern, mit Hausarztpraxen und öffentlichen Trägern jungen Ärzten die Vorzüge der Region schmackhaft machen kann. Zudem hat der Kreis sich für ein Förderprogramm beworben, das „Gesundheitsförderliche Steuerstrukturen“ etablieren soll: Dabei soll zum Beispiel die Kooperation von Krankenhäusern und Rettungsdiensten über telemedizinische Dienste verbessert werden oder ein „digitales Gesundheitsbüro“ als Informationsplattform entwickelt werden.

4 Regionalität als Vermarktungschance: Die Natur und die wunderbare Lage im Naturpark Westerwald besser als Chance zur Vermarktung nutzen: Zu diesem Ansatz rät Jörg Hohenadl von der Wirtschaftsförderung (WFG) des Kreises: „Regionalität ist schon im Handel ein großes Thema, und auch der Tourismus profitiert davon, die Region erlebbar zu machen.“ Der Fachmann rät dazu, ein Netzwerk nebst Marketingkonzept aufzubauen, das die Gastronomie und Hotellerie der Region als „Naturgenuss-Gastgeber“ etabliert und so weitere Vermarktungschancen eröffnet.

>>Info: Wird der Kreis bald „Smarte LandRegion?“

Die erste Hürde hat der Kreis Neuwied schon genommen: Er gehört zu den 22 Landkreisen, die sich für die finale Bewerbungsphase eines bundesweiten Modellvorhabens qualifiziert haben. Darin sollen digitale Lösungen für wichtige Themenfelder der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum entwickelt werden. Eine Fachjury wird sieben Förderregionen auswählen, die mit Fördergeldern von bis zu 1 Million Euro rechnen dürfen. Gerade arbeiten die Experten des Kreises an der finalen Präsentation: „Wir wollen ein digitales Ökosystem im Gesundheitssektor aufbauen“, kündigt Landrat Achim Hallerbach an. Mithilfe eines „digitalen Gesundheitsbüros“ soll eine übergeordnete Kümmererstruktur entstehen, die die örtliche Koordination ermöglicht. Außerdem steht zur Debatte, Verfahren zu initiieren, die digital die Zusammenarbeit medizinischer Akteure aus Praxen, Krankenhäusern und Rettungsdiensten fördern. Selbst wenn der Kreis es nicht unter die sieben Förderregionen schafft, bleibt ein positiver Effekt: Die Region bliebe in den Verlauf des Modellvorhabens eingebunden und würde bei ihren Bemühungen zur Digitalisierung unterstützt. „Gewonnen haben wir also jetzt schon“, ist sich der Landrat sicher.

Angela Göbler

Die nächste Sitzung des „Landkreis 2030“-Ausschusses ist schon für den August geplant. Dann soll es erneut um die gesundheitliche Versorgung des Kreises gehen, aber auch um weitere Entwicklungen auf regionalpolitischer Ebene. „Aus Soft Skills werden harte Standortfaktoren“, fasste Landrat Hallerbach die Aussichten auf „erfreuliche Entwicklungen“ zusammen. Abhängen lassen will der Kreis sich dabei nicht.

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