VG-Bürgermeister und Bauernchef äußern ihre Bedenken
Puderbacher Wolfsrudel sorgt im Westerwald für Aufsehen: VG-Bürgermeister erfährt es erst aus den Medien
Wölfe
Bereits im vergangenen Jahr hat sich ein Wolfsrudel in der VG Puderbach angesiedelt.
Symbolbild: picture alliance/dpa/Patrick Pleul. picture alliance/dpa/Patrick Pl

Ein Wolfsrudel hat sich in der VG Puderbach angesiedelt. Puderbachs VG-Bürgermeister Volker Mendel und Markus Mille, Geschäftsführer des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, äußern ihre Bedenken.

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Der Kreis Neuwied hat nun sein eigenes Wolfsrudel: Die Nachricht des Koordinationszentrums für Luchs und Wolf (Kluwo) über die Ansiedlung des Raubtieres in der VG Puderbach sorgte in der vergangenen Woche für Aufsehen.Der Wolfsrüde, der eigentlich aus der Glücksburger Heide in Sachsen-Anhalt stammt und im April einen Esel in Harschbach verletzt hatte, hat mit einer Fähe aus dem Leuscheider Rudel für vierfachen Nachwuchs gesorgt. Die kleine Wolfsfamilie lebt nach Auskunft des Kluwo wohl bereits seit dem vergangenen Jahr in der VG. Ein weibliches Jungtier wurde wahrscheinlich im Jahr 2023 geboren, seine drei Geschwister könnten auch erst dieses Jahr das Licht der Welt erblickt haben. „Es ist davon auszugehen, dass dieses Rudel sich jetzt im Großraum Puderbach fest etabliert hat, die genauen Reviergrenzen des üblicherweise rund 250 Quadratkilometer großen Rudelterritoriums sind noch nicht genauer bekannt“, sagt Kluwo-Leiter Julian Sandrini.

Ich war ziemlich verärgert, wütend und maßlos enttäuscht, dass ich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde aus den Medien erfahren muss, dass das Kluwo den Nachweis für ein Puderbacher Wolfsrudel erbracht sieht.

Volker Mendel

Wie die anderen beiden Rudel aus Leuscheid und Hachenburg im Präventionsgebiet Westerwald auf das Puderbacher Rudel reagieren, ist noch unklar. Mögliche Revierkämpfe zwischen den drei Rudeln sind aber nicht ausgeschlossen. „Die auch bei Wölfen bestehende innerartliche Konkurrenz kann zukünftig durchaus zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Rudeln führen. Erfahrungsgemäß ist damit jedoch erst bei vergleichsweise hohen regionalen Beständen zu rechnen, bei denen Rudel an Rudel angrenzt, wie zum Beispiel in der Lausitz in Sachsen und Brandenburg“, erklärt Sandrini. Vor allem den Tierhaltern von Schafen, Ziegen und Gehegewild in der VG Puderbach rät der Experte, präventiv wolfsabweisende Herdenschutzmaßnahmen, beispielsweise das Aufstellen von Elektrozäunen oder die Elektrifizierung von Festzäunen, zu ergreifen. Das Land Rheinland-Pfalz fördere diese Maßnahmen teilweise in vollem Umfang.

VG-Chef Volker Mendel: Keine Hysterie ausbrechen lassen

Den Bürgermeister der VG Puderbach, Volker Mendel (SPD), erreichte die Nachricht über das heimische Wolfsrudel aus heiterem Himmel. „Ich war ziemlich verärgert, wütend und maßlos enttäuscht, dass ich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde aus den Medien erfahren muss, dass das Kluwo den Nachweis für ein Puderbacher Wolfsrudel erbracht sieht“, sagt Mendel unserer Zeitung. In der Vergangenheit habe das Kluwo ihn mehrfach über Wolfsaktivitäten und Auffälligkeiten in den Regionen des Westerwaldes zwischen Asbach, Kircheib und Hachenburg informiert. Es sollten aber jetzt kein Aktionismus oder eine Hysterie wegen des Wolfsrudels ausbrechen, dennoch sei höchste Aufmerksamkeit gefragt, fordert Mendel. „Die Märchen vom Rotkäppchen und dem bösen Wolf oder dem Wolf und den sieben Geißlein in die heutige Zeit zu transportieren, sind nicht zielführend“, so der VG-Chef.

Auf den ersten Blick scheint die Ansiedlung des Wolfsrudels als eine zusätzliche Belastung für die VG. „Die Rahmenbedingungen zwischen dem Artenschutz und dem Schutz der Wild- und Weidetiere müssen ausgewogen und in einem ausgeglichenen Verhältnis gesetzlich unbedingt geregelt werden. Es muss jederzeit rechtlich möglich sein, den Schutzstatus auffälliger Wölfe, sogenannte Problemwölfe, abzusenken und diese zu entnehmen. Dann wäre die Belastung vielleicht eher zu ertragen“, sagt Mendel.

Im Hinblick auf die Einrichtung unserer beiden Waldkindertagesstätten ist das Thema Wolf ebenso auf Priorität eins gesetzt – ähnlich wie frei laufende Hunde im Wald.

Puderbachs VG-Bürgermeister Volker Mendel

Die VG Puderbach habe das Thema Wolf bereits seit dem Jahr 2012 auf der Agenda. Damals sei in der Gemarkung Alberthofen/Steimel erstmals im Westerwald wieder ein Wolf gesichtet worden, der später von einem Jäger getötet wurde. „Im Hinblick auf die Einrichtung unserer beiden Waldkindertagesstätten ist das Thema Wolf ebenso auf Priorität eins gesetzt – ähnlich wie frei laufende Hunde im Wald“, betont Mendel. Die VG befinde sich im stetigen Austausch mit Jägern, Förstern, Landwirten sowie privaten Tierhaltern. VG-Chef Mendel rät Vieh- und privaten Tierhaltern, entsprechende Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen.

Bauern denken über Aufgabe von Weidetierhaltung nach

Nach zahlreichen Informationsveranstaltungen rund um das Thema Wolf im Raum Asbach und Altenkirchen denkt Mendel über ein weiteres regionales Informationstreffen für Bürger im Puderbacher Land nach. Noch hätten den VG-Bürgermeister nicht viele Reaktionen aus der Bevölkerung zum Puderbacher Wolfsrudel erreicht, aber aus Erfahrung weiß Mendel, dass diese von „die schutzwürdigen putzigen Wolfswelpen“ bis zum „sofortigen Aufnehmen ins Jagdrecht und damit zum Abschussfreigeben“ reichen.

Die Realität ist auch, dass die Politik die Tierhalter in der wesentlichen Frage der Bestandsregulierung der Wölfe seit Jahren faktisch im Regen stehen lässt.

Markus Mille, Kreisgeschäftsführer des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau

Markus Mille, Kreisgeschäftsführer des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, beobachtet die Entwicklung im Westerwald mit großer Sorge. „Für jegliche Weidetierhaltung in einer Region sind Wolfsrudel ein erhebliches Risiko. Zwar erkennen wir an, dass das Land Rheinland-Pfalz Herdenschutzmaßnahmen finanziell unterstützt. Ein verlässlicher Herdenschutz vor Wolfsübergriffen ist aber unmöglich. Er bürdet den ohnehin stark belasteten Tierhaltern zusätzliche Arbeit und Kosten auf. Die Realität ist auch, dass die Politik die Tierhalter in der wesentlichen Frage der Bestandsregulierung der Wölfe seit Jahren faktisch im Regen stehen lässt“, kritisiert Mille.

Die Gefahr für Nutztiere wie Schafe, Damwild und Rinder, aber auch Pferde, rücke mit dem neuen Rudel näher an die Tierhalter in und um die Region Puderbach heran. „Daher gilt es für die Tierhalter, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, wie die eigenen Tiere geschützt werden können und wie im Falle von Wolfsattacken vorzugehen ist. Auch für Hundehalter und andere Menschen, die sich viel in Wald und Feld bewegen, ist es ratsam, sich auf Wolfsbegegnungen vorzubereiten“, meint Mille.

Der Bauern- und Winzerverband empfiehlt, den Herdenschutz zu verstärken. „Das kann – je nach örtlichen und betrieblichen Gegebenheiten – durch wolfsabweisende Zäune oder andere Schutzmaßnahmen wie abendliches Aufstallen geschehen. Das ist trotz der Landesförderung mit erheblichem Aufwand für die Tierhalter verbunden“, so Mille. Die unbefriedigende Situation für die Tierhalter führe dazu, dass sie überlegen würden, die Weidetierhaltung einzustellen. Das hätte negative Folgen für die Biodiversität, das Landschaftsbild, die Naherholung und die regionale Versorgung.

Angst der Nutztierhalter vor Wolfsrissen oder Unfällen ist groß

Die Angst unter den Nutztierhalten sei groß, morgens früh getötete oder schwer verletzte Tiere auf der Weide vorzufinden, berichtet der Bauernchef. Sie seien außerdem in Sorge, dass Großtiere bei einer Wolfsattacke in Panik geraten, aus der Weide ausbrechen und möglicherweise in Verkehrsunfälle verwickelt werden, was gerade in Autobahnnähe fatal wäre. „Die Tierhalter sind bitter enttäuscht von einer Politik, die trotz der großen Gefahren für Nutztiere und die öffentliche Sicherheit bislang immer noch keine wirksame Bestandsregulierung der Wölfe ermöglicht – nicht einmal bei Exemplaren, die auf Nutztierrisse extrem konditioniert sind“, sagt Mille.

Der Wolfsrüde GW1896 aus dem benachbarten Leuscheider Rudel sei dafür ein gutes Beispiel: Trotz mittlerweile etwa 100 Nutztierübergriffen mit mindestens 200 getöteten Tieren lasse man den Wolf weiter gewähren. Ein wenig Hoffnung auf Besserung macht den Landwirten auch im Kreis Neuwied sicherlich, dass im September die Mehrheit der EU-Länder für einen schnelleren Abschuss von Wölfen gestimmt hat. Der Schutzstatus des Raubtieres soll herabgesetzt und damit die Jagd auf Wölfe vereinfacht werden. Bis die Änderungen allerdings umgesetzt werden, dürfte es noch etwas dauern.

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