Pflegeheim-Prozess am Landgericht: 91-jähriger Bewohner ist mit flüssigem Medikament betäubt worden - Geld geraubt?
Prozess wegen Raub: Hat die Angeklagte aus dem Kreis Neuwied Pflegeheimbewohner betäubt?

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Kreis Neuwied/Koblenz. Für die 42-jährige Angeklagte und Familienmutter aus dem Kreis Neuwied geht es um viel: Hat die Pflegerin tatsächlich etwa 38.100 Euro von einem 91-jährigen Mann geraubt, der in einem Pflegeheim wohnt, in dem sie diesen zuvor mit einem flüssigen Medikament außer Gefecht gesetzt hatte?

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Diese Frage hat die 10. Strafkammer um Richter Michael Krack am Landgericht Koblenz zu beantworten. Am zweiten Verhandlungstag haben nun die Angeklagte, der Heimbewohner und ein Gutachter Angaben zum Sachverhalt gemacht.

„Herr Doktor, ich glaube, ich bin vergiftet worden!“

Eines Morgens kam die Angeklagte in das Zimmer des 91-Jährigen, die ihn dazu aufforderte, ein Getränk zu trinken, da mutmaßlich der Arzt dies so angeordnet hätte. Skeptisch verweigerte der Geschädigte dies zuerst. Da die Angeklagte den Raum allerdings nicht eher verlassen wollte, bis der Senior die Flüssigkeit zu sich nahm, trank er den Becher letztlich aus, obwohl er nicht wusste, was er enthielt. Daraufhin sei er müde geworden und von Schwindelgefühlen geplagt gewesen, eher er den ganzen Tag schlief, bis er irgendwann am späten Nachmittag in einem Aufwachraum wach wurde.

Dem Arzt, der ihn behandelt hatte, sagte der 91-Jährige nach seiner Behandlung klipp und klar: „Herr Doktor, ich glaube, ich bin vergiftet worden!“ Sowohl der Arzt als auch ein Kriminalpolizist folgten den Schilderungen des 91-Jährigen. Schnell ist beiden klar geworden, dass es sich nicht um das Gerede eines betagten Mannes handelte und dessen Geld möglicherweise tatsächlich geraubt wurde.

Ich hatte einfach mein Geld gern zu Hause.

Der 91-jährige Pflegeheimbewohner, dem mehr als 38 000 Euro gestohlen worden seien

„Ich hatte einfach mein Geld gern zu Hause“, erklärte der Senior dem Richter, der besonders fürsorglich mit dem 91-Jährigen während dessen Vernehmung umgegangen ist. Sein „Zuhause“, wie er es liebevoll nennt, hat er seit Sommer 2021 in einem Pflegeheim im Kreis Neuwied, in dem bereits seine verstorbene Ehefrau lebte. Auch wenn der Senior nicht mehr gut gehen und hören kann und versehentlich angab, dass er schon seit dem Jahr 2000 im Pflegeheim sei, scheint der Mann für sein Alter in einem sehr guten Zustand zu sein. Der Gerichtsverhandlung konnte er zumindest problemlos folgen.

Schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten

Die Angeklagte könne sich hingegen nicht mehr an den ganzen Tattag erinnern. Teilweise habe sie sich komisch gefühlt, als habe ihr eine Kollegin, die sowieso was gegen sie hätte, etwas in den Kakao getan. Allerdings sagt sie klipp und klar, dass sie nie Medikamente, erst recht keine flüssigen Medikamente, einem Bewohner des Pflegeheims verabreichen würde, wenn dies vom Arzt nicht verordnet wäre. Der 91-Jährige hat sie irgendwann mal zur Seite genommen: „Er sagte, er hätte mich im Blick“, berichtete die 42-Jährige. Dem Geschädigten wäre zu Ohren gekommen, dass sie wohl mal in einem anderen Pflegeheim einer anderen Person Geld entwendet hatte, weswegen sie tatsächlich bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Daher habe sich der 91-Jährige drei Tage lang auf einen Stuhl gesetzt und sie im Flur beobachtet.

Wenn ich hier verurteilt werde, würde ich wirklich alles verlieren.

Die Angeklagte

„Wenn ich hier verurteilt werde, würde ich wirklich alles verlieren“, betont die Angeklagte mit Tränen in den Augen. Auch ihren Ehemann erwähnt sie. Ihre größte Angst wäre es, dass ihr Ehemann sie und ihren Sohn vor die Tür setzen würde, sollte sie noch einmal strafrechtlich in Erscheinung treten. Alkoholisiert hätte er das schon zu verstehen gegeben, sagte sie.

Gutachter bestätigt Betäubung mit einem Medikament

Ein Gutachter aus Mainz erklärte aus fachlicher Sicht, dass der 91-Jährige mit einem Medikament betäubt wurde. „Davon könnte man so viel nehmen, wie man möchte, ohne dass es zu einer Lebensbedrohung kommen würde“, so der Rechtsmediziner. Aufgrund einiger Selbstversuche wüsste er zudem aus eigener Erfahrung, was das Medikament, das seiner Zeit bei einer Untersuchung beim 91-Jährigen gefunden wurde, für Auswirkungen hätte. So probierte es der Rechtsmediziner in einem Kaffee aus, wobei er die Flüssigkeit sofort wieder ausgespuckt habe. Er wollte testen, wie viel man von dem Kaffee trinken kann, bis man das Medikament herausschmeckt. Laut seiner Aussage hat das eine Weile gedauert, wobei er – wie der 91-Jährige – einen Gedächtnisverlust erlitten habe und sich an den Tag, an dem er das Medikament nahm, nicht mehr in Gänze erinnern könne.

Für den 91-Jährigen ist klar, dass die Angeklagte ihm dieses Medikament verabreichte. Entscheidend ist jedoch, wie das die 10. Strafkammer bewertet. Der Prozess wird fortgesetzt.

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