Mehrheit im Stadtrat will Potenzialflächen für Fotovoltaik- und Windkraftanlagen prüfen lassen - Bürger sollen beteiligt werden
Potenzialflächen werden geprüft: Stadt Neuwied geht die Energiewende an
Im Wald bei Monrepos liegen mehrere sogenannte Potenzialflächen für Windkraftanlagen. Der Stadtrat Neuwied hat nun entschieden, dass diese Flächen eingehender geprüft werden sollen. Foto: Jörg Niebergall
Jörg Niebergall

Neuwied. Die Stadt Neuwied nimmt die Energiewende in Angriff. In der Stadtratssitzung am Donnerstagabend hat sich eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, mögliche Standorte für Windkraft- und Fotovoltaikanlagen eingehend auf ihre Eignung zu prüfen.

Lesezeit 3 Minuten

Zudem sollen städtische Grundstücke bei entsprechender Eignung an die Stadtwerke Neuwied (SWN) verpachtet werden. Das betrifft zwei Flächen im Wald bei Monrepos und Flächen im Engerser Feld. Gegenstimmen gab es lediglich von der AfD-Fraktion sowie im Fall der Windkraftanlagen auch von der Bürgerliste „Ich tu’s“.

Die Bürgerliste war es auch, die das Thema zu Beginn der Sitzung von der Tagesordnung nehmen wollte. „Wir haben gesehen, dass es großen Diskussionsbedarf gibt“, sagte die Fraktionsvorsitzende Jutta Etscheidt. Damit meinte sie vor allem die Reaktion auf einen Bericht in unserer Zeitung, durch den viele Segendorfer – darunter auch der Ortsbeirat – erstmals erfahren hatten, dass ihr Stadtteil als möglicher Standort für Windkraftanlagen im Gespräch ist. Der Antrag der Bürgerliste wurde jedoch ebenso abgelehnt wie später ein Vorstoß der SPD, die eine Entscheidung in Sachen Windkraftanlagen zumindest vertagen wollte.

Die Beteiligung ist ein Bestreben unseres Hauses und wird mit Sicherheit auch in allen Formen geplant.

Oberbürgermeister Jan Einig

Dass das Verfahren zum Bau von Windkraft- und weiteren Fotovoltaikanlagen noch ganz am Anfang stehe, hoben in der Debatte gleich mehrere Redner hervor. Damit wollten sie Befürchtungen entkräften, dass die Bürger nicht angemessen beteiligt werden könnten. „Die Beteiligung ist ein Bestreben unseres Hauses und wird mit Sicherheit auch in allen Formen geplant“, betonte Oberbürgermeister Jan Einig.

Das sicherte auch SWN-Geschäftsführer Stefan Herschbach zu. Er versprach, dass die SWN „eine Versammlung für alle Interessierten“ anbieten werden, in der die Ergebnisse der Vorprüfungen mitgeteilt werden sollen. „Erst dann wäre die formelle Beantragung einer Genehmigung auf der Tagesordnung“, sagte Herschbach.

Beigeordneter Ralf Seemann machte deutlich, dass es bei der nun anstehenden Entscheidung im Stadtrat lediglich um ein Grundstücksgeschäft gehe – nämlich um die Frage, ob die städtischen Grundstücke an die SWN verpachtet werden sollen, wenn diese für den Bau von Windkraft- beziehungsweise Fotovoltaikanlagen infrage kommen. „Das und nicht mehr haben wir heute zu entscheiden“, sagte Seemann.

Breite Zustimmung im Stadtrat

Und diese Entscheidung – die Standorte zu prüfen und den SWN einen Zugriff auf die Grundstücke zuzusagen – traf der Stadtrat letztlich mit großer Mehrheit. Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem „weiteren Schritt hin zu einer klimagerechten Stadt“. Tobias Härtling (Die Linke) erklärte, dass die Notwendigkeit für erneuerbare Energien seiner Fraktion bewusst sei. Zugleich bat er aber darum, Alternativen zu prüfen und im Fall der Windkraftanlagen im Wald bei Monrepos nach einer anderen Möglichkeit zur Erschließung des Standorts zu suchen, um den Eingriff in die Natur zu minimieren.

Dietrich Rühle (FDP) nahm die SWN und die Papaya-Koalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FWG in die Pflicht: Wenn sie zusagten, „dass alle Standorte ergebnisoffen, umfassend und gleichzeitig geprüft werden“, dann könne die FDP-Fraktion dem Beschlussvorschlag zustimmen. Zustimmung signalisierte auch Sven Lefkowitz (SPD), der die Verwaltung zugleich aufforderte, noch mehr zu tun: „Jeder kleine Baustein hilft.“

Für die CDU ging Martin Hahn auf die wirtschaftlichen Folgen beim Bau von Windkraftanlagen ein. „Unser Ziel muss es sein, die Wertschöpfung hier am Ort zu haben“, sagte er mit Blick auf die Beteiligung der SWN, die ein verlässlicher Partner seien. Von sicherer und preiswerter Energie würden auch die Neuwieder profitieren.

Bürgerliste und AfD lehnen Windkraftpäne ab

Auf Ablehnung stießen die Windkraftpläne bei der Bürgerliste. „Wir sind davon nicht so begeistert“, sagte Jutta Etscheidt. Sie verwies auf den hohen Erholungswert, den der Wald bei Monrepos biete. „Eine positive Abstimmung heute wird unweigerlich die Industrialisierung des Waldes nach sich ziehen.“

Kategorisch gegen den Bau von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen sprach sich die AfD aus. Weder Windkraft- und Fotovoltaikanlagen seien grundlastfähig, daher könne man damit die Grundversorgung der Bevölkerung nicht gewährleisten, argumentierte Martin Dames. Deswegen brauche es weiterhin eine Versorgung mit Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken der vierten Generation.

Privatmann meldet Interesse an Potenzialfläche an

Zwei der potenziellen Standorte für Windkraftanlagen, die nun auf ihre Eignung geprüft werden sollen, liegen auf städtischen Grundstücken. Diese Grundstücke stoßen bei einem Privatmann auf Interesse, der sich deswegen an die Stadtverwaltung gewandt hat.

Aus einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass der Mann die besagten Grundstücke kaufen oder pachten möchte, „um gegebenenfalls nach erfolgten Prüfungen mit einem Windenergieunternehmen ins Einvernehmen zu treten“. Er sehe es nicht ein, schreibt der Interessent, dass mit den Stadtwerken Neuwied (SWN) nur ein einziges Unternehmen per Grundstückssicherung, die der Stadtrat am Donnerstag beschlossen hat, gegenüber anderen Interessenten bevorzugt werde.

Vielmehr sei es für die Neuwieder Bürger von Vorteil, wenn mehrere Unternehmen bei der Erzeugung von Ökostrom konkurrieren würden, denn: „Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft“, schreibt der Interessent, der um die Übersendung der „marktangemessenen preislichen Vorstellungen zum Kauf oder zur Pacht der städtischen Waldgrundstücke“ bittet.

Top-News aus der Region