Die RZ schaut sich im Detail die Pläne rund um den Energiepark des Kirchspiels Urbach an
Pläne für Energiepark im Kirchspiel Urbach: Ein Blick auf Schattenwurf und Energiegenossenschaft
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Welche Windenergieanlagen könnten bei einer Realisierung für den Energiepark ausgewählt werden? In der Präsentation zum Thema taucht beispielhaft das Modell N163 von Nordex auf, das insgesamt 245,5 Meter hoch ist. Foto: Nordex/Ulrich Mertens
Nordex/Ulrich Mertens

Die Pläne für das Kirchspiel Urbach werfen viele Fragen auf. Die RZ versucht, die wichtigsten Fragen zum aktuellen Stand des Großprojekts zu beantworten.

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Mitte April wurden die Fortschritte rund um das Vorhaben des Energieparks Kirchspiel Urbach vorgestellt. Die Einwohnerversammlung in der Urbacher Mehrzweckhalle war gut gefüllt (die RZ berichtete). Nun hat sich die RZ die Präsentation zum Energiepark näher angeschaut, die das Kirchspiel Urbach online auf der eigenen Internetseite veröffentlicht hat. Unter anderem geht es um den Schattenwurf, die Idee der Energiegenossenschaft, die Energieerzeugung oder auch allgemein die Motivation für den Energiepark.

1 Historie, aktueller Stand und weiteres Vorgehen: Ursprünglich war der Energiepark ein gemeinsames Vorhaben des Zweckverbandes Kirchspiel Urbach, der die Orte Dernbach, Urbach, Linkenbach, Harschbach und Niederhofen umfasst, und der Ortsgemeinde Oberraden. Doch in Oberraden werden (vorerst) keine Windräder errichtet. Begründet wurde dies auf einer Einwohnerversammlung im vergangenen Oktober mit Artenschutzgründen. Doch das Kirchspiel Urbach verfolgt die Pläne konsequent weiter. Nach der ersten Bürgerversammlung im März 2023 wurde ein Letter of Intent, also eine schriftliche Absichtserklärung, zwischen dem Kirchspiel und den am Energiepark beteiligten Unternehmen BMR und dem Energieversorger Süwag aufgestellt.

Für das Vorhaben wurde ein Arbeitskreis gegründet und es gab zahlreiche Sitzungen zu verschiedenen Themenfeldern. Schließlich wurden die Sitzungsprotokolle an die Räte weitergeleitet und die Ergebnisse in den Kirchspiel-Räten präsentiert. Nach der zweiten Einwohnerversammlung hat nun vor Kurzem Achim Hoffmann, Vorsitzender des Zweckverbands Kirchspiel Urbach, im Linkenbacher Dorfgemeinschaftshaus die Verträge zum Energiepark mit der Süwag und BMR Energy Solutions unterzeichnet, ist einer Pressemitteilung des Kirchspiels zu entnehmen. Hoffmann erklärte im Anschluss: „Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu unserem Energiepark ist damit getan. Die nächsten Monate werden wir nutzen, um die verschiedenen Genehmigungen einzuholen, die wir für die Errichtung der Wind- und PV-Anlagen benötigen.“ Läuft alles wie geplant, wollen die Partner nächstes Jahr mit dem Bau der drei Photovoltaikfreiflächenanlagen beginnen. Der Bau der vier geplanten Windräder werde frühestens 2026 starten.

2Warum das Kirchspiel Urbach den Energiepark möchte: In der Präsentation führt das Kirchspiel mehrere Gründe für den Energiepark an. Zum einen möchte das Kirchspiel Urbach seinen Beitrag zur Energiewende leisten. Zum anderen rechnet das Kirchspiel damit, dass mit dem Energiepark die eigenen Einkünfte wieder stabilisiert werden, da die Einnahmequelle Wald wegbreche. Deutlich betonte Achim Hoffmann auf der Einwohnerversammlung, dass eines bei den Planungen berücksichtigt wurde: „Wir wollten die Natur schützen und so wenig wie möglich schädigen.“ Deshalb wurden in den Planungen als mögliche Standorte für die Windenergieanlagen der Dernbacher Kopf sowie das Urbachtal ausgeschlossen und die Kernzonen des Naturparks Rhein-Westerwald so weit wie möglich unangetastet gelassen.

3 Die drei Säulen des Energieparks und Zahlen zur Energieerzeugung: Die drei Säulen des Energieparks umfassen Photovoltaikfreiflächenanlagen mit bis zu 20 Megawatt Nennleistung, ein Windpark mit vier Windrädern und eine Wasserstoffproduktion. Windenergie und Solarenergie ergänzen sich im Jahresverlauf hinsichtlich der Stromproduktion. In der Präsentation wurden der Strombedarf und die geplante Erzeugungsleistung der Windenergie und der Solarenergie gegenübergestellt. So beträgt der Strombedarf in der Verbandsgemeinde Puderbach laut Präsentation rund 47.280.360 Kilowattstunden (kWh), der durchschnittliche Stromverbrauch eines Haushalts wurde mit rund 4200 kWh pro Jahr angegeben. Dagegen liegt die geplante Erzeugungsleistung des Energieparks bei insgesamt 730.000.000 kWh.

4Photovoltaik: Die potenziellen Photovoltaikfreiflächen liegen nördlich der A 3. Es handelt sich dabei um Eigentumsareale der Kommunen und des Kirchspiels. Zusammen sind es insgesamt rund 13 Hektar an zunächst anvisierter Potenzialfläche. Laut Präsentation liegt die mögliche Erzeugungsleistung der drei möglichen Photovoltaikflächen bei rund 10 Millionen kWh pro Jahr.

5Windenergie: Die insgesamt vier geplanten Windenergieanlagen sollen alle auf Eigentumsflächen des Zweckverbandes Kirchspiel Urbach entstehen. Laut der Präsentation können die Anlagen zum Teil auf Kalamitätsflächen umgesetzt werden, zudem gibt es eine Vorbelastung durch die A 3 oder auch die ICE-Trasse. Als beispielhaftes, nicht zwangsläufig endgültiges, Modell wurde in der Präsentation das Windrad Nordex N163 angegeben, das insgesamt eine Höhe von 245,5 Metern aufweist. Für eine Windenergieanlage werden dauerhaft versiegelte Fundamentflächen von rund 510 Quadratmeter benötigt, geschotterte teilversiegelte Flächen von rund 2400 bis 3000 Quadratmeter und temporär benötigte Flächen für den Aufbau von circa 6000 Quadratmeter.

6Schattenwurf: Unter anderem zum Schutz der Wohnbebauung sind beim Schattenwurf Grenzwerte einzuhalten. Hierbei dreht es sich um den bewegten Schatten. Wie es in der Präsentation heißt, wäre im witterungsbedingten Idealzustand eine zulässige Schattenwurfbelastung von täglich maximal 30 Minuten erlaubt. Die erwartende Schattenwurfdauer beträgt pro Jahr aber maximal acht Stunden. Sobald dies überschritten wird, schalte sich die verursachende Windenergieanlage für die Dauer des Schattenwurfs automatisch ab. Bis zu 300 Immissionspunkte werden insgesamt überwacht.

7Schallemissionen: Durch die Bewegungen der Rotorblätter im Wind verursachen Windräder Geräusche. Die Schallemissionen hängen insbesondere von der Windgeschwindigkeit, der Umgebungsstruktur und den Umgebungsgeräuschen ab, also in dem Fall beispielsweise Bäume, die A3 und die ICE-Trasse. Der Schall wird mithilfe von Immissionspunkten berechnet, etwa an einem Wohnhaus in Urbach. Grenzwerte, die zum Beispiel zur Nachtzeit überschritten werden, sollen mithilfe einer schalloptimierten Betriebsweise eingehalten werden. Der Grenzwert für Schall, der an einem allgemeinen Wohngebiet ankommen darf, sind nachts 40 Dezibel und tagsüber 55 Dezibel. 40 Dezibel sind vergleichbar mit leiser Musik, 55 Dezibel dagegen mit einem normalen Gespräch.

8Grüner Wasserstoff: Die Akteure möchten auch eine Wasserstoffproduktion mit dem überschüssig erzeugten grünen Strom initiieren. Über die eigenen Erzeugungsanlagen Photovoltaik und Windenergie könnten günstige Strompreise für die Wasserstoff(H2-)-Produktion gesichert werden, ist der Präsentation zu entnehmen. Zunächst soll der Wasserstoff im Bereich Mobilität genutzt werden. Doch eine Marktmachbarkeit sei ohne Förderung aktuell schwierig.

9 Beteiligungsmodelle Energiepark: Eine Beteiligung an den Projektgesellschaften Wind und Photovoltaik ist angedacht. Dem Kirchspiel Urbach soll die Möglichkeit einer Beteiligung von bis 25,1 Prozent eingeräumt werden – ohne Risiko an der Projektentwicklung. Der Einstieg könne bei Inbetriebnahme oder nach einem Jahr Betrieb erfolgen. Für die Beteiligungsoption der Bürger soll eine Bürgergenossenschaft gegründet werden, die Beteiligungsoption würde bei bis zu 10 Prozent liegen. Ein Einstieg soll nach einem Jahr Betrieb möglich sein, der Vorstand und Aufsichtsrat soll aus der Bevölkerung stammen. Der Vorstand hat in der Regel zwei Mitglieder, führt die Geschäfte und entscheidet über die Aufnahme von Genossen.

Der Aufsichtsrat dagegen beruft, berät und kontrolliert den Vorstand, üblicherweise besteht dieser aus drei Mitgliedern, davon ist eines Vorstandsmitglied. Zudem nimmt der Aufsichtsrat den Prüfbericht des Verbandes entgegen. Darüber hinaus wird regelmäßig eine Generalversammlung einberufen, jährlich würde es mindestens einen Sitzungstermin geben. Jeder Genosse hätte eine Stimme unabhängig vom gezeichneten Kapital. Die Mindesthöhe und Maximalhöhe der Beteiligung sollen frei wählbar sein. Eine „interessante“ Rendite soll möglich sein und auch ein Vorrang für Anleger aus Kirchspielgemeinden. Genossen werden zu Miteigentümern des Energieparks, mit allen Chancen und Risiken. Noch sind viele Aspekte offen, laut Zeitplan der Präsentation soll möglichst 2026 die Gründungsversammlung stattfinden.

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