Rengsdorf/Haiti
Pfleger aus Rengsdorf: Hurrikanopfer vertrauten seinen Händen
pirvat

Rengsdorf/Haiti. Die SMS kommt schneller als der Hurrikan: Schon einen Tag bevor Matthew am 4. Oktober über Haiti zieht, klingelt in Rengsdorf Daniel Warkentins Handy. Die bayerische Hilfsorganisation Humedica trommelt Helfer für einen Erkundungstrupp zusammen. Drei Tage später gehört der 27-Jährige zu den ersten Helfern, die die Insel erreichen.

Die Häuser und Hütten sind nur noch Schutt, Plantagen völlig zerstört. Viele Menschen sitzen apathisch vor den Trümmern ihrer Existenz, andere versuchen sich zaghaft am Wiederaufbau. Pfleger Daniel Warkentin macht der Anblick sprachlos, wird er später berichten. Für ihn ist es der erste akute Hilfseinsatz – zuvor war in geplanten Einsätzen unter anderem in Sudan. Das Team landet in der Dominikanischen Republik, mit dem Bus gelangt es nach Port-au-Prince. Nach dem verheerenden Erdbeben 2010 war ein Kritikpunkt, dass die internationale Hilfe im Land schlecht koordiniert wurde. Während sich an manchen Stellen die Helferteams ballten, blieben andere Orte auf sich allein gestellt. Daniel Warkentin hat den Eindruck, dass sich das geändert hat. Mit seinem Team gelangt er per Schiff und später per Boot flussaufwärts ein Stück ins Landesinnere nach Baradères – als erstes internationales Helferteam.

Eigentlich arbeitet Daniel Warkentin als Pfleger in einem Neuwieder Krankenhaus. Für den Einsatz im vom Hurrikan getroffenen Land opfert er seinen Urlaub, tauscht Schichten und holt diese später wieder nach. Als der gelernte technische Zeichner und gläubige Christ im Jahr 2009 mit einem Freund in Kenia war, wurde ihm bewusst, dass er den falschen Beruf erlernt hatte. „Ich wollte mich sozial engagieren. In Deutschland geht es uns so gut, da fehlt uns manchmal der Blick für Menschen in Not. Als Krankenpfleger habe ich auch den Hintergrund, um in Krisengebieten zu helfen.“ So wie in Baradères.

Dort, in einer Stadt mit rund 30 000 Einwohnern, wird das Lager, das das Humedica-Team im örtlichen „Krankenhaus“ – geführt von drei Ordensschwestern und einem Arzt – bezieht, schnell zur Anlaufstelle Hunderter Verletzter. „Die Menschen kamen wegen Fieber, Kopf- und Bauchschmerzen oder wegen Platzwunden“, sagt Daniel Warkentin. Schon allein wegen der Medikamente, die sie normalerweise bezahlen müssten, kommen sie. Eine Frau nimmt einen Fußmarsch von fünf Stunden auf sich, um ihre Wunden versorgen zu lassen. Trotz der rudimentären Ausrüstung, die das Team dabei hat, verarztet es Hunderte Menschen. Jeden Tag. Viel von ihren Schicksalen erfährt der Helfer aus Rengsdorf nicht. Das hat die Sprachbarriere unmöglich gemacht. Doch vom Leben der Menschen zeugen die Bilder, die sich Daniel Warkentin offenbaren. „Es war fast alles zerstört. Die Menschen wurden zwar frühzeitig gewarnt und viele konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Aber jetzt haben viele nichts mehr“, sagt er. Rückhalt in solchen Momenten gibt ihm sein Glaube. Jeden Tag liest er in der Bibel. „Der Glaube gibt mir die Möglichkeit, Dinge gelassener anzugehen. Es ist einfacher mit Gottes Segen.“ Zwei Wochen bleibt er mit dem Ersterkundungstrupp auf Haiti. Nach ihm kommen Helfer nach Baradères, die Tabletten für sauberes Wasser verteilten. Es soll die Verbreitung von Cholera verhindern. 3500 mutmaßliche Fälle hat es im Land dennoch seit dem Hurrikan gegeben. Doch Daniel Warkentin sammelt auch positive Erfahrungen: „Trotz der wenigen Mittel, die wir hatten, haben sich die Wunden vieler Patienten deutlich gebessert durch die Behandlung.“

Mittlerweile ist er wieder in Rengsdorf. Doch die Fragen, die sich ihm in Haiti stellten, hat er mit genommen. „Das lässt einen nicht los“, sagt der Pfleger. „Es bleibt die Frage, warum so ein Land immer wieder solche Schicksale erleiden muss.“ Robin Brand

Top-News aus der Region