Auch im einst am Bergbau reichen Mittelrheingebiet ist die Heilige anzutreffen. Im Weinbauort Leutesdorf ist sie gleich mit mehreren Hinweisen vertreten. Wer durch den Ort geht, dem fällt in der Großen Pützgasse/Ecke Ölbergstraße an einem Hausvorsprung die Statue der Heiligen mit Schwert und Märtyrerkrone auf. Die Statue stand ursprünglich in einem Heiligenhäuschen, das 1869 dem Bahnbau weichen musste. Nachdem sie jahrzehntelang auf einem Speicher aufgehoben wurde, fand sie in den 1950er-Jahren ihren heutigen Platz. Hier ist die Heilige Namensgeberin und Schutzpatronin der Nachbarschaft, die sich etwa Mitte der 50er-Jahre unter ihren Schutz stellte und das jährliche Nachbarschaftstreffen von Aschermittwoch auf den Barbaratag verlegte.
Wer hinter der Kirche den Weg durch das Holbachtal – einst der einzige Weg, der auf die Höhe führte, bevor im 19. Jahrhundert der Neue Weg gebaut wurde – hinaufgeht, wird fast an seinem Ende auf ein Barbara-Heiligenhäuschen moderner Form stoßen, das aber wohl einen historischen Vorläufer hat. Hier wurde laut Schulchronik und ihrem Chronisten, Lehrer Hannes, oberirdisch Eisenpecherz (Stilpnosiderit) geschürft; Spuren sollen noch heute vorhanden sein.
Zur Person: Die heilige Barbara
Wer war Barbara, an deren Namenstag wir ein solches Brauchtum pflegen? In einer Heiligenlegende las unser Autor über die 306 gestorbene Heilige, dass sie sich ganz Gott geweiht hatte.
Denn ihre Vermählung mit einem Jüngling des kaiserlichen Hofes lehnte sie als Braut Christi ab. In ihr Gefängnis, ein Turmzimmer mit zwei Fenstern, ließ sie ein Drittes einfügen als Erinnerung an die Heiligste Dreifaltigkeit. Auch ein Kreuz als dauerndes Zeichen der Erlösung hing sie auf. Barbaras Hinwendung zum Christentum brachte ihren heidnischen Vater derart in Zorn, dass er mit dem Schwert auf sie losging. Barbara aber konnte fliehen und versteckte sich in einem Felsen. Von einem Hirten verraten, schleppte der Vater sie nach Hause und warf sie in ein Verließ. Barbara wurde vor den Richter geschleppt. Grausam gefoltert wurde sie schließlich vom eigenen Vater enthauptet. Noch in der Sterbestunde standhaft dem Christenglauben zugetan, gilt sie als Helferin in der Sterbestunde, als Beschützerin der Sterbenden.
Sie wird auch als Helferin gegen Gewitter, Feuergefahr, Fieber, Pest und plötzlichen Tod angerufen. Sie ist unter anderem Schutzpatronin der Hüttenleute, Glockengießer, Schmiede, Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker, Elektriker, Architekten, Feuerwehrleute, Totengräber, Hutmacher, der Mädchen und der Gefangenen.
Schließlich ist wenig bekannt, dass es in Leutesdorf auch einen Barbarahof gab. Er gehörte dem Koblenzer Kloster St. Barbara und lag gegenüber der Kirche. Mit seinem romanischen Torbogen weist er vielleicht schon in die Frankenzeit. Seit 1292 sind Verlehnungen des Koblenzer Klosters in Leutesdorf feststellbar, viele heute noch gebräuchliche Flur- und Familiennamen tauchen so über Jahrhunderte hin in den Archivalien auf. Der Hof wurde bereits vor der Säkularisation (1802) verkauft, sodass er nicht zu den Gütern gehörte, die der neue Landesherr, der Herzog von Nassau-Weilburg, in Leutesdorf versteigern ließ.
Der Legende nach blieb Barbara mit ihrem Gewand auf dem Weg ins Gefängnis an einem Zweig hängen. Den abgebrochenen Zweig stellte sie ins Wasser; er trieb Blühten. Die Natur legt im Spätherbst mit dem Blattabwurf eine Ruhepause ein, die Anfang Dezember beendet wäre, wenn nicht die kalte Witterung sie an einem erneuten Sprießen und Wachsen hindern würde. Wäre es entsprechend warm, würden auch bei uns um Weihnachten die Bäume wieder blühen, und Ostern wäre wohl eine erneute Obsternte möglich.
Vom Barbaratag an sind es genau drei Wochen bis Weihnachten, meistens ausreichend für ein solches Blütenwunder, wie es sich die Natur selbst wohl kaum einmal erlaubt. Dafür überlisten wir Menschen sie, indem wir am Barbaratag geschnittene Zweige von Kirsche oder Forsythie ins warme Zimmer bringen und sie mit etwas Glück an Weihnachten blühen sehen können. Werner Schönhofen