Seit vergangenem Juli ist Holger Drees Ortsbürgermeister der 2000-Einwohner-Gemeinde Straßenhaus. Der frühere Polizist lebt seit 24 Jahren im Ortsteil Jahrsfeld. Damals habe der gebürtige Duisburger zum ersten Mal von den Plänen einer Ortsumgehung für Straßenhaus erfahren, um den Durchgangsverkehr, der bisher auf der B256 mittig durch den Ort führt, zu verlagern. Doch die Idee einer Ortsumgehung für Straßenhaus ist noch viel älter. Sie stammt laut Drees aus den 1970er-Jahren.
Die bisherige Ortsdurchfahrt stellt laut dem im Jahr 2016 beschlossenen „Bundesverkehrswegeplan 2030“ ein erhöhtes Unfallrisiko durch zahlreiche Einmündungen, Grundstückszufahrten und querenden Rad- und Fußgängerverkehr dar. Sie entspreche nicht der Charakteristik einer überregionalen Verbindung im Zuge einer Bundesstraße. Die B256 ist das Verbindungsstück zwischen der B42 bei Neuwied und der A3 in Richtung Köln oder Frankfurt. Der bisherige Durchgangsverkehr habe durch die Lärm- und Abgasbelastung erhebliche Auswirkungen auf die Wohnqualität in Straßenhaus. Der örtliche Verkehr, insbesondere der Rad- und Fußgängerverkehr, werde erheblich durch die stark belastete Ortsdurchfahrt behindert und gefährdet.
Bürgerinitiative will gegen Umgehung klagen
Begeisterung löst die geplante Ortsumgehung aber nicht im gesamten Dorf aus. „Die Gemüter kochen hoch bei den Anliegern, bei denen die B256 hin verlagert werden soll. Das sind teilweise Anwohner aus den beiden Ortsteilen Niederhonnefeld und Ellingen und von der unteren Birkenstraße“, berichtet Ortsbürgermeister Drees. Aus Reihen der Anwohner hat sich auch die Bürgerinitiative (BI) „Zukunft für Straßenhaus“ gebildet. Sie lehnt die geplante Trassenführung vor ihrer Haustür entlang von Wiesen und Feldern ab, auch weil Bäume dafür gefällt werden müssten. Sie macht sich stattdessen für eine Tunnellösung stark. Zusammen mit dem BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) will die BI gegen die Ortsumgehungspläne klagen, was voraussichtlich zu einer weiteren zeitlichen Verzögerung des Großbauprojekts führen würde.

In der Vergangenheit habe es wegen der geplanten Ortsumgehung „hitzige Debatten“ im Ortsgemeinderat gegeben, bei denen die langjährige Ortsbürgermeisterin Birgit Haas auch verbal angegangen worden sei. Nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr wurde der Rat neu aufgestellt, und auch an der Spitze der Gemeinde ist nun mit Drees ein neuer Kopf. „Ich habe mit dem BI-Vorsitzenden Herbert Krobb und der Ratsfraktion der Grünen keine Probleme“, berichtet Drees.
„Der Bau eines Tunnels stellt genauso einen Eingriff in die Natur dar. Ich erkenne keinen ökologischen Vorteil durch einen Tunnelbau.“
Holger Drees, Ortsbürgermeister von Straßenhaus zur Forderung der Bürgerinitiative
Die Argumentation der BI, aus Umweltschutzgründen die Trasse abzulehnen, könne der Ortsbürgermeister jedoch nicht nachvollziehen. „Der Bau eines Tunnels stellt genauso einen Eingriff in die Natur dar. Ich erkenne keinen ökologischen Vorteil durch einen Tunnelbau“, sagt Drees. Das neuerlich angeführte Argument der BI, dass ein Tunnel unter Straßenhaus auch im Falle eines Krieges als Luftschutzraum genutzt werden könne, hält Drees für „Panikmache“ und wirft diesbezüglich der BI Populismus vor. Aufwand und Ertrag eines Tunnels für Straßenhaus stünden laut den Erkenntnissen der Planer in keinem Verhältnis – weder was die Kosten noch was den Eingriff in die Umwelt betreffe. Die jüngste Kostenschätzung aus dem Jahr 2021 für die Ortsumgehung beläuft sich laut LBM auf 22,7 Millionen Euro.
Drees selbst sei „kein kämpferischer Ablehner“ der Ortsumgehung in Straßenhaus, allerdings gebe es seiner Meinung auch andere Möglichkeiten, den Verkehr zu beruhigen und vor allem den Lkw-Verkehr aus dem Dorf zu halten. „Es gibt Orte, die haben das gleiche oder ein noch größeres Verkehrsproblem und leben damit“, so Drees.
Gegner der Ortsumgehung sind laut Ortsbürgermeister in der Minderheit
Im Februar hat es laut Drees ein Gespräch beim Neuwieder Landrat Achim Hallerbach mit dem für die Planung zuständigen Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) gegeben. Eine Verkehrszählung aus dem vergangenen Jahr habe ergeben, dass bis zu 18.000 Fahrzeuge täglich durch Straßenhaus fahren. Alle notwendigen Gutachten seien für die Ortsumgehung mittlerweile gemacht worden, sodass fehlende Unterlagen bis Ende dieses Jahres der Planfeststellungsbehörde vorgelegt werden könnten. „Im Frühjahr 2026 sollen die Planungen dann offengelegt werden. Für den Fall, dass es keine Widersprüche oder Klagen geben sollte, könnten Mitte oder Ende 2026 die ersten Maßnahmen beginnen“, berichtet Drees von dem Treffen mit dem LBM. Er rechnet jedoch damit, dass die BI zusammen mit dem BUND den Klageweg beschreiten wird. Drees erkenne keine Kompromissbereitschaft bei der BI. Nach Ansicht des Ortsbürgermeisters ist die ablehnende Haltung gegenüber der Ortsumgehung allerdings nicht die Meinung der Mehrheit in Straßenhaus, sondern die von einzelnen Anwohnern. Drees rechnet nicht damit, dass er die Fertigstellung der Ortsumgehung noch in seinem Amt als Ortsbürgermeister von Straßenhaus erleben wird.

„Wir müssen vorsichtig sein, dass wir kein totes Dorf damit erschaffen. Wir haben schon drei, vier Leerstände zu viel im Ort.“
Holger Drees, Ortsbürgermeister von Straßenhaus
Falls die Ortsumgehung wirklich kommen sollte, sei es dem Ortsbürgermeister wichtig, dass Straßenhaus nicht wie Rengsdorf oder Oberbieber aufgrund der Verkehrsberuhigung „ausblutet“. „Wir müssen vorsichtig sein, dass wir kein totes Dorf damit erschaffen. Wir haben schon drei, vier Leerstände zu viel im Ort“, so Drees. Wenn die Ortsumgehung gebaut werden sollte, habe bereits „einer der beiden großen Discounter in Deutschland“ Interesse bekundet, sich am nördlichen Ortseingang von Straßenhaus anzusiedeln.
Blitzer könnten kurzfristig für Verkehrsberuhigung sorgen
Da noch nicht absehbar ist, wann die Ortsumgehung für eine Entlastung in Straßenhaus sorgt, will Drees zeitnah zumindest die Durchfahrgeschwindigkeit im Ort drosseln. „Ich kenne viele Orte in Baden-Württemberg, die keine Ortsumgehung wollten, obwohl durch sie eine Bundesstraße führt. Sie haben aber bis zu drei Blitzer aufgestellt, um den Verkehr zu beruhigen“, so Drees. Auch neue Ampeln sollen den Verkehr besser steuern. Trotz des Ortsumgehungsplans ist Drees der Meinung, dass der Lkw-Verkehr bereits bei Neuwied künftig anders geleitet werden muss, denn sonst verlagert sich das Problem nur bis zum nächsten Ort, der in diesem Fall Oberhonnefeld-Gierend heißen würde. Im dortigen Ortsteil Gierenderhöhe ächzen die Anwohner bereits jetzt unter dem Durchgangsverkehr auf der B256. Sie warten auf eine Entscheidung in Straßenhaus, damit im Anschluss die Pläne für die Ortsumgehung Gierenderhöhe umgesetzt werden können.

Gierenderhöhe klagt über zu viel Verkehr auf der B256
Verkommt der Ortsteil Gierenderhöhe zu einem Gewerbepark wie in Mülheim-Kärlich? Anwohner in Oberhonnefeld-Gierend schlagen Alarm: Die Belastung durch die B256 und die A3 sei schon vor der Eröffnung zweier weiterer Discounter im Dorf viel zu hoch.