„Dass ich diesen Brief verfasst habe, hat einen einfachen Grund. Wir haben seit über einem Jahr keine Möglichkeit zur Schwimmausbildung und das trifft vor allem die Kinder“, formuliert Siebenmorgen seine Motivation im RZ-Gespräch. Für ihn ist 2020 ein „verlorenes Jahr“, wie er in dem Brief schreibt. Er geht davon aus, dass seit Beginn der Pandemie etwa 150.000 Kinder in Deutschland nicht schwimmen lernen konnten. Um diesem Trend entgegenwirken zu können, fordert er in dem Schreiben die „Unterstützung der Kommunen und Schwimmbadbetreiber“ ein, die seiner Ansicht nach schnellstmöglich Konzepte erarbeiten sollen, um den Schul- und Vereinssport wieder möglich zu machen.
HVO wolle nur Geld machen
Vorwürfe erhebt Siebenmorgen gegenüber dem HVO, der sich entschieden hat, sein Freibad in diesem Jahr zunächst nicht zu öffnen, sondern wieder den aus dem letzten Jahr bekannten Biergarten einzurichten. „Wir sind ein Familienbad, wo Eltern und Kinder verweilen wollen und auch mal auf der Decke auf der Liegewiese liegen wollen. Mit Termin zu öffnen, würde dem nicht gerecht werden“, erklärt der HVO-Vorsitzende Rolf Löhmar die Entscheidung. Siebenmorgen vermutet hingegen eine andere Motivation hinter dem Schritt. „Ein Schwimmbad ist nicht einfach zu betreiben, da gibt es viele Vorschriften. Der HVO kann mit dem Biergarten einfach mehr Geld verdienen“, mutmaßt Siebenmorgen.
Er schlägt vor, das Oberbieberer Bad nur für Vereine zu öffnen, die dann am Nachmittag und frühen Abend dort trainieren könnten. „Im Herbst 2020 hatte ich mit Löhmar gesprochen und wir waren so verblieben, dass wir zeitnah schauen, wie man es in diesem Jahr machen könnte“, berichtet Siebenmorgen. Zu dieser Abstimmung sei es aber nicht mehr gekommen. „Stattdessen erreichte meine Helfer im Januar eine Mail, dass nichts stattfinden wird“, ärgert sich Siebenmorgen. Laut dem DLRG-Vorsitzenden übernehmen die Vereinsmitglieder bereits seit mehreren Jahren den Wachdienst im Bad auf Minijobbasis.
Löhmar bestätigt im RZ-Gespräch, dass es das Treffen im Herbst gegeben hat. „Wir haben uns Ende der Saison getroffen und da habe ich ihm erläutert, dass man sich die Corona-Regelungen anschauen müsste.“
Löhmar reagiert schriftlich
Löhmar ist verärgert über die „Forderungshaltung“, die Siebenmorgen seiner Ansicht nach an den Tag legt. „Wenn die DLRG und andere Vereine schwimmen wollten, wäre das gar kein Problem. Dann müsste aber ein Kostenträger da sein. Man kann ja nicht erwarten, dass ein anderer Verein für die DLRG die Arbeit macht“, erklärt Löhmar im RZ-Gespräch. Die Verärgerung sitzt tief. In einer schriftlichen Reaktion auf den offenen Brief, die der RZ vorliegt, bezeichnet er Siebenmorgen gar als den „Totengräber“ des Bades. Dies begründet er vor allem damit, dass die SWN, in deren Aufsichtsrat der DLRG-Vorsitzende sitzt, den jährlichen Betriebskostenzuschuss für 2020 zurückgefordert hätten.
Siebenmorgen indes hält dies für einen unhaltbaren Vorwurf: „Wenn ich kein Bad betreibe, bekomme ich auch keinen Zuschuss, und das weiß Herr Löhmar auch. Der Verein hat keine schlechte finanzielle Ausstattung, deshalb ist der Begriff ,Totengräber' absolut unangebracht. Ich habe das Gefühl, Herr Löhmar hat keine Lust, das Bad zu betreiben.“
Dieser zeigt im RZ-Gespräch schon die grundsätzliche Bereitschaft öffnen zu wollen und stellt klar: „Wenn die Corona-Verordnungen für 2021 einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, werden wir darüber nachdenken.“ Gleichzeitig verweist er auf die Vorlaufzeit von acht Wochen, die es braucht, bis das Bad eröffnet werden kann. „Das hängt unter anderem mit Wasserproben zusammen. Stand jetzt könnten wir also frühestens im Juli öffnen und dann bleibt nicht mehr viel Zeit, um in der Saison Geld zu erwirtschaften.“
Freibad der Deichwelle öffnet ab Anfang Juni – Vereinsschwimmen zum Neustart nicht möglich
Freizeitschwimmer können in der Deichwelle ab dem 2. Juni wieder auf ihre Kosten kommen. Dann soll das Freibad öffnen. Laut einer Pressemitteilung wird es täglich zwei Zeitfenster für jeweils bis zu 600 Gäste geben. Die Fenster sind auf fünf Stunden bemessen, der erste Einlass ist um 9 Uhr, der zweite um 15 Uhr. Voraussetzung für den Besuch ist die Vorlage eines negativen Corona-Tests, eines gültigen Impfausweises oder der Nachweis über eine überstandene Infektion. Auf dem Deichwelle-Parkplatz soll außerdem ein Testzentrum entstehen.
Trotz der Einschränkungen gelten die regulären Eintrittspreise (Erwachsene 5 Euro, ermäßigt, 3,50 Euro). Inwiefern auch Zeitfenster für Vereine und Schulen angeboten werden können, sei noch zu entscheiden, heißt es. Auf RZ-Anfrage teilen die SWN als Muttergesellschaft der Deichwelle mit, dass man Verein- und Schulschwimmen sowie Kurse zum Erlernen des Schwimmens als wichtige Teile des Angebots ansehe: „Wenn die organisatorischen Rahmenbedingungen hierfür klar definiert vorgegeben sind, werden wir die Möglichkeiten prüfen. Solange kein Hallenbadbetrieb möglich ist, werden diese voraussichtlich sehr stark eingeschränkt sein.“