Neuwied
Neuwieds Bürgermeister Michael Mang im RZ-Interview: „Ich vertraue auf den Rechtsstaat“
Michael Mang.
Jörg Niebergall

Neuwied. Michael Mang (SPD) geht in die Offensive: Nachdem der Neuwieder Bürgermeister die am massivsten von der CDU vorgetragene Rücktrittsforderung vehement von sich gewiesen hat, äußert er sich nun in der RZ erstmals umfangreicher zu den Vorwürfen, die ihm im Zuge der sogenannten GSG-Affäre und darüber hinaus gemacht werden.

Michael Mang steht im Kreuzfeuer der Kritik: Dem Neuwieder Bürgermeister werfen seine politischen Gegner – allen voran von der CDU – vor, gegen gesetzliche Vorgaben, die Gemeindeordnung und beamtenrechtliche Richtlinien verstoßen und den Stadtrat getäuscht zu haben. Zuletzt wurde Mang durch ein juristisches Gutachten der Düsseldorfer Anwaltskanzlei OrthKluth belastet. Darin wurden Vorgänge um den Kauf der Kita in Oberbieber durch die GSG beleuchtet, deren Aufsichtsrat Mang leitete. Der geschasste GSG-Geschäftsführer Carsten Boberg erhob Vorwürfe an die Adresse Mangs, die schließlich in einer Rücktrittsforderung seitens der CDU gipfelten, die Mang zurückwies. Auch FWG und AfD äußerten sich kritisch. Nun spricht Michael Mang – über die Vorwürfe im Gutachten, über Boberg, über das Disziplinarverfahren gegen ihn, das nach Vorwürfen von Mitarbeitern angestrengt wurde, und darüber, wie es aus seiner Sicht weitergehen soll.

Waren Sie von der Schärfe der Vorwürfe, die im OrthKluth-Gutachten gegen Sie zusammengetragen worden sind, überrascht?

Ehrlich gesagt nein. Bereits vor der Beauftragung des Gutachtens Mitte Dezember hat mir der Auftraggeber dieses Gutachtens, der Geschäftsführer der GSG/SWN/SBN, Stefan Herschbach, vor Zeugen den Rat gegeben, dass ich zurücktreten solle. Da ich dies nachweislich nicht getan habe, wundert mich die nun selbst von Ihnen formulierte Schärfe nicht. Bei dieser Vorgeschichte entstehen bei mir jedoch Zweifel an der Neutralität des Gutachtens.

Wie reagieren Sie auf den Vorwurf, den GSG-Aufsichtsrat getäuscht zu haben? Haben Sie GSG-Geschäftsführer Carsten Boberg zu den in Rede stehenden Handlungen rund um den Kauf der Kita Oberbieber genötigt?

Jetzt wird vieles durcheinandergeworfen. Als ein Mitglied im Aufsichtsrat, selbst als Vorsitzender, kann ich keine Weisung erteilen und habe dies auch nicht getan. In einem ähnlich gelagerten Fall hat Herr Boberg schriftlich nachgefragt. Warum hier nicht? Mir war es wichtig, nicht nur hochtrabende, millionenschwere Pläne vom Geschäftsführer der GSG zu hören, sondern konkrete Maßnahmen mit Berechnungen dargelegt zu bekommen. Ich habe die Leistung, die er „auf die Straße bringen“ wollte, eingefordert. Dafür werden aber konkrete Arbeit und nicht nur viele Worte benötigt. Wir haben uns in dieser Sache auch in einer Sitzung des Aufsichtsrats gestritten. Die Entscheidung, eine Kita auf dem Kirmesplatz in Oberbieber neu zu bauen, trifft kein Aufsichtsrat, Bürgermeister oder der Geschäftsführer allein. Dazu müssten Grundstücke für diese Zwecke von der Stadt an die GSG verkauft werden. Das ist dem Stadtrat und Liegenschaftsausschuss vorbehalten. Darüber hinaus darf ich hier an die damalige Pressemitteilung der CDU im Kommunalwahlkampf erinnern.

Laut Gutachten sind die Vorwürfe „indiziell“ gestützt. Wie sehen Sie das?

Herr Boberg war zu diesem Zeitpunkt in der Tat sehr geknickt, da stimme ich mit den Beobachtungen überein. Man sollte hier aber nicht die Ursachen verdrehen. Seine Stimmung hatte etwas mit der damaligen Berichterstattung der RZ zu Ostern 2019 zu seinem Umgang mit dem Betriebsrat der GSG und dem von ihm gewünschten Jobrad zu tun. Aufgrund dieses Berichtes gab es die Forderung von Aufsichtsräten, eine Sondersitzung einzuberufen. Gegen seinen Willen fand eine solche Sitzung statt, und dort wurden gemeinsam mit dem Aufsichtsrat, der Geschäftsführung und dem Betriebsrat die Punkte erörtert. Dies hat ihm im Vorfeld sichtlich missfallen.

Sie haben die Fragen der Gutachter auf Anraten Ihrer Anwälte nicht beantwortet, weil es inhaltliche Überschneidungen mit dem Disziplinarverfahren, dem Sie sich aktuell stellen müssen, gibt. Welche sind das?

Durch meinen Rechtsbeistand wurde dem Oberbürgermeister im Februar 2020 mitgeteilt, dass es mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens, bei dem auch ein Punkt „Kita Oberbieber“ aufgeführt ist, Überschneidungen zu seinem GSG-Fragenkatalog gibt und daher empfohlen wird, den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Es wurde im Gutachten aber „zufällig“ vergessen, den darauffolgenden Absatz wiederzugeben. Er lautet: „Ich darf Sie bitten, diese Problematik mit den von Ihnen beauftragten Rechtsanwälten zu besprechen und mir diesbezüglich eine Rückmeldung zu geben. Dies betrifft auch mein Verlangen auf Akteneinsicht, welches Sie nach Ihrem Schreiben vom 27.12.2019 ebenfalls mit den Rechtsanwälten erörtern wollten.“ Bis zum heutigen Tag gab es keine Rückmeldung. Es kommt mir mittlerweile so vor, als will man den Eindruck erwecken, ich wolle nicht antworten. Das Gegenteil ist der Fall.

Sie bezeichnen die Gutachten als „nach fachanwaltlicher Auskunft sowohl juristisch-methodisch unrichtig, als auch auf der Basis falscher Tatsachengrundlagen erstellt“. Können Sie das genauer ausführen?

Ich weiß, die Themen sind in ihrer Komplexität für den Außenstehenden schwierig zu durchdringen. Das geht sicherlich schon gar nicht auf die Schnelle in einer Akteneinsicht. Mir scheint, es ist erklärtes Ziel, durch die schiere Menge an Beschuldigungen Eindruck zu schinden. Das ist durch die begleitende Berichterstattung leider auch gelungen. Die Fraktionen hatten Einblick in die Gutachten, die im Rahmen des laufenden Disziplinarverfahrens erstellt wurden. Leider wurden diese Gutachten vor meiner angekündigten Stellungnahme übereilt in Auftrag gegeben, und zusätzlich wurden den Gutachtern nicht alle relevanten Informationen zur Verfügung gestellt. Teure Rechtsgutachten vor einer vollständigen Beweisaufnahme, der Zeugenvernehmung und vor meiner Stellungnahme zu erstellen, dient wohl eher der Beeinflussung von Stadtratsmitgliedern als einer ergebnisoffenen Aufklärungsbemühung.

Welchen Fortgang hat das Disziplinarverfahren bis dato genommen?

Nach meiner ersten fristgerecht eingereichten Stellungnahme befinden wir uns derzeit im Rahmen der Zeugenvernehmungen. Da in einem Disziplinarverfahren vor allem be- und entlastende Gesichtspunkte gleichermaßen zu Tage gefördert werden sollen, wirke ich hier umfassend mit.

Wie reagieren Sie auf die in diesem Verfahren vorgetragenen Vorwürfe gegen Sie?

Ich vertraue auf den Rechtsstaat und die daraus resultierenden Abläufe. Mir selbst ist es wichtig, dass wir die einzelnen Punkte aufklären. Auch wenn ich es bedauere, dass diese Vorwürfe erst nach Aufforderung aufkamen und vorher kein Gespräch mit mir oder anderen gesucht wurde, bin ich überzeugt, sie müssen aufgearbeitet werden, um nichts im Raum stehen zu lassen.

Sie haben die Rücktrittsforderung vehement zurückgewiesen. Wie soll es Ihrer Ansicht nach nun weitergehen mit diesem Konflikt? Sehen Sie Ihre Amtsausübung gefährdet, weil das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Teilen des Stadtrates eingetrübt ist?

Seit meiner Wahl im Jahr 2015, als ich mich gegen eine CDU-Kandidatin durchgesetzt habe, weiß ich, dass ich nicht nur „Fans“ im Neuwieder Stadtrat habe. Aber auch nach der verlorenen OB-Wahl war und ist es mir immer wichtig, als Mitglied des Stadtvorstandes der Stadt Neuwied über Parteigrenzen hinweg mit allen gut zusammenzuarbeiten. Bis dato kann ich mich auch an keine hochstrittige Entscheidung in den Ausschüssen und Gremien erinnern, die ich geleitet oder bei denen ich Vorlagen eingebracht habe. Mir waren immer ein breiter Konsens und eine demokratische Diskussion zum Wohle der Stadt wichtig. Eine weiterhin sachlich-fachlich gute Zusammenarbeit sehe ich nicht gefährdet. Wir haben doch alle das gemeinsame Ziel, für die Bürger das Beste für die Stadt Neuwied umzusetzen.

Es könnte zu einem Abwahlverfahren kommen. Wie schätzen Sie dies ein?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts zu Ende gebracht. Wenn natürlich rechtsstaatliche und christliche Werte, also zunächst die Unschuldsvermutung und die Möglichkeit, das umfassend aufzuarbeiten, nicht gelten sollten, dann könnte es zu einem solchen Verfahren als Vorabverurteilung kommen. Welche Motive das dann hat, liegt ja auf der Hand. In den vergangenen Monaten ist mir noch einmal bewusst geworden, wie wichtig es ist, sich für Dinge einzusetzen und Menschen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben. Ich werde dafür kämpfen, mich in meinem Amt weiterhin zum Beispiel für die Bereiche Schulen/Bildung, Jugend, Kitas, Soziales, Integration, Senioren und Sport einsetzen zu können. Ich denke, hier habe ich mir viel Expertise angeeignet und viele Projekte positiv gemeinsam mit den Mitarbeitern bereits umsetzen können.

Haben Sie vor, sich vor dem Stadtrat zu erklären?

Eine öffentliche Erklärung im Stadtrat findet immer ihre Grenze bei den rechtlichen Verpflichtungen von Geheimhaltung nach der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung. Daher habe ich mich bereits mit einem fünfseitigen Brief direkt an die Stadtratsmitglieder gewandt, in dem ich viele Punkte detailliert dargestellt habe. Ich möchte den gemeinsamen Gesprächsfaden nicht aufgeben. Durch Gespräche und den Fortgang der rechtlichen Klärung wird sich hierfür sicherlich noch einiges aufklären.

Die Fragen stellte Tim Kosmetschke

So reagieren die Grünen und die Linken auf die aktuelle Entwicklung

Nach CDU, FWG, AfD und SPD hat nun auch die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen auf die neueste Entwicklung reagiert: „Nach der Akteneinsicht und einer eingehenden Diskussion kommt auch die Grünen- Fraktion zu dem Schluss, dass Michael Mang nicht in allen Situationen den Anforderungen und Pflichten seiner Position als Bürgermeister gerecht geworden ist“, heißt es in einer Pressemitteilung, in der die Fraktion besonderen Wert darauf legt, dass nicht öffentliche Akten und Gutachten vertraulich bleiben und nicht durch ihre Veröffentlichung zu „Munition in einem politischen Kampf eingesetzt werden können“. Fraktionsgeschäftsführer Joachim Adler schreibt weiter: „In der Grünen-Fraktion gibt es in Bezug auf Bürgermeister Mang keine einheitliche Meinungsbildung.“ Dennoch habe die Fraktion mehrheitlich beschlossen, einem in Rede stehenden Abwahlantrag zuzustimmen, „um damit einen Schritt zu einer Beendigung dieses quälend langen Konfliktes – so oder so – zu tun“. In der eigentlichen Abwahlabstimmung, wenn sie denn zustande komme, werden alle Fraktionsmitglieder aber eigenverantwortlich entscheiden, was nach ihrem Gewissen und ihrer Verpflichtung für das Wohl der Stadt ihre Wahl sein wird, kündigen die Bündnisgrünen an.

„Bei der Akteneinsicht war es für mich auffällig, dass in den vorliegenden Gutachten die Sichtweise von Herrn Mang nicht enthalten war“, schildert Tobias Härtling, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat, auf RZ-Anfrage – und nimmt Bezug auf ein persönliches Gespräch mit Mang und auf das fünfseitige Schreiben Mangs an die Ratsmitglieder. „Dies eröffnete mir Aspekte, die mir bisher so nicht bekannt waren und durch die schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn möglicherweise entkräftet werden könnten.“ Härtling sieht zudem Zweifel an der bisherigen Vorgehensweise, da Gutachten erstellt wurden, ohne sämtliche Unterlagen zu berücksichtigen sowie die Stellungnahme Mangs oder die zurzeit stattfindenden Zeugenaussagen abzuwarten. „Aus der Sicht meiner Fraktion bedarf es noch weiterer Klärungen. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass sich Herr Mang grober Vergehen schuldig gemacht hat, dann würden wir einer Abwahl zustimmen. Aber unter den zurzeit noch unzureichend aufgeklärten Sachverhalten wird meine Fraktion eine Abwahl ablehnen.“

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