Es ist kurz nach 9 Uhr, als der ukrainische Lkw auf den Hof rollt. „Christel, ich glaube, wir sind so weit“, ruft Hans-Peter Weißenfels seiner Frau zu, die gerade Gästen die Paletten mit Hilfsgütern für die Ukraine zeigt, die in der Halle eines Bendorfer Spediteurs stehen. In Reih und Glied stapeln sich Bananenkisten, zwei Meter hoch, gefüllt mit Spenden.
Es ist der 25. 40-Tonner mit Hilfsgütern, den der Neuwieder Verein Freunde helfen mit Herz seit Kriegsbeginn in die Ukraine schickt. Ursprünglich sei der Verein gegründet worden, um Opfern der Tschernobyl-Katastrophe zu helfen, erklärt Christel Weißenfels. Später unterstützte der Verein soziale Projekte in Belarus. Doch die Zusammenarbeit litt unter der dortigen Politik. Mit dem russischen Angriff, unterstützt durch Belarus, begann der Verein, Hilfsgüter in die Ukraine zu liefern.

Der Fahrer, ein 21-jähriger Ukrainer, staunt, als er aussteigt. Er hatte bereits vorher zwei Transporte des Vereins in die Ukraine gebracht. Normalerweise sind es nur eine Handvoll Helfer, die den Lkw beladen. Zur Feier des 25. Transports sind auch andere Vereinsmitglieder und Unterstützer dabei. Trotzdem geht es zügig ans Werk.
„Mit dem jungen Ukrainer haben wir Glück“, sagt Hans-Peter Weißenfels. „Der packt immer mit an. Da hatten wir schon andere, die gesagt haben, Beladen machen wir nicht.“ Eine nach der anderen hebt der Gabelstapler die Kisten in den Anhänger.

Zu 90 Prozent seien es Sachspenden, die geladen werden, erklärt Christel Weißenfels. Alles wird zunächst in einer ehemaligen Kita in Irlich gesammelt. Dort treffen sich die Vereinsmitglieder jeden Montag, um Kisten zu packen. „Wir sortieren streng. Alles muss sauber und intakt sein“, sagt die Neuwiederin. Es sind Alltagsgegenstände, medizinischer Bedarf, Bettwäsche, Hygieneartikel, Kleidung – nach Männern, Frauen und Kindern geordnet.

Lebensmittel kauft der Verein extra, für Familien und für Soldaten Dosen und Konserven. „Alles, was man schnell essen kann und schnell Energie liefert“, sagt Christel Weißenfels. Finanziert wird das durch Geldspenden ‒ und Clownskostüme. Mit Bekannten näht sie Karnevalsverkleidungen, deren Erlös in den Verein fließt.
Etwa 100 Bananenkisten kommen jede Woche zusammen. Jede ist dreisprachig beschriftet ‒ Deutsch, Ukrainisch und Polnisch. Mit einem Bus, den die Neuwieder Bäckerei Geisen dem Verein zur Verfügung stellt, werden die Kartons zur Spedition in Bendorf gebracht. Dort stapeln die Helfer sie auf Paletten und folieren sie.
Overhead-Projektoren, Rollstühle und Krankenbetten
Die Kisten ragen über die teils ramponierten Einwegpaletten, auf denen sie stehen, hinaus. Doch die haben einen Vorteil, erklärt Hans-Peter Weißenfels: „Weil sie kleiner sind als Europaletten, passen sie in drei Reihen nebeneinander.“ So können sie den Platz optimal nutzen.
Die Paletten füllen den Lkw passgenau. Immer wieder müssen Kisten mit sanfter Gewalt zurechtgerückt werden. Doch nicht alles passt in die Bananenkisten. Wie Schwanenhälse ragen Dutzende Overhead-Projektoren aus der obersten Schicht einiger Paletten. „Die sind für Kellerschulen in der Ukraine“, sagt Hans-Peter Weißenfels. Die wurden eingerichtet, damit auch bei Luftalarm weiter unterrichtet werden kann.

Vieles, was der Verein schickt, gilt in Deutschland als alt oder ausrangiert, wird aber in der Ukraine dringend gebraucht. „Das sind Sachen, die hier nicht mehr benutzt werden dürfen“, sagt Regine Börder-Zimmer. „Oder die niemand mehr will.“
Das gilt auch für die Rollstühle und Gehhilfen, die ihr Mann Klaus Zimmer gerade zum Anhänger bringt, sowie für Krankenbetten, die vorher schon mal geschickt worden sind. Bilder und Dankschreiben aus der Ukraine zeigen, wie nötig sie sind: Verwundete junge Männer stützen sich auf Rollatoren, sitzen in Rollstühlen oder liegen in Betten aus Neuwied.

Ziel des Transports ist der Ort Kostopol im Nordwesten der Ukraine. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet der Verein mit der dortigen katholischen Gemeinde und Priester Andreas zusammen. Er nimmt die Spenden entgegen, verteilt sie an Bedürftige oder übergibt sie dem Militär. Vorher wurden die Hilfsgüter nach Polen geliefert, dort in Transporter umgepackt und so über die Grenze gefahren. Mittlerweile läuft alles organisierter und transparenter.
Die Ladung muss der Verein im Voraus beim Zoll anmelden. Sabine Wollschläger, seit Oktober 2023 im Verein, hält die Liste in der Hand und streicht ab, was verladen wird. „Ich packe jeden Montag mit, aber das Beladen sehe ich heute zum ersten Mal. Es ist erstaunlich, wie viel zusammenkommt.“

Die Helfer sind sich einig, wer die treibende Kraft des Vereins ist: „Das Ehepaar Weißenfels. Die beiden leben und sterben dafür. Sie machen sieben Tage die Woche nichts anderes. Wenn sie nicht packen, sammeln sie Spenden oder nähen Clownskostüme.“ Für ihr Engagement wurde das Paar sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. „Wir alle investieren extrem viel unserer Freizeit“, sagt Hans-Peter Weißenfels. „Aber wir können nur so fleißig sein.“ Es braucht auch Spenden. Nicht nur die Lebensmittel, sondern auch der Transport selbst müssen bezahlt werden. Dabei steigen die Kosten, während die Spendenbereitschaft sinkt.
Nur noch sechs Paletten fehlen, als ein lauter Knall ertönt: Eine Palette fällt vom Gabelstapler. „Es ist das erste Mal in 25 Transporten, dass etwas schiefgeht“, sagt Christel Weißenfels. Doch nachdem klar ist, dass weder Menschen noch die mit Kleidung gefühlten Kartons Schaden genommen haben, geht es weiter.

Bei den letzten Paletten wird es eng. Die Kartons haben sich verschoben und stehen über. Mit sanfter Gewalt rücken die Helfer sie zurecht. Dann sind noch Spanngurte, die an der Wand des Lkw hängen, im Weg. Schnell öffnet der Fahrer die seitliche Plane, klettert hoch und zieht Gurte zwischen den Paletten heraus.
Ein lautes Quietschen kündigt, an, dass auch die letzte Palette ihren Platz auf dem Anhänger gefunden hat. Nach zwei Stunden schließt der Fahrer die Türen des Lkw. Die Bilanz sind 35 Paletten, 1120 Bananenkartons, Dutzende Rollstühle und Reisekoffer, ein Lattenrost und eine Matratze – und zwei Fußbälle.

Bevor der Lkw losfährt, muss noch Papierarbeit erledigt werden, damit der mit einem Roten Kreuz markierte Lkw offiziell als humanitärer Transport in die Ukraine einreisen kann. Der Fahrer erhält als Dank eine große Tasche mit Lebensmitteln für die Fahrt und seine Familie.
Zwei Tage wird er unterwegs sein, bis die Spenden ihr Ziel erreichen. Doch die nächste Tour ist schon geplant und der nächste Lkw schon wieder zu drei Vierteln voll. Solange wie die Ukraine Hilfe braucht, will auch der Verein weiter jeden Montag Bananenkisten packen.