„Das ist doch Augenwischerei“, ärgert sich ein Neuwieder, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die Deichstadt hat ihren Hebesatz von 610 Prozent bei der Grundsteuer B für Wohngrundstücke beibehalten. Für Nichtwohngrundstücke, also Gewerbe- und andere Grundstücke, wurde der Hebesatz auf 1400 Prozent angehoben. Dennoch zahlten Unternehmer nach der Grundsteuerreform oft immer noch weniger als zuvor, kritisiert der Mann, dessen Name und Anschrift der Redaktion bekannt sind.
2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Seit 1964 waren die Bodenmesswerte nicht mehr angepasst worden. Deshalb hatte es eine Grundsteuerreform gegeben, für die der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Aufkommenneutralität angekündigt hatte. „Das Steueraufkommen insgesamt soll dadurch nicht steigen“, erklärte der spätere Bundeskanzler in seiner Rede zum Grundsteuer-Reformgesetz im Juni 2019 im Bundestag in Berlin.
„Grundsätzlich begrüße ich, dass die Stadt den Hebesatz bei 610 Prozent beibehält.“
Ein Neuwieder Eigenheimbesitzer
Sechs Jahre später ist klar, dass diese Rechnung weder für Kommunen noch für Eigenheimbesitzer aufgeht. Während viele der einen Verluste bei den Steuereinnahmen kompensieren müssen, muss ein großer Teil der anderen tiefer in die Tasche greifen – zum Teil erheblich. Das ist auch in Neuwied so.
Unser Leser, der ein Haus in der Innenstadt von Neuwied hat, schickt ein Lob voran: „Grundsätzlich begrüße ich, dass die Stadt den Hebesatz bei 610 Prozent beibehält.“ Ein aufkommensneutraler Hebesatz hätte 836 Prozent laut Finanzministerium betragen, weiß der Neuwieder: „So viel hätte die Stadt nehmen können, um gleiche Einnahmen bei der Grundsteuer zu erzielen.“
Grundsteuer ist von 2021 bis 2025 um 170 Euro gestiegen
Zu seinem Wohnhaus, das Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, erklärt der Mann: „Bei näherer Betrachtung am Beispiel unseres Objektes entpuppt sich die Angelegenheit als trojanisches Pferd beziehungsweise Augenwischerei.“ 2020 habe er bei einem Hebesatz von 420 Prozent knapp 180 Euro gezahlt. Nachdem die Stadt Neuwied den Hebesatz 2021 auf 610 Prozent angehoben hatte, sei der Betrag auf mehr als 250 Euro gestiegen. „Das entspricht einer Erhöhung um 45 Prozent“, rechnet der Neuwieder vor.
Mit der Grundsteuerreform 2025 seien die Bewertungskriterien für die Objekte und Grundstücke geändert worden. Bei gleichbleibendem Hebesatz von 610 Prozent müsse er jetzt gut 420 Euro bezahlen, was einer Steigerung von 139 Prozent in nur fünf Jahren entspreche, fasst der Mann zusammen. Diese Zusatzkosten würden bei Mietobjekten mit der Betriebskostenabrechnung an die Mieter weitergegeben, weiß er.
Es gibt auch positive Beispiele
Gewerbetreibende würden durch die Reform der Grundsteuerhebesätze in der Regel entlastet, so der Neuwieder weiter. „Ein Hebesatz von 1400 Prozent klingt viel. Aber bei viel niedrigeren Grundsteuerwerten für Gewerbegrundstücke, die definitiv durch die Grundsteuerreform entstanden sind, relativiert sich das Ganze“, so der Neuwieder, der sich beruflich mit der Grundsteuer auseinandersetzt. Viele Gewerbetreibende blieben dennoch unter dem Betrag, den sie zuvor gezahlt haben, weiß er aus Erfahrung.
Doch es gebe auch Positivbeispiele, führt unser Leser weiter aus. Bei einem Zweifamilienhaus in Oberbieber sei die Bemessungsgrundlage, der Grundsteuermessebetrag, von 2024 auf 2025 gesunken. Dort sparten die glücklichen Eigentümer, wie der Finanzexperte sie nennt, gut 130 Euro.

Stadt Neuwied hält sich bei Grundsteuer an Ankündigung
Viel Aufregung hatte es nach 2021 in Neuwied rund um den Hebesatz von 610 Prozent gegeben. Nach der Grundsteuerreform zahlt sich dieser Schritt für Eigenheimbesitzer aus. Das wurde bei der jüngsten Entscheidung im Stadtrat deutlich.
Weniger zahlen laut einer aktuellen Umfrage von WISO Steuer , einer Kooperation der Sendung des ZDF mit Buhl Data Service, 26,7 Prozent. Nicht verändert hat sich die Grundsteuer bei 6,8 Prozent der 46.000 Befragten. Ein Großteil, also 66,5 Prozent der deutschen Haushalte in der Umfrage, zahlt 2025 mehr. 47,8 der Befragten halten die Reform entsprechend für ungerecht.

Grundsteuerreform kostet Land 44 Millionen Euro
Die Grundsteuerreform hat erst Nerven gekostet. Jetzt kostet sie Geld, weil die Steuer für viele Hauseigentümer und Mieter nun höher ausfällt als früher. Kann die Reform aber noch kippen? Ein Urteil soll in einigen Monaten fallen.